Gerhard Henschel

Sieben Martin Schlosser Romane in einem Band


Скачать книгу

ich in den Garten, um zu schaukeln und im Sandkasten Burgen zu bauen.

      Frau Apken ging im Garten rum und fragte uns, ob wir ihr Radio reparieren könnten. Das sei kaputt.

      In Frau Apkens Wohnzimmer war schlechte Luft, aber wir kriegten einen Werkzeugkoffer und durften mit den Werkzeugen das Radio reparieren. Volker schraubte die Rückwand ab, die aus Sperrholz war.

      »Daß ihr das könnt in euerm Alter!« rief Frau Apken.

      Ich nahm die Kneifzange und kniff damit Sachen ab, die überstanden. Volker drehte Schrauben raus. Wir steckten auch mal den Stecker in die Steckdose, um den Empfang zu überprüfen, aber es gab keinen.

      Gustav war noch frecher. Der klingelte bei Frau Apken, wenn er Fußball kucken wollte, und kriegte Zigarren und Likör vorgesetzt, weil Frau Apken nicht merkte, daß Gustav noch nicht erwachsen war.

      Die Zigarren hatte sie von ihrem Mann geerbt, der schon lange tot war.

      Am Ostersonntag gingen wir Eier im Garten suchen. Mama erzählte Wiebke, daß der Osterhase die Eier gebracht habe, dabei hatte Mama alle selbst versteckt.

      Zum Einsammeln kriegten wir Blumentöpfe aus Plastik. Die blauen und die roten Eier waren am leichtesten zu finden. Eins lag mitten auf dem Rasen, aber das sollte ich für Wiebke da liegenlassen.

      Oma streute das Salz aufs Frühstücksbrettchen statt aufs Ei und stippte den angeleckten Eierlöffel in das Salz, damit die Salzkörner unten am Löffel klebenblieben.

      Dann kamen Moorbachs mit Hedda und Corinna, unseren Kusinen, die ausgeleierte rote Strumpfhosen anhatten.

      Im Wohnzimmer fragte meine Kusine Corinna meine Tante Luise: »Warum hat Hedda Locken und ich nicht?« Tante Luise sagte, daß Locken angeboren seien, und Corinna fragte: »Kannst du mir auch welche anbohren?«

      Corinna hatte nur sogenannte Schnittlauchlocken.

      Beim Spazierengehen kamen wir am Mariengymnasium vorbei, wo Mama und Papa zur Schule gegangen waren. Mama hatte da jeden Tag von Moorwarfen aus mit dem Fahrrad hinfahren müssen, und die Jungs, die nur zur Volksschule gegangen waren, hatten Mama vom Rad gerissen und mit Schnee eingeseift.

      Auf dem Friedhof gingen wir zum Grab von Omas Eltern. Mama holte eine Gießkanne mit Wasser, um die Sträucher auf dem Grab zu begießen, und Tante Luise riß Unkraut aus.

      Da lagen auch noch mehr von unserer Familie begraben, Ururgroßeltern und Ururgroßonkel oder Ururgroßtanten und noch andere, aber wie die alle mit uns verwandt waren, konnte ich mir nicht merken.

      Der Fernseher in Jever hatte Holztüren zum Zumachen. Hinten war eine Lampe, die beim Fernsehen immer ansein mußte, damit man sich nicht die Augen verdarb.

      Abends nahm ich Gustavs Meckibücher mit ins Bett. Wie Mecki sich mit seinen Goldhamstern durch das Gebirge aus Brei und Kuchen frißt, um ins Schlaraffenland zu kommen. Da gab es ein Schloß mit Säulen aus Kandis, eine Eisenbahn aus Speiseeis und einen Baum, auf dem Spielzeug wuchs. Ein Fußballtor war aus Würstchen und Broten. In der Schlaraffenlandschule saßen Bären, die Honig und Eis aßen, und Mecki tat so, als ob er der Lehrer sei. Auf einem Bild regneten Bonbons auf den bösen Fliegenpeter. Charly Pinguin stibitzte ihm den Pilzhut vom Kopf, und dann mußte der Fliegenpeter in den Sirupsee kriechen.

      Oder Mecki bei Sindbad, wo der große Vogel Roch herbeigeflogen kam. Da war auch ein Strudel mit Raubfischen, die Brillen aufhatten. Oder Mecki bei Zwerg Nase mit der Hexe und den hilflosen Eichhörnchen.

      Das beste Buch war Mecki auf dem Mond. In der Sternbäckerei kriegten die Engel Kekse um den Hals gehängt, um am Himmel als Sterne zu leuchten, und auf der Milchstraße galoppierten die Pferde mit Meckis Kutsche so wild, daß die Milch überschäumte. Es gab ein Gewitter mit Blitzen, die Hahnenköpfe hatten. Dann kriegte Mecki eine Krone mit Flügelohren, womit er durch den Himmel fliegen konnte, und Kater Murr und Charly Pinguin kuckten Mecki zu.

      Über das gräßliche Bild mit der Regentrude blätterte ich immer schnell weg.

      »Am Morgen dabba dabba dab, dabba dabba dab«, sang Gustav morgens.

      Im Garten spielten Volker und ich Vietkong.

      Papa kam uns mit dem Auto abholen. Ich wollte noch in Jever bleiben, aber Mama sagte, daß wir beim Jaderberger Zoo vorbeikämen. Da könnten wir Ziegen streicheln.

      Auf der Streichelwiese im Jaderberger Zoo waren auch Schäfchen, und es gab eine Riesenrutsche und eine Wippe, bei der man sich oben schwer und unten leicht machen mußte.

      Renate saß am Eßtisch und bastelte was für mich zum Geburtstag. Das hatte ich nicht gewußt, als ich reinkam. Sie legte die Arme drüber und schickte mich raus. Später wollte sie wissen, ob ich was gesehen hätte, und ich sagte, ich hätte nichts gesehen, aber das war geschwindelt. Ich hatte genau gesehen, daß Renate Zelte für meine Indianerfiguren bastelte.

      Hinterm Ladenzentrum hatte Uwe einen Spielplatz gefunden, der auch Klettergerüste hatte. Da gingen wir jetzt immer hin. Ein Mädchen, das Andrea hieß und ganz dunkle Augen hatte, konnte gut klettern. Ich wollte Andrea zum Geburtstag einladen. Mama erlaubte das, aber ich traute mich nicht, Andrea zu fragen. Ich wollte, daß Mama das macht, und sie fragte mich, ob ich noch bei Groschen sei. »Ich lauf doch nicht in der Gegend rum und frag wildfremde Kinder, ob sie zum Geburtstag von meinem Herrn Sohn kommen wollen! Das tu du mal schön selbst, du Angsthase.«

      Das nächste Mal auf dem Spielplatz fragte ich Andrea, und sie sagte, daß sie kommt.

      Jetzt hatte ich mit Uwe und Andrea schon zwei Geburtstagsgäste.

      An meinem Geburtstag standen die Indianerzelte auf einer Decke neben dem Kranz mit sechs Kerzen und dem Lebenslicht in der Mitte. Die Zelte waren aus Filz und Stöcken. Eins war rot, eins blau und eins orange. Volker sagte, das seien keine Zelte, sondern Wigwams.

      Es waren auch neue Indianer dabei. Einer mit Mustang. Den Indianer konnte man runternehmen, aber ohne Mustang blieb er nicht stehen.

      Dann kriegte ich noch einen Fußball, zwei Federballschläger, drei Federbälle und ein Boot, das mit Batterie fuhr.

      Auf die Feier mußte ich bis nachmittags warten. Dann gab es Kaba und Nußkuchen. Andrea hatte als Geschenk ein Etui mit Buntstiften mitgebracht und Uwe eine Tafel Schokolade.

      Andrea wunderte sich, daß bei uns die Türklinken nach oben standen. Das war wegen Wiebke, damit sie die Türen nicht aufmachen konnte.

      Im Wohnzimmer spielten wir Topfschlagen. Volker war mit Kalli im Wald, aber Mama, Renate und Wiebke spielten mit.

      Als erste war Andrea dran. Mama band ihr mit einem Küchenhandtuch die Augen zu. Dann mußte Andrea versuchen, mit einem Kochlöffel den Kochtopf zu treffen, unter dem Schokolade lag. »Kalt – kälter – eisigkalt – warm – wärmer – heiß, heiß, heiß! Du verbrennst dich gleich!«

      Dann Blindekuh. Als ich das Handtuch um den Kopf hatte, drehte Mama mich rum, damit ich nicht mehr wußte, wo ich war und wo die anderen standen. Wiebke kicherte, und ich tapste in die Richtung, aus der das Kichern gekommen war, aber dann rief Uwe hinter mir: »Fang mich doch, du blinder Ochse!« Als ich mich umdrehte, fiel ich über die Sofalehne, biß mir beim Hinfallen auf die Zunge und mußte heulen.

      Wir spielten auch noch Federball im Garten, aber das war schwer. Ich kam immer nicht an den Federball dran, und wenn ich ihn mal getroffen hatte, flog er in den Komposthaufen oder über den Zaun auf die Straße. Oder die Kappe ging ab. Die mußte man dann erst finden und wieder aufsetzen. Einmal knallte der Federball Wiebke an den Kopf, und sie brüllte los.

      Das Boot durfte ich in die Badewanne mitnehmen. Hinten war ein Schalter zum Anmachen. Dann drehte sich unten die Schraube, und es fuhr zum Wannenrand. Wenn ich es unter Wasser drückte, flutschte das Boot wieder hoch.

      Mit den Buntstiften von Andrea malte ich ein Bild von Menschen, die in der Hölle gekocht wurden. Rot und Gelb für das Feuer unterm Kochtopf, Blau für den Topf und Schwarz für die Menschen, weil