kräftig zugeschlagen“, sagte sie heiser.
„Aber nein.“
„Stell dir vor, der Mann wacht nicht mehr auf. Dann bist du ein …“
„Er wacht wieder auf.“ Bruno Pfaff fuhr dieselbe Strecke zurück, die sie gekommen waren.
„Er wird der Polizei sagen …“
„Wird er nicht. Er hat es mir versprochen.“
„Er wird sich wohl kaum an dieses Versprechen halten.“ Rosy Kupfer seufzte schwer. „Bruno, ich mache mir Sorgen um dich. Du fängst an, den Bogen zu überspannen.“
„Verdammt, du gehst mir auf die Nerven!“, herrschte er sie an, doch diesmal brachte er sie damit nicht zum Verstummen.
„Man wird uns in Hamburg bald jagen wie Bonnie und Clyde“, sagte sie.
Er zuckte mit den Schultern. „Dann gehen wir eben in eine andere Stadt.“
„Und wohin, wenn ich fragen darf?“
„Warst du schon mal in München?“
„Nein.“
„In der Weltstadt mit Herz“, sagte Bruno Pfaff. „Es würde dir da gefallen.“
5
„Nun?“, fragte Dr. Nicola Sperling und sah den Grünwalder Arzt gespannt an.
Dr. Kayser lächelte. „Tja, meine Liebe …“
„Ist meine Vermutung richtig?“
Dr. Kayser nickte. „Das ist sie. Du bist in der Tat schwanger. Herzlichen Glückwunsch.“
„Es muss in der Nacht nach dem Grillfest passiert sein.“
„Dann habe ich – irgendwie – mit zu deinem Zustand beigetragen.“
„Könnte man sagen.“ Die junge Kinderärztin umarmte Sven glücklich und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
In diesem Moment betrat Schwester Gudrun das Sprechzimmer. „Oh“, sagte die grauhaarige Sprechstundenhilfe verwirrt. „Entschuldijung.“ Sie wollte sich sofort wieder zurückziehen.
Doch Nicola sagte: „Bleiben Sie, Schwester. Ich möchte Sie ebenfalls umarmen und küssen.“ Sie tat es, ehe Gudrun Giesecke es verhindern konnte. „Ihr Brötchengeber hat mir nämlich soeben bestätigt, dass ich schwanger bin“, erklärte Nicola ihre Euphorie.
„Jratulation“, sagte die Berlinerin.
„Danke.“
„Ahnt Torben schon etwas?“, fragte Dr. Kayser.
Die schöne Kollegin schüttelte den Kopf. Ihre Augen strahlten wie Wunderkerzen. „Ich werde ihn heute Abend mit dieser großen Neuigkeit überraschen.“ Sie lachte übermütig. „Er wird aus allen Wolken fallen.“
„Und sich auf das Baby genauso freuen wie du“, sagte Sven Kayser.
„Mit Sicherheit. O Sven, ich hätte nicht gedacht, dass deine Bestätigung in mir ein solches Glücksgefühl auslösen würde. Es ist so wunderbar für mich, zu wissen, dass ich in anderen Umständen bin. Bisher kannte ich es ja nur vom Hörensagen – dass es unbeschreiblich schön ist, Mutterfreuden entgegenzusehen. Nun darf ich diese himmlische Erfahrung selbst machen.“
„Se werden een janz besonders hübsches Baby kriejen“, sagte Gudrun Giesecke überzeugt. „Zwee so schöne Menschen wie Sie und Dr. Lorentz … da kann nur een Prachtkind rauskommen.“
„Die Schönheit ist nicht so wichtig“, erwiderte Dr. Nicola Sperling, „und auch nicht, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird. Hauptsache, es ist gesund.“
Dr. Kayser brauchte seiner jungen Kollegin nicht zu erklären, wie sie sich nun während der Schwangerschaft zu verhalten hatte. Darüber wusste Nicola Sperling bestens Bescheid. „Richte auch Torben meinen Glückwunsch aus“, bat er.
Sie nickte. „Ich möchte, dass du mich durch meine erste Schwangerschaft begleitest, Sven.“
„Tue ich sehr gern“, gab der Grünwalder Arzt freundlich lächelnd zurück und drückte der schönen Kollegin innig die Hand.
6
Nicola stand vor einem Schaufenster, in dem eine Wiege, ein Stubenwagen und verschiedene Kinderwagenmodelle zu sehen waren.
Ein unglaubliches Glücksgefühl durchströmte sie. Ihr Baby war zwar nicht geplant gewesen, aber es war dennoch die Frucht einer ganz großen Liebe.
Unser Kleines wird unser Leben völlig umkrempeln, dachte die Kinderärztin, und ein seliges Lächeln umspielte dabei ihre Lippen. Nichts wird mehr so sein wie bisher, und dennoch freue ich mich schon ganz wahnsinnig darauf.
Ein Mann blieb hinter ihr stehen. Sie sah ihn im spiegelnden Glas, und es gefiel ihr nicht, wie er sie von oben bis unten begutachtete.
Er hatte dichtes, grau gefärbtes Haar, sein Hemd war bis zum Nabel offen, und fünf oder sechs Goldketten funkelten im Sonnenlicht an seinem Hals.
Jetzt trat er näher und setzte ein selbstgefälliges Lächeln auf. „Na, schöne Frau“, sprach er sie an.
Sie drehte sich um und sah ihn abweisend an.
Es störte ihn nicht. Mit dem Lächeln des erfolggewohnten Verführers fragte er: „Darf ich Ihnen Gesellschaft leisten?“
„Wird Ihr Ego sehr darunter leiden, wenn ich nein sage?“, gab sie kühl zurück.
Doch so schnell gab er nicht auf. Vermutlich hatte er die Erfahrung gemacht, dass Beharrlichkeit letztlich doch zum Ziel führt. „Kommen Sie“, sagte er und deutete mit dem Kopf auf ein gemütliches Straßencafé, „ich lade Sie auf einen Cappuccino ein, und Sie erzählen mir Ihre Lebensgeschichte.“
„Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich nicht weiter belästigen würden“ , sagte Nicola nun schon etwas schärfer.
„Ich belästige Sie?“ Er schien das nicht glauben zu können. Fielen die Frauen normalerweise etwa in Scharen in Ohnmacht, wenn er sie ansprach?
„Jawohl, das tun Sie“, zischte Nicola Sperling.
Er lächelte wie John Wayne – jedoch wesentlich weniger sympathisch. „Es sollte Ihnen schmeicheln, wenn es einem Mann unmöglich ist, an Ihnen vorbeizugehen, ohne Sie anzusprechen. Sie sind wunderschön …“
„Und vergeben.“
„Oh, das würde mich nicht stören.“
„Wenn Sie jetzt nicht gleich verschwinden, Sie aufgeblasener Vorstadt-Casanova, werden Sie was erleben!“, sagte Nicola so laut, dass alle, die an ihnen vorübergingen, es hörten.
Ein vierschrötiger Mann mit babyblauen Augen blieb stehen und fragte: „Belästigt Sie dieser Kerl?“
Nicola nickte.
Der große Bursche ballte die Hände zu Fäusten und knurrte den arroganten Don Juan an: „Lass die Frau in Ruhe, Mistkerl! Los, zieh Leine!“
Der Typ mit den Goldkettchen wollte zuerst etwas erwidern, überlegte es sich aber angesichts der Größe und der aggressiven Haltung des Vierschrötigen anders, machte kehrt und entfernte sich mit raschen Schritten.
„Danke für die Hilfe“, sagte Nicola zu dem großen Mann.
„Ich kann solche Kerle nicht ausstehen.“
„Ich auch nicht“, sagte Dr. Nicola Sperling. „Nochmals vielen Dank.“ Sie ging weiter. Wenig später setzte sie sich auf eine Parkbank, holte ihr kleines Handy aus der Handtasche und rief die Seeberg-Klinik an. „Dr. Sperling hier“, sagte sie. „Kann ich Dr. Lorentz sprechen?“