A. F. Morland

5 Romane Auswahlband Ärzte und Schicksale Februar 2019


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lachte. „Ich liebe dich. Liebst du mich auch?“

      „Ich glaube nicht“, brummelte er. „Nicht mehr.“

      „Und warum nicht?“

      „Weil du frei hast und ich nicht. Und weil du mich mit deinem Anruf auch noch verhöhnst. Ich habe eine Gallenresektion, eine Appendektomie und zwei Notoperationen hinter mir, und du fragst mich, wie es mir geht. Wo treibst du dich überhaupt herum?“

      Nicola Sperling blickte sich um. „Ich sitze in einem schönen schattigen Park unter der großen Krone eines alten Kastanienbaumes …“

      „Mich frisst der Neid.“

      „Vor wenigen Minuten hat mich ein attraktiver Mann angesprochen.“

      „Das wird ja immer schöner.“

      „Er hat mich auf einen Cappuccino eingeladen.“

      „Du hast hoffentlich abgelehnt.“

      „Selbstverständlich.“ Sie schmunzelte. „Ich lasse mich doch nicht von wildfremden Männern einladen – egal, wie phantastisch sie aussehen.“

      „Du bist grausam, Nicola“, stöhnte Dr. Lorentz in der Seeberg-Klinik.

      „Komm heute Abend zu mir, dann mache ich alles wieder gut“ , versprach sie ihm. „Zwanzig Uhr? Schaffst du das?“

      „Kein Problem.“

      „Also, bis dann“, sagte die Kinderärztin. „Ich freue mich auf dich.“ Sie beendete das Gespräch und ließ das Handy wieder in ihre Handtasche gleiten.

      7

      „Haste schon jehört?“, sagte Schwester Gudrun zu ihrer jungen Kollegin. Vor wenigen Augenblicken hatte die letzte Patientin das Grünwalder Arzthaus verlassen.

      „Was gehört?“, fragte Marie-Luise Flanitzer.

      „Nicola Sperling …“

      „Was ist mit der?“

      „Sie bekommt een Baby“, sagte Gudrun Giesecke.

      Dr. Kayser erschien in der Tür. Er sah die alte Sprechstundenhilfe an und schüttelte lächelnd den Kopf. „Icke, Icke.“

      „Wat is denn, Chef?“, erwiderte die Berlinerin. „Is doch nix dabei, wenn ick Marie-Luischen dat erzähle. Damit plaudere ick doch keen Jeheimnis aus, und außerdem jehört meene junge Kollejin ja zum Team.“ Sie wandte sich wieder an Marie-Luise Flanitzer. „Du hättest se erleben sollen. Rejelrecht überjeschnappt isse vor Freude. Unseren Chef hat se jeküsst und mir ooch, und wenn du zufällig neben mir jestanden hättest, hätte se dich ebenfalls an ihr Herz jedrückt. War direkt ansteckend, wie die sich jefreut hat.“

      Dem musste Dr. Kayser zustimmen. Ansteckend war Nicola Sperlings Freude tatsächlich gewesen. Die meisten jungen Frauen freuten sich, wenn er ihnen eröffnete oder bestätigte, dass sie schwanger waren. Nur ganz selten kam es vor, dass eine Frau in Tränen ausbrach und verzweifelt war.

      Er versuchte dann immer herauszufinden, was der Grund für diese Verzweiflungstränen war, und in vielen Fällen konnte er auch helfen.

      8

      Der Tisch war festlich gedeckt, als Dr. Torben Lorentz pünktlich bei seiner Liebsten erschien. Nicola setzte ihm köstlich schmeckende Tournedos mit Kartoffelkroketten vor. Es gab einen hervorragenden Grauburgunder dazu, und in lichtblauen Keramikständern brannten auberginefarbene Kerzen.

      Als Nicola den Nachtisch servierte und Torben dabei unendlich verliebt ansah, konnte er die Frage nicht länger zurückhalten: „Was wird hier eigentlich gefeiert, Liebes?“

      Sie hob leicht die Augenbrauen. „Später.“

      „Wozu spannst du mich auf die Folter?“

      „Nur wenn du brav alles aufisst, was ich dir vorsetze, wirst du von mir mit einer guten Nachricht belohnt.“

      Er löffelte das Pfirsichsorbet. Es schmeckte hervorragend – wie alles, was Nicola auf den Tisch brachte. Sie war nicht nur eine großartige Ärztin, sondern auch eine sehr gute, ideenreiche Köchin.

      Sobald Torbens Schale leer war, schob er sie demonstrativ von sich und sagte: „So – und nun die Nachricht.“

      „Noch Kaffee?“

      Er schüttelte den Kopf. „Ist schon zu spät für mich.“

      „Einen Cognac zur Verdauung?“

      „Treibe es bitte nicht auf die Spitze, Nicola“, warnte er sie. Er griff nach ihr und zog sie auf seine Knie. „Es ist soweit. Die Stunde der Wahrheit ist gekommen.“

      „Ich war heute bei Sven“, begann sie.

      „Du hast ihn besucht?“

      „Ich habe mich von ihm untersuchen lassen.“

      „Fehlt dir etwas?“ Sofort wirkte er besorgt.

      „Im Gegenteil.“

      „Ich verstehe nicht.“

      „Meine Güte, hast du eine lange Leitung.“

      Er war verwirrt. „Dann hilf mir doch.“

      „Dr. Sven Kayser ist nicht nur praktischer Arzt, sondern auch …“

      „Geburtsh … Nein!“

      Nicola lachte. „Ja.“

      „Nein!“

      Nicola lachte lauter. „Doch!“

      „Du – du meinst … Ich meine … Du willst damit doch nicht etwa sagen …“

      „Doch, genau das möchte ich sagen.“ Sie nahm sein scharf geschnittenes Gesicht zwischen ihre Hände. „Dass ich schwanger bin.“ Sie küsste ihn auf den Mund. „Dass ich ein Baby bekomme.“ Sie küsste ihn wieder. „Dass du Papa wirst.“ Sie küsste, küsste, küsste ihn …

      Und er war so perplex, dass er vergaß, ihre Küsse zu erwidern. „Wir – wir werden Eltern …“, stammelte er. „Du – du wirst Vater, ich werde Mutter … Ich – ich meine natürlich umgekehrt … Herrje, in meinem Kopf herrscht ein ganz fürchterliches Durcheinander. Ich bin ja so glücklich, Nicola, so unvorstellbar glücklich. Und ich liebe, liebe, liebe dich ganz wahnsinnig!“

      „Nichts höre ich lieber als das“, gab sie strahlend zurück.

      „Jetzt wird natürlich geheiratet, das ist dir doch wohl klar“, sagte Dr. Torben Lorentz. „Unser Sohn – unsere Tochter … Was immer es wird … Unser Kind soll von Anfang an in geordneten Verhältnissen aufwachsen. Oder denkst du anders darüber?“

      Nicola schmiegte sich an ihn. Ihr Körper war angenehm weich und warm. „Nein, Liebster“, flüsterte sie, „ich bin ganz deiner Meinung.“

      „Ein Baby!“ Torben fuhr sich mit der Hand über die Augen. „Wann ist das denn passiert?“

      „Nach Svens Grillparty.“

      Torben griente. „Unser Freund hätte uns nicht so gut füttern sollen. Das verlieh uns Kräfte …“

      Nicola kicherte. „Die wir zu nutzen wussten.“

      9

      Das Geld, das Bruno Pfaff dem Taxifahrer geraubt hatte, hatte nicht lange gereicht. Nach einem kurzen Zwischenhoch war Bruno mit Rosy Kupfer unweigerlich ins nächste Tief geschlittert, und da hätten sie sich noch immer befunden, wenn ihnen nicht ein Typ namens Armin Brix über den Weg gelaufen wäre, der sich sehr für Rosys Reize interessierte.

      „Kannst du mir die nicht mal leihen?“, fragte Brix,