Franjo Grotenhermen

Cannabis und Cannabinoide


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zum Eigenanbau begründet worden. Zudem argumentierte das BfArM, dass der Antragsteller Zugang zu Cannabis aus der Apotheke habe.

      Die Ablehnung seines Antrags auf Eigenanbau basierte auf einer Anweisung durch das Bundesministerium für Gesundheit. Aus den Aktennotizen in den Unterlagen des Antragstellers beim BfArM geht hervor, dass eine Erlaubnis zum Selbstanbau nach Einschätzung des BfArM in seinem Fall „ohne Alternative“ sei, das Institut jedoch der Anweisung Folge leisten musste (ACM-Mitteilungen 2017). Das Bundesministerium für Gesundheit legte Berufung gegen das Urteil ein, sodass abschließend erst 2016 durch das Bundesverwaltungsgericht zugunsten des Patienten entschieden wurde.

       3.2.13 2011: Zulassung des Cannabisextraktes Sativex®

      Seit dem 1. Juli 2011 ist der Cannabisextrakt Sativex® in deutschen Apotheken erhältlich. Er ist für die Behandlung der Spastik bei Erwachsenen mit mittelschwerer bis schwerer multipler Sklerose, die auf andere Therapieverfahren nicht ansprechen, arzneimittelrechtlich zugelassen, sodass die Krankenkassen die Kosten für diese Indikation übernehmen müssen.

       3.2.14 2012: Oberverwaltungsgericht Münster erlaubt Eigenanbau

      Schwerkranke Bundesbürger dürfen unter strengen Voraussetzungen Cannabis zuhause selbst anbauen. Dies stellte das Oberverwaltungsgericht Münster in einem Urteil vom 7. Dezember 2012 fest. Die Patienten, für deren Erkrankungen keine anderen und zumutbaren Therapien zur Verfügung stehen, jedoch von Cannabisprodukten medizinisch profitieren, könnten einen Antrag an das BfArM in Bonn stellen, damit sie im Rahmen einer ärztlich begleiteten und überwachten Selbsttherapie Cannabispflanzen in ihrer Wohnung anbauen dürfen. Zunächst wurden solche Anträge auf Anweisung des Bundesgesundheitsministeriums grundsätzlich abgelehnt. Diese Praxis sei aber rechtswidrig, erklärte das Oberverwaltungsgericht Münster im Jahr 2012. Eine abschließende Entscheidung zur Frage, ob Patienten unter bestimmten Voraussetzungen Cannabis für den eigenen Bedarf selbst anbauen dürfen, erfolgte erst – wie oben beschrieben – am 6. April 2016 durch das Bundesverwaltungsgericht.

       Literatur

      ACM (2016). Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 18/8965). Verfügbar unter: https://www.cannabis-med.org/nis/data/file/stellungnahme_acm_2016.pdf (abgerufen am 21.08.2019)

      ACM-Mitteilungen (2017). Die weniger bekannte Geschichte des Gesetzes. Verfügbar unter: http://www.cannabis-med.org/german/acm-mitteilungen/ww_de_db_cannabis_artikel.php?id=227#8 (abgerufen am 21.08.2019)

      Bundesverfassungsgericht (2000). 2 BvR 2382/99. Verfügbar unter: http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/​DE/2000/01/rk20000120_2bvr238299.html (abgerufen am 21.08.2019)

      Bundesverwaltungsgericht (2005). BVerwG 3 C 17.04. Verfügbar unter: https://www.bverwg.de/190505U3C17.04.0 (abgerufen am 21.08.2019)

      Bundesverwaltungsgericht (2016). Erlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis zu therapeutischen Zwecken. BVerwG 3 C 10.14. Verfügbar unter: https://www.bverwg.de/060416U3C10.14.0 (abgerufen am 21.08.2019)

      Deutscher Bundestag (1995). Bundestagsdrucksache 13/3282. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll und der Gruppe der PDS – Drucksache 13/3021 – Medizinischer Gebrauch von Cannabis. Verfügbar unter: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/13/032/1303282.pdf (abgerufen am 21.08.2019)

      Deutscher Bundestag (2016). Bundestagsdrucksache 18/8965. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften. Verfügbar unter: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/089/1808965.pdf (abgerufen am 21.08.2019)

      Deutscher Bundestag (2017). Bundestagsdebatte zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 19. Januar 2017. Deutscher Bundestag lässt Cannabis als Medizin für Patienten zu. Verfügbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=krgVq4qUUnM (abgerufen am 21.08.2019)

      Deutscher Bundestag (18. Januar 2017). Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss). Verfügbar unter: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/109/1810902.pdf (abgerufen am 21.08.2019)

      Deutscher Bundestag (19. Januar 2017). Bundestag lässt Cannabis-Arzneimittel für schwerkranke Patienten zu. Verfügbar unter: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2017/kw03-de-betaeubungsmittel/487044 (abgerufen am 21.08.2019)

      Flenker I (1997). Grußwort zur Tagung Cannabis und Cannabinoide als Medizin am 22. November 1997, Köln. Tagungsband.

      Goedecke H, Karkos J (1996). Die arzneiliche Verwendung von Cannabisprodukten. Bundesgesundheitsblatt 39, 206–209

      Grotenhermen F (2018). The German medical cannabis law of 2017. Drugs Alcohol Today 18(2), 117–122.

      Oberlandesgericht Karlsruhe (2004). Gerichtsurteile. Verfügbar unter: http://www.cannabis-med.org/index.php?tpl=page&id=59&lng=de (abgerufen am 21.08.2019)

      Oberverwaltungsgericht Münster (2012). Gerichtsurteile. Verfügbar unter: http://www.cannabis-med.org/index.php?tpl=page&id=59&lng=de (abgerufen am 21.08.2019)

      THC Pharm. Geschichte. Verfügbar unter: http://www.thc-pharm.de/geschichte-2/ (abgerufen am 21.08.2019)

       II

       Grundlagen

       1 Zahlen und Fakten zum Cannabiskonsum in Deutschland

      Bernd Werse

       1.1 Einleitung

      Auch wenn das Potenzial für die medizinische Nutzung von Cannabis für Deutschland auf eine sechsstellige Zahl von Patientinnen und Patienten geschätzt wird (Plenert 2016), so dürfte die sogenannte Freizeitnutzung (engl. recreational use), also die Verwendung zu Rauschzwecken, auch bei umfassender medizinischer Versorgung die häufigste Art des Cannabisgebrauchs bleiben. Daher ist es wichtig, eine Idee davon zu haben, wie weit die Droge in der Allgemeinbevölkerung verbreitet ist. Von besonderem Interesse sind dabei Jugendliche und junge Erwachsene – eine Altersgruppe, in der in aller Regel der Erstkonsum der Droge stattfindet und in der insbesondere dann, wenn sich frühzeitig ein regelmäßiger Konsum einstellt, sich am ehesten ein problematisches Gebrauchsmuster entwickeln kann. Um auf dem aktuellen Stand zu bleiben, ist es zudem hilfreich, eine ungefähre Vorstellung von möglichen Trendentwicklungen in der Cannabisverwendung zu haben.

       1.2 Zur Aussagekraft unterschiedlicher Datenerhebungen

      Tatsächlich bieten vorliegende Daten