glaubte ihnen und unterschrieb einen Arbeitsauftrag mit einem horrend hohen Festpreis. Sie wollten schon am nächsten Tag anfangen. In letzter Minute konnte ich die Gauner stoppen und vertreiben.
Ich werde Weinbergbesitzer
Adolf Stilz, Bundesbahnhauptsekretär und ein weitläufiger Verwandter, hatte seinen kleinen Weinberg neben dem meines Vaters. Er bereitete sich auf den Vorruhestand vor, um sich noch mehr seinem Hobby widmen zu können. Er sah, dass meinem Vater die Arbeit in seinem Wengert (schwäbisch für Weinberg) immer schwerer fiel, und unterstützte ihn beim Spritzen und anderen schwierigen Arbeiten. Durch meinen Beruf – davon gleich mehr – hatte ich leider inzwischen wenig Zeit, meinem Vater zur Hand zu gehen.
Adolf war am Erwerb des Wengerts meines Vaters sehr interessiert. Nach langer Bedenkzeit kam es Mitte der Siebzigerjahre zu folgender Übereinkunft: Meine Eltern schenkten ihren Weinberg den Söhnen Rolf und Werner zu gleichen Teilen. Rolf konnte im fernen Kanada mit dem Weinberg natürlich nichts anfangen. Er verkaufte ihn an Adolf. Der Grafenberg, auf dem die Rebstöcke standen, war Naturschutzgebiet und damit von einer Bebauung ausgeschlossen. Entsprechend war der Verkaufserlös nicht hoch. Rolf freute sich trotzdem über die überraschende Überweisung des vereinbarten Betrags. Von meiner Hälfte verpachtete ich den mit Reben bepflanzten Teil zu einem symbolischen Pachtzins an Adolf. Die untere Hälfte, auf dem das Wengerthäuschen stand, in welchem die lustigen Partys nach der Weinlese stattfanden, behielt ich und pflanzte später ein paar Apfelbäumchen darauf. Ich wollte es als Wochenendgrundstück nutzen.
Schon etliche Jahre vorher hatten sich meine Eltern vom hinteren Teil des großen Gartens beim Haus getrennt. Unser Nachbar, Heinz Heim, betrieb eine Gärtnerei für Bonsaibäume und Gartensträucher aller Art. Er benötigte Platz für eine Erweiterung seines Schaugartens. Dafür bot sich unser Grundstück bestens an. Der Kaufvertrag wurde bereits 1970 geschlossen. Vor allem meine Mutter war erleichtert und schränkte den Gemüseanbau ein. Doch auf ihre Blumenbeete und vor allem auf ihre schönen Rosen verzichtete sie noch lange nicht.
Im alten Teil des Hauses wohnte inzwischen ein griechisches Ehepaar mit drei Söhnen. Einer von ihnen zog in die Dachwohnung um. Ich schrieb in den Mietvertrag die Bedingung, dass er regelmäßig das Gras mähen muss, als Gegenleistung für einen geringen Mietzins. Er kam dieser Verpflichtung mehr oder weniger gut nach. Für meinen Vater war das eine weitere Entlastung, denn Anfang der Achtzigerjahre ließ seine Gesundheit sichtbar nach. Er bekam Probleme mit der Prostata und musste operiert werden.
Die Religion
Anfang der Siebzigerjahre trat ich aus der evangelischen Kirche aus. Ich tat dies nicht, wie manche Freunde mutmaßten, um die Kirchensteuer zu sparen, sondern aus Überzeugung. Einer Organisation, der ich nie aus eigenem Willem beitrat und deren Inhalte mich nicht überzeugten, konnte und wollte ich nicht länger angehören. Es wäre unredlich, ein Glaubensbekenntnis herunterzuleiern, von dem ich kein Wort ernstnehmen kann.
Wenn ich mich in der Welt umschaue und überall das Elend sehe, wie soll ich da an einen gütigen Vater im Himmel glauben? Wie kann ein gerechter Gott Kriege dulden, in denen Menschen millionenfach abgeschlachtet werden? Wie konnte er es zulassen, dass unschuldige Menschen als Hexen verbrannt wurden? Wieso konnte ein Holocaust geschehen? Diese Liste könnte man lange fortführen. Hinzu kommen die Verfehlungen in den Kirchen: Vergewaltigungen und Grausamkeiten gegen anbefohlene Kinder geschahen nicht nur in der katholischen Kirche, auch in evangelischen Kinderheimen wurde teilweise schwer gesündigt. Ich lasse es nicht durchgehen, wenn es dann heißt, das sind eben menschliche Schwächen, die überall vorkommen. Nein, gerade für die Kirchen, die so absolutistisch und rechthaberisch auftreten, die von ihren Schäflein verlangen, gottesfürchtig zu leben und ihre Sünden zu bereuen, während ihr eigenes Personal sich an Kindern vergeht, darf es in meinem Verständnis keine Entschuldigung geben.
Ich kann auch wenig damit anfangen, wenn Leute mir erzählen, dass Gott, der Herr, ihnen aus großer Not geholfen habe, oder sie zu Erfolgen führte, weil sie dafür gebetet hätten. Was ist mit all denen, die ebenso inbrünstig beten und keine Hilfe bekommen? Pastor Bonhoeffer, zum Beispiel, war ganz bestimmt ein gottesfürchtiger und guter Mensch. Trotz seiner Gebete wurde er nicht gerettet, sondern von den Nazi-Schergen ermordet.
Dies ist meine ganz persönliche Meinung, ich will niemand von seinem Glauben abbringen. Doch manchmal wundere ich mich, dass Politiker eher zugeben, schwul zu sein, als sich zum Atheismus zu bekennen. Die Macht der beiden großen Kirchen in Deutschland scheint ungebrochen.
Mein Job bei Daimler-Benz
Ende der Sechzigerjahre herrschte in Deutschland wirtschaftliche Hochkonjunktur. Ich begann am 1. November 1968 bei der Daimler-Benz AG in der Stuttgarter Zentrale meine Tätigkeit im Export-Zentral-Kundendienst. Damit gehörte ich zu der Abteilung, die für die Herstellung und den Vertrieb von Werkstatt- und Kundendienst-Literatur in den verschiedensten Landessprachen zuständig war. Unsere Gruppe bestand aus etwa zehn Damen und Herren. Wir kümmerten uns um die Distribution der umfangreichen Serviceliteratur, wie Werkstatt-Handbücher und Betriebsanleitungen für PKW und LKW, sowie der regelmäßigen Service-Anleitungen in Papierform oder auf Microfiches an die weltweite Daimler-Benz-Serviceorganisation. Der Schriftverkehr mit den Niederlassungen und Auslandsvertretungen erfolgte überwiegend in englischer Sprache. Meine Englischkenntnisse kamen mir sehr zugute.
Unser Gruppenleiter, ich nenne ihn mal Herr H., war schon älter und hatte ein Einzelbüro mit Sekretärin, während seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in drei größeren Büroräumen untergebracht waren. Zwei Schreibtische standen sich jeweils gegenüber. Das Telefon lag jeweils in der Mitte auf einem ausziehbaren Gestell, damit es hin- und hergeschoben werden konnte. Ich hatte nette, meist junge Kollegen. Die neue Arbeit und der Schriftwechsel mit der ganzen Welt machten mir Spaß.
Eines Tages wurde ich beauftragt, in die USA zu fliegen, um mit Kollegen der Niederlassung in New Jersey einen Plan zur besseren Lieferlogistik auszuarbeiten. Ansonsten beschränkte sich meine Reisetätigkeit auf Besuche der deutschen Niederlassungen und Großhändler, wenn es irgendwelche Probleme bei der Distribution unserer Service-Literatur gab oder Neuerscheinungen vorzustellen waren.
In Stuttgart schaute ich mich nach einer kleinen Wohnung um und wurde im Stadtteil Heumaden fündig. In einem Neubau bezog ich eine Anderthalb-Zimmerwohnung mit Einbauküche und Bad. In die Wohnung unter mir zog ein anderer junger Daimler-Mitarbeiter ein, Georg Wiemer. Er hatte in Köln Ingenieurwesen studiert. Wir wurden bald gute Freunde, eine Freundschaft, die bis heute anhält. Er arbeitete, im gleichen Stockwerk wie ich, ebenfalls im Export-Zentral-Kundendienst. Seine Aufgabe bestand in der Bearbeitung von Kunden-Reklamationen. Im gleichen Bürozimmer wie er saß der Ingenieur Jürgen Schrempp, ein freundlicher junger Mann, der allerdings wegen seines ausgeprägten Ehrgeizes von den Kollegen belächelt wurde.
»Ich will Vorstand beim Daimler werden«, verkündete er selbstbewusst. Wie bekannt, wurde er sogar Vorstandsvorsitzender der Daimler-Benz AG (und später von DaimlerChrysler).
In der Abteilung EXZK fühlte ich mich auch deshalb wohl, weil wir einen äußerst netten Chef als Abteilungsleiter hatten. Rolf Lenk war verständnisvoll und fair und konnte gut mit Menschen umgehen. Er organisierte Wanderungen mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ich erinnere mich an eine besonders schöne Tour, die uns am Rande der Schwäbischen Alb zum Filsursprung (Quelle der Fils) führte. Auf dem ziemlich langen Marsch trug Herr Lenk einen großen Rucksack. Als es Zeit für das Picknick war, stellte sich heraus, dass ein gar nicht kleines Bierfässchen im Rucksack steckte. An der jungen Fils wurde das Bier gekühlt. Das Picknick war entsprechend gelungen.
Nur einmal erlebte ich Herrn Lenk verärgert, und das völlig zu Recht: Zur Volksfestzeit auf dem Cannstatter Wasen war es Usus, dass Daimler-Mitarbeiter zum Mittagessen in eines der Bierzelte pilgerten. Biergutscheine waren immer vorhanden. So zogen auch ein paar meiner Kollegen und ich, und zuvorderst Herr H., der Gruppenleiter, ins Dinkelacker-Bierzelt, um ein schönes Hähnchen zusammen mit ein, zwei Maß Bier zu verzehren. Die Mittagszeit ging zu Ende, doch im Steinkrug war noch Bier. Außerdem liefen stattliche Bedienungen im tief geschnittenen Dirndl herum und verkauften verschiedene »Wässerchen«. Wer kann da schon Nein sagen? Am wenigsten unser lieber H. Ich drängte zum Aufbruch, doch die anderen