Matthias Krauß

Finite-Elemente-Methoden im Stahlbau


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      Das im Gleichgewicht befindliche System wird nun gedanklich (virtuell) einem beliebigen Verformungs- und damit verbundenen Verzerrungszustand unterworfen, der die Rand- bzw. Lagerungsbedingungen des statischen Systems erfüllt. Für das Beispiel des Einfeldträgers wird dies in Bild 2.9c durch eine virtuelle Verformung δw veranschaulicht. Durch die gedankliche Auslenkung des Systems leisten die „realen“ äußeren Lasten Arbeit an den virtuellen Verformungen, was als „äußere virtuelle Arbeit“ bezeichnet wird. Gleiches gilt für die „realen“ Spannungen, die an den virtuellen Verzerrungen sogenannte „innere virtuelle Arbeit“ leisten. Das Prinzip der virtuellen Arbeit besagt, dass, sofern sich der Körper im Gleichgewichtszustand befindet (entsprechend Bild 2.9b), der Betrag beider Arbeitsanteile gleich groß sein muss. Da die innere virtuelle Arbeit als Reaktion auf die einwirkenden Kräfte negativ definiert ist, befindet sich ein Tragwerk somit im Gleichgewicht, wenn die Summe der virtuellen Arbeiten gleich null ist. Die Bedingung

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       2.4.3 Prinzip vom Minimum der potentiellen Energie

      (2.9) images

      Bei baustatischen Systemen handelt es sich im Allgemeinen um sogenannte konservative Systeme, d. h. um solche mit konservativen Kräften. Eine Kraft wird als konservativ bezeichnet, wenn die Größe der von ihr geleisteten Arbeit an einem Massenpunkt unabhängig vom Weg ist. Anders ausgedrückt ist die Arbeit, die durch die Verschiebung des Massenpunktes von einer Stelle zu einer anderen geleistet wird, immer die gleiche, egal welcher Weg dabei zurückgelegt wird. Handelt es sich um einen geschlossenen Weg, also eine Verformung zurück in die Ursprungslage, ist für konservative Kräfte die gesamte Arbeit gleich null.

      Das Prinzip vom Minimum der potentiellen Energie, das auch Dirichletsches Variationsprinzip genannt wird, besagt, dass für alle geometrisch möglichen Verschiebungszustände der wahre Zustand eines konservativen Systems, bei dem es sich somit im Gleichgewicht befindet, die potentielle Energie zu einem Minimum macht (energetisches Extremalprinzip):

      (2.10) images

      Mit der 1. Variation des Gesamtpotentials kann die notwendige Bedingung

      (2.11) images

      und mit der 2. Variation die hinreichende Bedingung

      (2.12) images