denn die Behauptung des Reisebüros, der Bus hielte am Hotel, war eine glatte Lüge. Ich hatte schon länger das Gefühl, dass chinesische Reisebüros ihren Kunden das Blaue vom Himmel versprechen, nur um schnell eine Buchung abschließen zu können. Meine Frau reagiert genervt und will sich beim Direktor des Reisebüros beschweren. Nach den vielen hungrigen Reisestunden geht es mir ähnlich und ich wäre jetzt liebend gern in unserem Hotel beim Abendessen. Für gewöhnlich werden Beschwerden abgewimmelt, aber mit viel Ausdauer bekommt Hong vielleicht eine Entschädigung.
Uns bleibt nichts anderes übrig, als an einer Haltestelle an der Hauptstraße auszusteigen und zu hoffen, dass es nicht mehr weit bis zum Hotel ist. Glücklicherweise steht eine Garküche neben der Haltestelle und wir essen uns erst einmal satt. Wir nutzen die Gelegenheit und erkundigen uns nach einem Taxi, denn die Entfernung zum Hotel ist mit dem Gepäck als Ballast zu groß zum Laufen. Der Besitzer kennt einen Fahrer, doch der lässt uns noch eine ganze Stunde warten, so dass wir am späten Abend endlich im Hotel in Nord-Pattaya eintreffen. In ein paar Tagen werden wir in ein Hotel im Süden der Stadt umziehen, damit wir so bequem die ganze Stadt erkunden können. Das zweite Hotel ist zwar etwas teurer, aber von dort können wir den gesamten Strand überblicken. Hong ist wirklich eine tolle Reiseplanerin.
Am nächsten Morgen hat sich die Landschaft stark verändert, denn die nächtliche Flut hat den Strand verschluckt, so dass an unseren geplanten Joggingausflug am Ufer nicht zu denken ist. Auch ist das Wasser im Meer etwas schmutzig. Vielleicht liegt es daran, dass ein Container-Hafen in Sichtweite liegt. Zum Glück oder vielleicht gerade deshalb gibt es einen Hotelpool, den wir nun jeden Morgen und Abend zum Schwimmen benutzen.
Bei meiner Erkundungstour durch das Hotel entdecke ich im Garten einen Billardtisch. Endlich kann ich Hong Billardspielen beibringen, das wollte sie schon immer lernen. Aber dabei gibt es ein Problem: Hong verliert nicht gern. Also versuche ich, strategisch vorzugehen und zeige ihr erst einmal, wie man den Queue hält und damit richtig anvisiert. Doch nach einer Weile wird Hong ungeduldig und widmet sich lieber ihrem WeChat.
So erfährt sie, dass der britische Autohersteller Aston Martin in China eine Fehlinvestition getätigt hat, was sie gleich ausführlich an mich weiterreicht: »Die Einkäufer wollten die Einkaufskosten für ein bestimmtes Teil unbedingt von 800 Renminbi auf 200 drücken. Doch die Rechnung ging nicht auf und die Briten mussten eine Rückrufaktion starten.«
»Der Einkäufer hat den Wareneingang wahrscheinlich nicht kontrolliert, sondern sich einfach auf die Angaben des Lieferanten verlassen. In China ist das ein schwerwiegender Fehler«, weiß ich aus eigener Erfahrung zu berichten.
In diesem Zusammenhang erzählt Hong mir, dass immer mehr Ausländer in chinesischen Unternehmen arbeiten. »Doch immer wieder scheitern sie aufgrund kultureller Unterschiede. Das hat mit unterschiedlicher Führungskultur zu tun. China ist ein konfuzianisch geprägtes Land. Autorität und Respekt gegenüber Vorgesetzten haben einen hohen Stellenwert. Im Umgang mit chinesischen Chefs solltest du dich unauffällig verhalten. Am besten ist es, wenn du einfach nur zuhörst.«
Sie spielt weiter auf ihrem Handy herum und sprudelt plötzlich eine chinesischen Weisheit heraus: »Was bedeutet es, wenn du nur ein kleines Vögelchen bist und jemand auf dich scheißt?« Ohne eine Antwort abzuwarten plappert sie weiter: »Merke, nicht jeder, der auf dich scheißt, ist dein Feind. Stell dir nur mal vor, du würdest gerade erfrieren und plötzlich kommt eine Kuh, die einen Fladen auf dich niedersausen lässt. So bleibst du immerhin warm. Aber was wäre, wenn stattdessen ein Adler vorbeifliegt, deinen fröhlichen Gesang hört und dich frisst?«
Aha, denke ich mir. Ich bin zwar kein Vogel, aber ich weiß immerhin, dass man besser den Kopf unten halten sollte.
Meine Frau ist wieder auf WeChat abgetaucht und weitere Neuigkeiten erreichen meine Ohren. »Ein Chinese muss durch unbedachte Nutzung seines Handys nun auf seine Villa verzichten, denn als er im Ausland unterwegs war, hatte sich sein Telefon automatisch mit dem Internet verbunden. Wieder zuhause erlebte der Arme sein blaues Wunder …« Hong wird hektisch und bekommt es mit der Angst zu tun, denn sie hat einen offenen Auslandszugang, um mit ihren Eltern chatten zu können. Augenblicklich lässt sie ihn sperren, nur für alle Fälle. Dank WeChat ist sie jetzt ein Stückchen klüger.
Ich bin gelassener und glaube, dass schon nichts passieren wird. »Nur weil sich ein Handy mit dem Internet verbindet, verliert man ja nicht gleich Haus und Hof. Was hatte das automatische Verbinden zur Folge?«, will ich von Hong wissen.
»Ganz einfach, die Gebühren für das Ausland sind in China extrem hoch, willkürlich und nicht kontrollierbar. Zudem ist das von der Regierung so gewollt, um Reisen und Geschäfte mit dem Ausland und den Geldabfluss ins Ausland zu limitieren.«
Abends suchen wir wieder eine der einheimischen Garküchen auf, denn hier bekommt man in kurzer Zeit ein günstiges Essen. Allerdings muss man ein bisschen aufpassen, da manche Händler nur das schnelle Geld machen wollen und sich nicht darum kümmern, ob die Lebensmittel frisch und sauber sind. Als Faustregel gilt: Dort, wo viele Touristen und Thailänder essen gehen, ist es gut. Wenn ein Restaurant zur Abendzeit immer noch leer ist, sollte man es meiden. Dieselbe Regel gilt für ganz Asien.
Hong plagt wieder der Husten, wir müssen morgen unbedingt neuen Hustensaft kaufen.
Nach einem reichhaltigen Frühstück mit Reissuppe und Fisch – ungewöhnlich, aber auch das kann ein leckeres Essen zu dieser Tageszeit sein – fahren wir ins Zentrum von Pattaya. Nachdem wir Hongs Medizin besorgt haben, schauen wir uns den Strand und den Hafen an, machen ein paar Fotos und ruhen uns dann in einem Restaurant am Hafen aus. Durch das Fenster kann ich auf den Strand sehen und entdecke ein paar chinesische Touristen, die in einer Reisegruppe unterwegs sind und eine Bootsfahrt unternehmen wollen.
»Jetzt möchte ich endlich mal die Gelegenheit nutzen, die Eigentumswohnung anzusehen, die ich vor vier Jahren gekauft habe. Ich hatte damals eine erste Anzahlung geleistet, aber der Bau hat offenbar noch nicht begonnen.«
»Sollen wir zuerst zum Grundstück oder erst zum Bauträger fahren?«, fragt Hong.
»Natürlich zuerst zum Grundstück, dann können wir den Bauunternehmer vielleicht mit ein paar Fakten konfrontieren, wenn er noch nichts geleistet hat«, entscheide ich.
»Es ist sehr verwunderlich, dass du eine Eigentumswohnung kaufst, ohne jemals vorher dort gewesen zu sein. Zudem kann es sein, dass du als Ausländer überhaupt nichts kaufen darfst«, wendet Hong ein.
»Ich will ja nicht dort wohnen, es ist eine reine Kapitalanlage mit guter Rendite. Sie wird über eine Servicefirma vermietet und mit der jährlichen Preissteigerung ergibt sich eine satte Rendite. Aber nur, wenn das Gebäude mit dem Schwimmbad auf dem Flachdach fertiggestellt wird. Zu deiner zweiten Frage: Nach dem Gesetz darf ein geringer Prozentsatz von Immobilien an Ausländern verkauft werden, ist also alles rechtmäßig.«
Nach ewig langer Suche finden wir dann das Grundstück, auf dem ein Gebäude stehen sollte, doch es liegt noch brach. Von Bauarbeiten keine Spur. Und was noch schlimmer ist: Auf dem Grundstück wohnen zahlreiche Menschen, die sich dort einfach wilde Behausungen gebaut haben. Kein Wunder, dass die noch nicht mit dem Bauen anfangen konnten. Wir gehen schnurstracks zum Bauträger, der uns den Schlamassel eingebrockt hat. Der Geschäftsführer ist ausgerechnet heute verreist. Wäre er auch verreist gewesen, wenn wir vorher einen Termin vereinbart hätten? Wir sind im Urlaub und haben Zeit, also vereinbaren wir bei seiner Sekretärin einen Termin. Gleichzeitig werden wir aber noch einen Rechtsanwalt einschalten, denn schließlich habe ich einen schriftlichen Vertrag geschlossen.
»Ich will diese Woche mein Geld zurück haben!«, poltere ich.
Aber Hong bremst mich: „Das ist bloß ein frommer Wunsch, das würde in Deutschland auch nicht so schnell funktionieren. Wenn das Grundstück brach liegt, hat der Bauträger keine Lizenz zum Bauen bekommen oder ist bereits pleite. Warum hast du nicht vorab einen Termin mit den Agenten oder dem Bauträger vereinbart? Als Investor hätten sie dich sogar vom Flughafen abgeholt. Wenn man im Ausland investiert hat und sich von einem Baufortschritt überzeugen will, fliegt man doch nicht einfach los, sondern macht vorher Termine oder klärt wenigstens, dass die entsprechenden Personen auch verfügbar sind.«
Zum