Finger schlecken werden.«
Das war scharfes Geschütz. Bestürzt starrte Peltzer sie an.
»Mrs. Wilding ist außer sich. Sie fühlt sich für David Delorme verantwortlich.«
»Er ist erwachsen«, erklärte Isabel gelassen. »Ich kann es verstehen, daß er nicht als Gefangener leben will. Ich habe ihn nicht beeinflußt. Er hat mich gebeten, ihn mitzunehmen. Er war am Ende mit seinen Nerven. Er wäre auch ohne meine Hilfe davongelaufen und wer weiß, wo er dann gelandet wäre.«
»Und wo befindet er sich jetzt?« fragte ihr Chef.
»Darüber Auskunft zu geben, bin ich nicht berechtigt, aber ich bin gern bereit, mit Mrs. Wilding zu sprechen. Ich glaube nicht, daß sie einen Skandal heraufbeschwören will, wenn ihr jemand mal vernünftig klarmacht, was sie da eigentlich anrichtet.«
»Immerhin hat sie David Delorme berühmt gemacht«, sagte Peltzer.
»Er wäre auch ohne sie berühmt geworden, etwas langsamer vielleicht, dafür aber ohne seines inneren Friedens beraubt zu werden. Das werde ich Mrs. Wilding gern erklären, falls ich nicht fristlos entlassen bin.«
»Sie bringen es fertig und gehen zur Konkurrenz«, knurrte Johannes Peltzer gereizt.
»Gewiß, ich kann es mir noch nicht leisten, mich zur Ruhe zu setzen. Ich muß mir meine Brötchen verdienen«, erklärte Isabel kühl. »Ich lasse mich jedenfalls auch von einer Lorna Wilding nicht einschüchtern.«
Das bewies sie. Lorna Wilding, die sogleich eine Flut von Anklagen auf sie häufte, schwieg dann ganz erschrocken, als Isabel ihr das Wort abschnitt.
»Wir wollen bei den Tatsachen bleiben, Mrs. Wilding«, sagte sie. »Ich habe Mr. Delorme in keiner Weise beeinflußt, das Hotel und Sie zu verlassen. Es ist sein freier Wille, sich in ärztliche Behandlung zu begeben, und er braucht vor allem Ruhe. Er ist nun mal kein Partylöwe. Ihn macht es krank, auf dem Präsentierteller herumgereicht zu werden. Wenn Ihnen so viel an diesem Jungen liegt, sollten Sie vor allem um seine Gesundheit besorgt sein.«
»Ich habe alles für ihn getan, alles«, sagte Lorna Wilding bebend.
»Was das Geld anbetrifft, wird er Ihnen alles auf Heller und Pfennig zurückzahlen, aber Sie können ihn doch nicht als Ihr Produkt betrachten. Seine Begabung ist ihm von Gott gegeben. Er ist dankbar, daß Sie ihn gefördert haben, aber er möchte sich frei entfalten können. Wenn Sie auch zu dieser Einsicht kommen, werden Ihre Beziehungen vielleicht besser sein als je zuvor.«
»Für mich war er wie ein Sohn«, sagte Lorna Wilding bebend.
Isabel blickte sie nachdenklich an. »Hätten Sie Ihren Sohn auch so von sich abhängig gemacht, meinen Sie nicht, daß er dann auch eines Tages aufbegehrt hätte? Jeder Mensch hat das Recht auf ein eigenes Leben, Mrs. Wilding. David ist unerhört begabt, aber er ist kein Schlagersänger, der Publicity braucht. Er ist zu sensibel.«
»Was hat er vor?« fragte Mrs. Wilding.
»Er wird in ein Sanatorium gehen, wo er die Ruhe findet, die er braucht. Er wird seine Verträge einhalten. Wenn Sie so mütterlich für ihn empfinden, sollten Sie dafür Verständnis haben.«
»Hätte er nicht selbst mit mir darüber sprechen können?« begehrte Lorna nochmals auf.
»Hätten Sie ihm Verständnis entgegengebracht? Sie haben doch bereits vorgeplant, nicht nur für die Ferien, sondern für sein künftiges Leben. Er ist in seinem Innern ein schlichter Mensch geblieben. Lassen Sie ihm das doch. Er braucht keine äußeren Eindrücke. Seine Impulse kommen aus seinem Innern. Denken Sie doch einmal daran, daß er ein Kind aus einer Arbeiterfamilie ist. Niemand hat ihn gefördert, als er ein Kind war. Niemand hat ihn an ein Klavier gesetzt. Von selbst ist er dorthin gegangen.«
»Und daraus wollen Sie jetzt wohl eine interessante Story machen?« fragte Lorna.
»Nur, wenn Sie ihm jetzt keine Ruhe lassen. Dann wird er nämlich nicht mehr auf dem Podium erscheinen und sein Publikum müßte erfahren, warum es dazu gekommen ist. Überlegen Sie sich das einmal, Mrs. Lorna Wilding.«
Dann verabschiedete sich Isabel. Johannes Peltzer begleitete sie hinaus.
»Sie haben auch vor nichts und niemandem Respekt«, stellte er fest, aber das klang eher anerkennend als verweisend. »Sprechen wir morgen in aller Ruhe miteinander.«
»Wochenende, Chef«, sagte Isabel. »Ich bin nicht da.«
»In Sachen David Delorme?« fragte er.
»In Privatangelegenheiten«, erwiderte Isabel.
»Aber das mit der Konkurrenz war doch nur ein Schreckschuß?«
»Das muß ich mir allerdings noch reiflich überlegen«, erwiderte Isabel mit einem hintergründigen Lächeln. »Ich lasse mich auch nicht gern bevormunden, genau wie David.«
»Sie haben sich doch nicht etwa in ihn verliebt?« fragte Peltzer.
»Gott bewahre.« Dann verschwand sie endgültig.
*
An sich war Daniel Norden ein Frühaufsteher, aber ausgerechnet heute gelang es ihm nur mit aller Anstrengung, den Schlaf abzuschütteln.
Da er nicht daran dachte, daß er einen Gast in der Wohnung hatte, rumorte er recht lautstark im Bad herum.
Ein noch verschlafener David erschien in der Diele. Er sah ein bißchen verschüchtert und sehr verlegen aus.
»Sie brauchen sich nicht zu beeilen«, sagte Daniel. »Isabel holt Sie gegen elf Uhr ab. Sie hat gestern abend noch mal angerufen. Sie holt noch Ihre Koffer aus dem Hotel.«
»Und was sagt Lorna dazu?« fragte David.
»Das wird Isabel Ihnen schon erzählen. Nur keine Aufregung. Jetzt wird hübsch langsam getreten.«
Mit dem zerzausten Haar wirkte David wirklich noch wie ein Junge. Lenchen hatte in ihm ein Objekt gefunden, das sie so richtig bemuttern konnte.
Mit ihrer üblichen Ermahnung, nicht zu schnell zu fahren und vorsichtig zu sein, verließ Daniel das Haus. Pünktlich halb neun Uhr holte er Helga Moll ab. Er wechselte ein paar freundliche Worte mit ihrer resoluten Mutter, die das Regiment hier schon übernommen hatte. Peter und Katrin waren schon in der Schule, und Sabine schlief noch. Sie hatte samstags frei.
»Sabine hat einen neuen Schwarm«, erzählte Molly auf der Fahrt zu Frau Seidel.
»Nicht mehr ihren Lutz?« fragte Daniel ziemlich überrascht.
»Eine Dame«, lächelte Molly. »Sie kennen sie. Isabel Guntram.«
»Ist es die Möglichkeit. Immerhin hat sie da ein gutes Vorbild«, sagte Daniel.
»Gestern war allerhand los in der Redaktion. Sabine war ganz hingerissen, wie souverän Frau Guntram die Situation beherrschte. Eine Frau von Format.«
»Ja, das ist sie«, sagte Daniel. »Sie bringt heute auch noch einen Patienten zur Insel.«
»Doch nicht etwa diesen David Delorme?« fragte Molly überrascht.
»Genau den. Er war heute nacht mein Gast. Heute werde ich ihn dem guten Cornelius anvertrauen.«
»Das ist doch aber noch ein ganz junger Mann«, sagte Molly fassungslos.
»Das Lebensalter allein ist nicht ausschlaggebend, Molly«, meinte Daniel nachsichtig.
»Hoffentlich gibt es da keinen Ärger«, überlegte Molly. »Dr. Cornelius ist doch sehr korrekt.«
»Aber in erster Linie Arzt, Molly. So, nun wollen wir mal unsere gute Frau Seidel einladen.«
Sie wartete schon, aber dennoch schien sie es noch immer nicht glauben zu können, daß sie mitgenommen wurde.
Daniel Norden nahm ihren Arm. »Haben Sie gedacht, ich würde Sie auf Ihren Koffern sitzen lassen?« fragte er lächelnd.
»Sie sind so gütig«, murmelte sie. »Womit