marschierte die Lady hoheitsvoll über den Korridor ihres Hotels und steuerte Parkers Zimmer an.
Sie übersah souverän zwei männliche Spätheimkehrer, die, von diesem Anblick erschreckt, sich hastig gegen die Wand drückten und Lady Simpson passieren ließen. Sie erinnerte nämlich irgendwie an eine unter Volldampf stehende Dampfwalze.
Als sie mit ihrer Faust gegen Parkers Zimmertür pochte, rieselte der Putz von den Wänden. Die Sechzigjährige konnte sehr resolut sein, wenn es die Lage erforderte.
»Mr. Parker«, dröhnte dazu ihre sonore Stimme, »machen Sie schon auf, ich brauche Sie!«
Die späten Spätheimkehrer mißverstanden ihre Worte natürlich gründlich und grinsten.
»Können Sie’s nicht erwarten?« rief einer der beiden Leichtsinnigen neckisch und zwinkerte mit dem linken Auge.
»Kreisen die Hormone?« erkundigte sich der zweite Mann dummerweise und zwinkerte ebenfalls anzüglich.
Agatha Simpson geriet in Zorn. Ihr Busen wogte wie bei einer Wagnersängerin während einer längeren Arie. Sie verzichtete auf eine Antwort, bückte sich aber nach dem Teppichläufer, der den Boden des Korridors bedeckte, hob ihn leicht an und riß ihn dann ruckartig zu sich heran.
Die beiden Gentlemen, die bereits weitergegangen waren, wurden vollkommen überrascht und verloren den Boden, beziehungsweise den Teppich unter ihren Füßen. Sie schossen nach vorn und flogen zu Boden.
»Mylady sehen ein wenig echauffiert aus«, stellte der Butler in diesem Moment fest. Er hatte die Tür geöffnet und trug einen korrekt sitzenden Bademantel älteren Zuschnitts, der fast bis zu seinen Zehen reichte.
»Flegel«, donnerte Mylady.
»Mylady sind erregt?« Parker sah in die Richtung, in die auch seine Herrin schaute. Die beiden zu Boden gegangenen Männer rappelten sich gerade wieder auf, schauten sich um und ergriffen dann schleunigst die Flucht, als Agatha Simpson sich anschickte, auf sie loszugehen.
»Könnten Mylady das vielleicht auf später verschieben?« bat der Butler. »Gab es möglicherweise einen Grund, an meine Zimmertür zu pochen?«
»Richtig, das hätte ich ja beinahe vergessen.« Sie nickte, schob Parker sehr ungeniert zur Seite und betrat dessen Hotelzimmer. Sie marschierte auf ihren stämmigen Beinen zum Bett und setzte sich auf die Kante. Parker blieb in der Zimmermitte stehen und sah Lady Simpson erwartungsvoll an.
»Wissen Sie, wer da gerade angerufen hat?« Der Busen wogte noch erstaunlich.
»Ich bin sicher, es gleich erfahren zu dürfen, Mylady.«
»Die Konkurrenz von diesem Lynn, den wir nicht kennen«, antwortete die streitbare Dame. »Eine Männerstimme behauptete, Kathy befinde sich in höchster Gefahr.«
»Das klingt erschreckend, Mylady. Wurden noch weitere Hinweise gegeben?«
»Sie soll sich in den Kellern der Music hall befinden«, redete Lady Simpson weiter. »Sie soll angeblich gefoltert werden.«
»Ich brauche nur wenige Sekunden«, sagte Parker und öffnete den Schrank, in dem seine Kleidung hing. Dann drehte er sich abwartend zu Lady Simpson um.
»Worauf warten Sie noch?« fauchte sie ihn an.
»Mylady, ich habe die Absicht mich anzukleiden.«
»Stellen Sie sich gefälligst nicht so an«, grollte sie daraufhin, »glauben Sie etwa, ich hätte noch nie einen Mann in Unterhosen gesehen? Beeilen Sie sich endlich!«
*
»Nun zieh dich schon aus«, sagte Lynn.
Der Mann saß bereits wieder in einem sofaähnlichen Sessel seiner Schlafkabine und griff nach einem gefüllten Glas, das er durstig leerte.
Kathy nahm sich Zeit und sah sich in der großen Kabine um, in der das breite französische Bett beherrschend war. Es gab eingebaute Kleiderschränke, unterhalb der Bullaugen eine Sitzgruppe und eine reichhaltig bestückte Bar gleich neben der Tür. Der Boden war mit dicken Teppichen ausgelegt, links und rechts vom Bett waren kabinenhohe Spiegel angebracht.
»Wie lange soll ich noch warten?« Lynns Stimme wurde ungeduldig.
»Sie werden mich später umbringen lassen, nicht wahr?«
»Das kommt auf dich an, meine Liebe.« Er nannte sie meine Liebe, eine vertraute Anrede, die Kathy aus dem Mund der Lady Simpson bedeutend mehr schätzte.
»Darf ich vorher etwas trinken, Mr. Lynn?«
»Zeitverschwendung, Schätzchen.« Er klatschte überraschenderweise laut in die Hände, worauf der linke Spiegel sich wie eine schmale Tür öffnete. Eine Art Gnom erschien dort, sah aus wie in einem Alptraum, war häßlich und grinsend dümmlich. Er trug Pluderhosen nach orientalischem Muster und über seinem nackten Oberkörper eine bunt bestickte, offene Weste.
»Zieh sie aus, Achmed«, rief Lynn ihm zu und deutete auf Kathy. »Wir haben es wieder mal mit einem verwöhnten Gast zu tun.«
Achmed grinste. Schon zu oft schien er diesen Witz von seinem Herrn und Meister gehört zu haben. Er näher sich auf seinen viel zu kurzen Beine Kathy und streckte seine Arme nach ihrem Rock aus. Sein Gesicht blieb dabei gleichgültig.
»Überanstrengen Sie sich nie! Achmed«, sagte Kathy und stieg aus ihrem Rock, bevor er sie anfasse konnte. Achmed, der natürlich mit Widerstand gerechnet hatte, trat verblüfft einen Schritt zurück und war beeindruckt.
»Möchten Sie einen Strip sehen, Mr. Lynn, oder soll ich mich normal ausziehen?« rief Kathy zu dem dickbauchigen Mann hinüber, während sie sich die Bluse über die Schulter streifte.
»Sie tun ziemlich abgebrüht«, stell Lynn mißtrauisch fest.
»Sie scheinen bisher an die falsche Frauen geraten zu sein«, gab sie gleichgültig zurück und präsentierte sich in Slip und BH. Sie sah darin hinreißend aus und war eine einzige Verlockung. Ohne sich zu genieren, öffnete sie den Büstenhalter und ließ ihn ebenfalls zu Boden gleiten.
Achmed starrte Kathy fasziniert an. Mit dieser Entwicklung hatte der Gnom sicher nicht gerechnet. Aber auch Stewart Lynn war beeindruckt. Er beugte sich etwas vor, seine schweren, stets ein wenig schläfrig wirkenden Augenlider hoben sich.
»Verschwinde, Achmed«, sagte sie dann wie beiläufig, »du wirst hier nicht mehr gebraucht!«
Widerwillig zog der Gnom sich zur Spiegeltür zurück. Man sah ihm deutlich an, daß er liebend gern geblieben wäre. Als die schmale Tür sich hinter ihm schloß, verließ Lynn seinen Sessel und tapste schwerfällig Kathy entgegen.
»Nun den Rest«, sagte er. Seine Stimme klang belegt, verriet Gier und Erregung.
Kathy nickte und ließ ihre Hände in das Gummiband des Slips gleiten, bückte sich ein wenig und streifte das Höschen nach unten. Als sie ganz sicher war, daß er nur noch Augen für diesen Vorgang hatte, schlug sie plötzlich mit der Handkante blitzschnell und hart gegen seinen Unterleib.
Normalerweise hätte Lynn zu Boden gehen müssen, denn Kathy kannte die Wirkung ihrer Karateschläge. Zu ihrer grenzenlosen Überraschung aber zog Lynn nur scharf die Luft ein, blieb stehen und zeigte fast keine Wirkung.
Kathy schlug erneut mit der Handkante zu und wollte ihren Gegner fällen, doch auch der zweite Schlag zeigte keine Wirkung. Lynn atmete nur scharf durch, griff dann blitzschnell nach Kathy und schleuderte sie gegen die holzverkleidete Wand seiner Schlafkabine. Der Aufprall war derart hart, daß Kathy leicht benommen zu Boden sank.
»Aber doch nicht mit mir, Miß Porter«, sagte Lynn und lächelte müde, fast ein wenig enttäuscht. »Damit hatte ich doch gerechnet. Sehen Sie an, wogegen Sie geschlagen haben!«
Er griff vorn unter sein Hemd, das über seinen dicken Bauch wallte und holte eine Art Blechweste hervor. Genau in diesem Moment wußte Kathy, warum ihre Handkante so schmerzte. Lynn hatte sie nach allen Regeln der Kunst aufs Glatteis geführt und hereingelegt.
»Aufsässigkeit