Nina Kayser-Darius

Kurfürstenklinik Paket 1 – Arztroman


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den nächsten Tag noch einmal verabredet waren. Er selbst hatte darauf gedrängt, weil er gehofft hatte, dieser mißglückte Abend sei eine Art Unfall, und er werde sich nicht wiederholen. Jetzt erinnerte er sich auch daran, daß sie selbst eher zögernd gewirkt, aber schließlich doch eingewilligt hatte.

      Wahrscheinlich, dachte er voller Verzweiflung, will sie morgen erzählen, daß sie gebunden ist. Aber soweit werde ich es gar nicht mehr kommen lassen.

      *

      Zufrieden lächelnd verschloß Stefanie Wagner ihre Bürotür. Es war noch relativ früh, und sie würde endlich wieder einmal einen Abend für sich haben. Das war schon lange nicht mehr vorgekommen, und die Aussicht auf ein paar freie Stunden ohne Streß und Hektik hatte sie in geradezu strahlend gute Laune versetzt. Überhaupt war der Tag großartig gewesen – einer von den Tagen, an denen einfach alles geklappt hatte.

      Sie drehte sich um und prallte fast mit Tim Brown zusammen, der plötzlich vor ihr stand. »He!« rief sie übermütig. »Du kommst mir gerade recht, Tim. Ich werde heute einen freien Abend haben – willst du mit zu mir kommen, und wir reden ein bißchen über alte Zeiten?«

      »Gern«, sagte er, und etwas an seiner Stimme ließ sie aufmerksam werden.

      »Was ist los?« fragte sie beunruhigt. »Ist etwas passiert?«

      »Ja«, antwortete er knapp. »Aber ich würde lieber erst darüber reden, wenn wir bei dir sind.«

      Sie ließ sich nicht anmerken, was sie dachte, sagte nur: »Gut«, und ging dann voraus zu ihrem Wagen.

      Die Fahrt zu ihrer Wohnung legten sie schweigend zurück. Ab und zu warf Stefanie ihrem Begleiter einen forschenden Blick von der Seite zu, aber sie stellte keine Frage mehr, und er war ihr dankbar dafür.

      Es muß mit der Frau zu tun haben, dachte sie. Himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt – genauso kam er ihr vor. War dieser unsäglich traurig vor sich hin starrende Mann der gleiche wie der glücklich verliebte, mit dem sie erst vor wenigen Tagen gesprochen hatte? Aber die erste Verabredung von Tim und der jungen Frau war dann ja schon nicht so gut verlaufen, offenbar war das doch kein Zufall gewesen.

      Sie parkte den Wagen und ging voran zu ihrer eleganten kleinen Wohnung. »Geh schon mal ins Wohnzimmer, Tim«, sagte sie. »Ich will mich nur ein wenig frisch machen. Wie ist es. Hast du Hunger?«

      Er schüttelte den Kopf. »Nein«, antwortete er mit belegter Stimme. »Wirklich nicht.«

      »Aber ein Glas Wein trinkst du mit mir?«

      Wieder schüttelte er den Kopf. »Ein Glas Wasser wäre mir lieber, Steffi.«

      Ohne Kommentar verschwand sie und tauchte einige Minuten später in bequemer Freizeitkleidung mit einer Flasche Wasser, einer Chipstüte und zwei Gläsern wieder auf.

      »So, und nun sag mir, was mit dir los ist!« forderte sie den Freund auf.

      »Kannst du dir das nicht denken?« Seine Stimme klang so bitter, daß sie erschrak. Die Sache mußte schlimmer sein, als sie zunächst angenommen hatte.

      »Es hängt mit der Frau zusammen, in die du dich verliebt hast, oder?« fragte sie.

      Er nickte. »Sicher.« Die Bitterkeit in seiner Stimme hatte sich noch verstärkt. »Ich muß sie furchtbar in Verlegenheit gebracht haben mit meinen stürmischen Gefühlen, die man mir bestimmt meilenweit an der Nasenspitze angesehen hat.«

      »Wieso in Verlegenheit?« fragte Stefanie. »Hat sich jetzt herausgestellt, daß sie diese Gefühle nicht erwidert?«

      »Das kann man wohl sagen, daß sich das herausgestellt hat.« Er erzählte ihr in wenigen Sätzen, daß er sie in einem Restaurant mit einem anderen Mann gesehen hatte – in zärtlicher Umarmung.

      »Was genau hast du gesehen?« wollte sie wissen.

      »Na, er saß neben ihr, hatte einen Arm um ihre Schultern gelegt und streichelte ihr zärtlich übers Haar. Und sie hat sich an ihn gelehnt. Die beiden haben überaus vertraut gewirkt, das kannst du mir glauben, Steffi.« Er schluckte kurz und fügte dann hinzu: »Ich bin sogar noch ein bißchen näher herangegangen, um ganz sicher zu sein. Zuerst habe ich nämlich gedacht, ich würde mich vielleicht irren.«

      Stefanie setzte sich neben ihn und streichelte ihm übers Haar. »War es ungefähr so?« fragte sie.

      Er verstand sie nicht und sah sie fragend an.

      »Ich meine«, erklärte sie, »hat er so neben ihr gesessen wie ich jetzt neben dir und hat ihr das Haar gestreichelt, so wie ich es jetzt bei dir tue?«

      »So ungefähr«, meinte er.

      »Und wenn uns jetzt jemand sähe, würde er ja sicher auch denken, daß wir sehr vertraut miteinander sind«, fuhr Stefanie fort.

      »Ich weiß schon, was du sagen willst«, wehrte er ab. »Aber so wie Caroline und Dr. Winter nebeneinander gesessen haben, das war eindeutig, glaub mir das bitte, Steffi.«

      Sie antwortete nicht, und es dauerte eine Weile, bis ihm ihr Schweigen auffiel. Dann blickte er auf und sah, daß ihr Gesichtsausdruck sich verändert hatte. Sie biß sich ganz fest auf die Lippen, während ihre Augen starr in eine Richtung sahen.

      »Steffi?« fragte er vorsichtig, aber sie reagierte nicht. Es dauerte noch einige Augenblicke, bevor der Groschen fiel. »Oh, du liebe Güte, Steffi, jetzt sag bloß nicht, daß der Mann, den du interessant findest, Dr. Adrian Winter ist?«

      Endlich wandte sie den Kopf und sah ihn mit ausdruckslosem Gesicht an. »Ist wohl zwecklos, jetzt zu leugnen, oder? Doch, er ist es. Und jetzt habe ich wenigstens endlich eine Erklärung dafür, warum das mit uns nicht richtig weitergeht. Er findet mich nett und geht gern mal mit mir essen – aber er hat eine Freundin, in die er verliebt ist.«

      »Es tut mir so leid«, sagte er hilflos. »Ehrlich, Steffi, wenn ich das gewußt hätte, dann hätte ich meinen Mund gehalten.«

      »Dir muß gar nichts leid tun«, entgegnete sie mechanisch. »Es ist ja nicht deine Schuld, Tim. Außerdem hätte es mir gar nicht geholfen, wenn du deinen Mund gehalten hättest. An den Tatsachen würde das schließlich nichts ändern, oder?«

      »Und warum denkst du jetzt auf einmal nicht mehr, daß ich mich vielleicht geirrt habe, als ich die beiden sah? Immerhin kann es ja wirklich sein, daß er sie nur getröstet hat, weil sie Kummer hatte – das wolltest du mir doch gerade vorher klarmachen, oder?«

      Sie nickte langsam. »Ja, das wollte ich. Aber da wußte ich noch nicht, daß der Mann Dr. Winter ist. Und daß das, was du gesehen hast, nicht nur das merkwürdige Verhalten deiner Caroline dir gegenüber erklärt, sondern auch das von Dr. Winter mir gegenüber. Es wäre ein bißchen zuviel Zufall, wenn das alles überhaupt nichts zu bedeuten hätte, findest du nicht?«

      Er nickte unglücklich. »Ja, das wäre es. Wenn ich mir überlege, was ich fragen wollte, ob sie ein paar Tage mit mir wegfährt, Steffi…«

      »Hast du Urlaub?«

      »Ja, nächste Woche, ein paar Tage nur. Ich hatte mich so darauf gefreut, aber jetzt ist mir allein der Gedanke daran einfach schrecklich. Lauter leere Tage, und ich weiß nicht, womit ich sie füllen soll.«

      Sie griff nach seiner Hand und sagte nichts mehr. Bis vor wenigen Minuten war dies ein wunderbarer Tag gewesen – und jetzt? Sie schloß die Augen. Am liebsten hätte sie geweint, aber das würde sie nicht tun, solange Tim da war. Sie würde warten, bis er sie allein ließ. Und dann, wenn sie in ihrem Bett lag, würde sie ihren Tränen freien Lauf lassen.

      *

      Caroline war fertig angezogen und stand am Fenster, als sie Tim Brown in seinem Wagen vorfahren sah. Sie hatte die Sätze, mit denen sie ihm ihre Situation erklären wollte, auswendig gelernt. Das war notwendig gewesen, weil sie sicher war, daß sie sonst überhaupt kein Wort herausbringen würde.

      In diesem Augenblick klingelte er, gleich würde sie ihm also gegenüberstehen. Erneut wurde ihr das Herz schwer, aber diesmal mußte sie einfach mit ihm reden, das wußte sie. Doch ganz