Nina Kayser-Darius

Kurfürstenklinik Paket 1 – Arztroman


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»Aber näher sind wir uns trotzdem nicht gekommen. Es war eben eine Illusion, Tim. Ich denke manchmal an ihn und überlege mir, wie es wohl wäre, wenn… Und dann verbiete ich mir diese Gedanken, weil sie leider zu nichts führen.« Sie sah ihn forschend an. »Hast du dir eigentlich überlegt, vielleicht doch noch einmal mit Caroline zu reden?«

      Jetzt lächelte er. »Damit ich für mich und für dich herausfinde, was zwischen ihr und Dr. Winter wirklich ist?«

      Sie senkte verlegen die Augen. »Na ja«, murmelte sie, »war ja nur so eine Idee. Immerhin gibt es Mißverständnisse, das weißt du doch. Vielleicht hast du die Situation falsch interpretiert.«

      »Ach«, spottete er liebevoll, »du hast also deine Meinung geändert? Hast du mir nicht neulich erst erzählt, daß diese Beziehung alles erklärt? Sowohl Carolines Verhalten mir gegenüber als auch Dr. Winters Verhalten dir gegen­über? Und daß es so viele Zufälle auf einmal nicht gibt?«

      »Du hast ja recht«, gestand sie mit einem Seufzer ein. »Es war ja auch nur so eine Idee, Tim.«

      Er gab ihr einen Kuß auf die Wange und erhob sich. »Ich melde mich, wenn ich wieder zurück bin. Kopf hoch, Steffi, wir beide werden uns doch nicht unterkriegen lassen, oder?«

      »Natürlich nicht!« sagte sie und versuchte, ihre Stimme fest und sicher klingen zu lassen. Aber sie selbst hörte, wie wenig ihr das gelang.

      *

      Esther war schon weg gewesen, als Adrian bei Frau Senftleben eingetroffen war, und nun saß er seiner Nachbarin zum ersten Mal seit längerem wieder in der Küche gegenüber. Sie hatte einen hübschen nachtblauen Morgenmantel angezogen, ihre Haare waren frisch gewaschen, und ihre blauen Augen blickten so klar in die Welt wie eh und je. Ganz ohne Zweifel war Frau Senftleben auf dem Wege der Besserung. Sie hatte sogar darauf bestanden, zumindest einen Salat selbst zuzubereiten, und dieser schmeckte so köstlich, daß Adrian die eigene Unzulänglichkeit in der Küche wieder einmal bewußt wurde. Aber allzuviel machte er sich nicht daraus, es gab andere Dinge, die er besser konnte.

      »Sie wirken nicht besonders zufrieden heute«, bemerkte seine Nachbarin, nachdem sie eine Weile schweigend gegessen hatten. Sie betrachtete ihn forschend und machte sich ihre eigenen Gedanken über Adrian, die sie aber, wie meistens, für sich behielt. Er war ihr während ihrer Krankheit noch mehr ans Herz gewachsen. Daß Esther und er sich so rührend um sie gekümmert hatten, würde sie den beiden nie vergessen. Aber es lag ihr nicht, darüber viele Worte zu verlieren. Sie würde einen anderen Weg finden, ihre Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen.

      Adrian ließ sich Zeit mit der Erwiderung, und sie drängte ihn nicht. »Bin ich auch nicht«, gab er schließlich fast widerwillig zu. Er besprach vieles mit Frau Senftleben, aber eben doch nicht alles. Die Geschichte mit Stefanie Wagner, die eigentlich gar keine Geschichte war, hatte er jedenfalls bis jetzt für sich behalten, und dabei sollte es auch bleiben.

      Wie erwartet, versuchte Frau Senftleben nicht, ihn auszufragen. Die Intimsphäre eines Menschen war ihr heilig, nie wäre sie auf die Idee gekommen, ihn zu drängen, daß er sich ihr anvertraute. Nach einer Weile sagte sie wie beiläufig: »Wollen Sie nicht heute wieder einmal in Ihrer eigenen Wohnung schlafen, Adrian?«

      »Wäre Ihnen das lieber?« fragte er sofort. »Ist es Ihnen lästig, wenn ich hier bin?«

      Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich war sehr froh die ganze Zeit, daß Sie hier waren, Sie und Esther, das wissen Sie doch. Wenn man sich elend fühlt, ist es ein schreckliches Gefühl, allein zu sein und sich im Notfall nicht helfen zu können. Aber jetzt geht es mir wieder besser – ich habe kein Fieber mehr, und ich kann sehr gut allein aufstehen.«

      Ihre Augen ruhten freundlich auf ihm, und ihn beschlich das Gefühl, daß sie mehr über seine Gemütslage wußte, als ihm recht war. »Ich glaube«, faßte sie ihre Ausführungen zusammen, »Sie brauchen eine Pause von mir, Adrian. Ich habe ihr das gestern abend schon gesagt, und sie war wenigstens so ehrlich zuzugeben, daß sie erleichtert über das Ende der Krankenpflege während der Freizeit war.«

      Er mußte lachen. »Na schön«, sagte er offen, »ich habe auch nichts dagegen, mal wieder in meinem eigenen Bett zu schlafen, Frau Senftleben, das muß ich zugeben.«

      »Ich sehe, wir sind uns einig«, stellte sie zufrieden fest. »Sie dürfen mir allerdings noch helfen, hier ein bißchen Ordnung zu schaffen, und dann gehe ich wieder ins Bett. Ich merke schon, daß ich noch ein bißchen wacklig auf den Beinen bin.«

      »Immer langsam«, meinte er ruhig. »So schnell werden Sie mich nicht los, Frau Senftleben. Die Küche räume ich alleine auf, Sie dürfen so lange noch sitzen bleiben und mir dabei zusehen. Und dann warte ich, bis Sie im Bett liegen, und morgen früh komme ich und mache Ihnen das Frühstück. Und genauso werden wir es in den nächsten Tagen auch machen. Ich kehre zwar in meine Wohnung zurück – aber die Oberaufsicht über Sie und Ihre Gesundheit habe ich noch, bis auch Ihr Hausarzt der Ansicht ist, daß Sie wieder ganz allein für sich sorgen können.«

      »Na schön«, seufzte sie und lehnte sich lächelnd zurück. »Dann räumen Sie mal meine Küche auf, Adrian.«

      *

      Caroline wanderte auf dem Stationsflur herum, weil sie sich langweilte. Sonst hatte sie Wochenenden sehr gern, und sie hätte ohne weiteres gemütlich im Bett liegen und ein Buch lesen können, wie sie es zu Hause oft tat, wenn sie frei hatte.

      Aber sie war eben nicht zu Hause, sondern sie lag als Patientin in der Klinik und wußte nicht, was auf sie zukam. Und außerdem war sie unglücklich, obwohl sie versuchte, möglichst wenig an Tim Brown zu denken. Doch das war leichter gesagt als getan. Immer wieder schlich er sich in ihre Gedanken, ohne daß sie etwas dagegen tun konnte. Jedenfalls konnte sie sich nicht auf ein Buch konzentrieren.

      Sie verließ die Station, weil sie es allmählich langweilig fand, immer hin und her zu laufen. Niemand hinderte sie daran, als sie beschloß, einen kleinen Ausflug in den Klinikgarten zu machen. Das Wetter war schön, da konnte sie sich ruhig ein wenig nach draußen setzen.

      Sie hatte kaum auf einer der Bänke Platz genommen, als ein junger Mann an Krücken herangehumpelt kam und sich neben sie auf die Bank fallen ließ.

      »Hallo, ich heiße Sven Mohntal«, stellte er sich vor. »Ich liege auf der Chirurgischen.«

      »Caroline Stellmann«, erwiderte sie. Sie wollte sich nicht unbedingt unterhalten, aber er war nicht unsympathisch und hatte ein nettes Gesicht mit freundlichen Augen.

      »Weshalb sind Sie denn hier?« erkundigte er sich unbefangen.

      »Ich hab’ einen Tumor am Eierstock«, antwortete sie automatisch und wunderte sich im selben Augenblick, warum sie diesem Unbekannten gegenüber so offen war.

      »Bösartig?« erkundigte er sich sachlich.

      »Das weiß man noch nicht.«

      »Oh«, sagte er mitfühlend. »Muß ein schlimmes Gefühl sein.«

      »Ja«, bestätigte sie, »das ist es. Und wie ist das bei Ihnen? Haben Sie sich das Bein gebrochen?«

      Er nickte. »Den Unterschenkel. Aber der Bruch war gar nicht so schlimm – bloß die Wunde wollte nicht heilen. Sie hat sich entzündet, und ich bin gegen viele Antibiotika allergisch, deshalb ist es immer schlimmer geworden. Sechs Wochen hänge ich jetzt schon hier rum – bloß wegen so ’ner Wunde, die nicht heilen wollte, das muß man sich mal vorstellen.«

      »Das tut mir leid«, sagte sie ehrlich. »Ist es denn jetzt besser?«

      »O ja.« Er warf ihr einen Blick von der Seite zu und grinste breit. »Soll ich Ihnen sagen, was sie gemacht haben? Aber ich wette, Sie werden mir nicht glauben. Die meisten Leute, denen ich es bisher erzählt habe, haben gedacht, ich will sie auf den Arm nehmen.«

      Er hatte es tatsächlich geschafft, ihre Neugier zu wecken. Es fiel ihr selbst gar nicht auf, daß sie nicht mehr an ihr eigenes Unglück dachte, seit sie mit ihm ins Gespräch gekommen war. »Dann versuchen Sie es mal«, forderte sie ihn auf. »Ich glaube Ihnen bestimmt.«

      Er strahlte über