Nina Kayser-Darius

Kurfürstenklinik Paket 1 – Arztroman


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24 Stunden gegessen?«

      Hannah Martens überlegte. »Wir waren eingeladen«, sagte sie dann. »Es gab ein Buffet. Ich hab in erster Linie Fisch gegessen. In letzter Zeit hab’ ich keinen allzu großen Appetit mehr auf Fleisch. Und gestern gab’s sogar Austern.«

      »Aha!« Dr. Winter nickte. »Hat jemand für die Frische der Delikatesse garantiert?« fragte er, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten.

      Er untersuchte Frau Martens eingehend, und schon bald war seine Diagnose erhärtet: Die Patientin hatte sich eine Fischvergiftung zugezogen. Zum Glück war sie nicht allzu schwer, doch es stand fest, daß die Übelkeit Frau Martens noch eine Weile quälen würde.

      »Wenn ich das geahnt hätte…« murmelte sie. »Nie hätte ich mich ans Steuer gesetzt.«

      »Wir können alle froh sein, daß es nichts Ernsteres ist«, meinte Dr. Winter. »Zur Sicherheit lasse ich Sie aber noch von meinem Kollegen Halbersett untersuchen. Er ist ein sehr erfahrener Gynäkologe und wird Ihnen sagen können, ob das Baby alles wohlbehalten überstanden hat.«

      »Und die beiden jungen Männer, die ich angefahren habe?«

      Schwester Monika lächelte beruhigend. »Denen geht’s ganz gut. Die haben beide einen Gips – und werden sich ein paar Tage erholen können.«

      »Ich würde mich gern bei ihnen entschuldigen«, sagte Hannah Martens.

      Aber Dr. Winter schüttelte den Kopf. »Ich richte gern aus, daß es Ihnen sehr leid tut. Aber erst einmal bringt Schwester Monika Sie jetzt zur Gynäkologie hoch. Wir wollen nichts riskieren.«

      Ein letzter Händedruck, ein aufmunterndes Lächeln – und der Arbeitstag hatte schon mit der ersten Aufregung begonnen.

      Markus kam zu seinem Freund. »Na, hast du meinen Gips begutachtet?«

      »Hätte ich’s müssen?«

      Markus zuckte die Schultern. »Nein, ich denke, so ein leichter Kunststoffgips wird hier wie in den Staaten gleich angelegt. Ich hab’ mir jedenfalls Mühe gegeben, die Brüche exakt einzurichten, es wird, aller Wahrscheinlichkeit nach, nicht zu Komplikationen kommen.

      Adrian Winter legte ihm die Hand auf die Schulter. »Dann komm mit, ich zeige dir den Weg zur Verwaltung. In dieser Hinsicht sind wir Deutschen unschlagbar – wichtiger als der beste Chirurg ist in einer Klinik immer noch der Verwaltungsdirektor.«

      Doch sein Freund lachte nur. »Das ist drüben ganz genauso. Der Dollar muß rollen. Und die Mark auch.«

      »Du sagst es. Aber ich werd’ mich nie dran gewöhnen!«

      Draußen erklang Sirenengeheul, und im Büro klingelte das Telefon.

      »Mach, daß du losgehst, sonst bist du gleich im nächsten Fall drin«, meinte Adrian. »Ich denke, für einen Tag schaffen wir’s auch ohne dich.«

      *

      »Herr Doktor Winter!« Bea, die junge Lernschwester, hielt Adrian auf, als er gerade zum Mittagessen gehen wollte. »Könnten Sie kurz nach einer neuen Patientin sehen?«

      Im ersten Moment war Adrian versucht, auf den diensthabenden Kollegen zu verweisen, aber Bea machte ein so ernstes und besorgtes Gesicht, daß er nur nickte. »Wo?« erkundigte er sich knapp.

      »Gleich vorn in der Halle. Sie hat mir gesagt, daß sie in die Notaufnahme hätte gehen wollen, doch sie hat’s einfach nicht mehr geschafft. Ich wollte eben Hilfe holen, als ich Sie sah.«

      Bea begleitete ihre Worte mit einem treuherzigen Augenaufschlag. So keß sie normalerweise war – wenn Patienten in Not waren, konnte Bea sanft wie ein Lamm sein. Sie half, wo sie konnte und tat weit mehr als ihre Pflicht.

      Adrian hatte das sehr rasch erkannt und ahnte, daß sie einmal ein sehr wertvolles Mitglied seines Teams werden würde.

      Als er die großzügig angelegte Eingangshalle der Kurfürsten-Klinik betrat, wies die junge Pflegerin auf eine dunkelhaarige Frau, die in einem der tiefen Sessel saß. »Da… so sitzt sie schon die ganze Zeit.«

      Dr. Winter war mit wenigen Schritten bei ihr. »Kann ich Ihnen helfen?« fragte er. »Mein Name ist Winter – Dr. Winter. Ich leite die Notaufnahme dieser Klinik.«

      Sie hob den Kopf, und schon an ihrer Miene konnte man erkennen, daß sie Schmerzen hatte.

      »Bitte, sagen Sie mir, was los ist«, drängte Adrian Winter.

      Die Frau, deren Alter der Arzt auf etwa vierzig Jahre schätzte, hob mühsam den Kopf. »Mir ist schlecht«, stieß sie hervor.

      »Haben Sie Schmerzen?«

      »Ja… Ich… Ich kann nicht mehr. Bitte, helfen Sie mir!« Sie preßte die Arme auf den Leib und sah aus, als wolle sie jeden Augenblick schlapp machen.

      Dr. Winter sah sich nach Hilfe um. Die Frau mußte sofort gründlich untersucht werden. Keine Schwester war zu sehen. Also bat er Bea: »Holen Sie eine Trage – und nehmen Sie noch eine Kollegin mit. Die Patientin muß sofort in die Notaufnahme«.

      Bea eilte davon, und Adrian Winter wandte sich wieder an die Kranke: »Sagen Sie… kennen wir uns nicht? Irgendwie habe ich das Gefühl, daß wir uns kürzlich schon mal irgendwo getroffen haben.«

      Sie nickte. »Ja. Sie haben vor einigen Wochen meine Vernissage besucht.«

      »Stimmt!« Er schlug sich kurz gegen die Stirn. »Wie konnte ich das vergessen. Sie sind diese tolle Malerin, von der ich so gerne ein Bild gehabt hätte. Aber… die Preise waren leider für einen kleinen Krankenhausarzt unerschwinglich.« Er lächelte, um diesen Worten die Ernsthaftigkeit zu nehmen.

      Carola konnte nur kurz die Lippen verziehen. »Mir ist so schlecht, Herr Doktor«, gestand sie. »Können Sie mir nicht irgendwas geben? Eine Spritze oder…«

      Er schüttelte den Kopf. »Wir sollten schon exakt herausfinden, woher Ihre Beschwerden resultieren. Warten Sie, da ist schon Hilfe.«

      Er stützte die Patientin, als sie aufstand, und half auch mit, sie auf eine Trage zu betten, die er zusammen mit Bea und einer anderen jungen Pflegerin in die Notaufnahme rollte.

      Hier herrschte zur Zeit nur mäßiger Betrieb. In Kabine eins lag eine Frau, die einen Schwächeanfall erlitten hatte, die aber nach einer kreislaufstützenden Injektion schon wieder wohlauf war, sich nur noch einige Minuten ausruhte.

      Kabine zwei war von einem kleinen Jungen besetzt, der beim Skaten gestürzt war. Dr. Schäfer kümmerte sich um die große Platzwunde am Knie, die sorgfältig gesäubert und mit ein paar Klammern zusammengehalten werden mußte.

      Als Adrian kurz zu ihm hereinschaute, meinte er nur: »Wolltest du nicht einen Happen essen gehen?«

      »Gewollt hätte ich schon – leider kam mir ein Notfall dazwischen. Ich bin dann gleich in der Vier.«

      »In Ordnung. Ruf mich, wenn du Hilfe brauchst, der junge Mann und ich sind gleich fertig. Ich werde ihm nur noch einen supercoolen Verband verpassen.«

      Der dunkelhaarige Patient versuchte sich an einem überlegenen Grinsen, doch er konnte nicht verhindern, daß seine Mundwinkel gefährlich zitterten, als Bernd Schäfer jetzt die letzten zwei Klammern setzte.

      Adrian wandte sich zu Kabine vier, wo jetzt Frau Trautmann schon auf dem Untersuchungstisch lag. Bea hatte ihr die Schuhe ausgezogen und ihr auch das lange Chiffontuch abgenommen, das den Arzt sonst behindert hätte.

      »Seit wann geht’s Ihnen denn ganz schlecht, Frau Trautmann?« wollte der Arzt wissen.

      »Angefangen hat’s ehrlich gesagt, schon in der Nacht«, gestand die Patientin. »Aber da habe ich der Sache noch keine allzu große Bedeutung beigemessen. Wir waren nämlich am Abend aus, und ich habe ein bißchen mehr gegessen als gut für mich war.«

      Dr. Winter nickte nur. Während sie sprach, hatte er eine ernste Untersuchung vorgenommen. Und was er feststellen mußte, gefiel ihm gar nicht. Der Puls jagte, die Haut war blaß und kühl.

      »Ich