Sie sind, selbst wenn die Betroffenen nicht ständig daran denken, an sich bewusstseinsfähig bzw. erinnerbar. Die Bewältigungs- oder Copingmechanismen sind also mehr oder weniger bewusst eingesetzte Denk-, Empfindungs- und Verhaltensstrategien.
• Abwehr (
Verleugnung
Die Verleugnung spielt sowohl beim bewussten Bewältigungsverhalten als auch bei der Abwehr von krankheitsbedingten unbewussten Ängsten und Konflikten eine wichtige Rolle. Man versteht darunter, dass Gefährdungen oder Beeinträchtigungen einfach nicht anerkannt werden, obwohl die Betroffenen darüber Bescheid wissen. Sie geben sich in ihren Einstellungen, Gefühlen und in ihrem Verhalten so, als wüssten sie gar nichts davon.
Die Verleugnung beeinflusst in vielfältiger Weise die therapeutische Beziehung und den Umgang mit Aufklärung, Behandlungsmaßnahmen und Vorschriften. Sie kann unterschiedlich umfassend sein. Man unterscheidet deshalb zwischen totaler und partieller Verleugnung.
Bei Patienten mit lebensbedrohlichen Krankheiten ist ein Middle Knowledge zu beobachten: Die Betroffenen befinden sich in einem Zustand zwischen Wissen und Nichtwissen um ihre Krankheit; dieser ermöglicht es ihnen, wechselnde und unterschiedlich starke Angstzustände zu regulieren. Ein besonderes Problem ist die Wiederverleugnung (Re-denial), wenn Patienten, die bereits mehrfach und offen über ihre Erkrankung informiert worden sind, sich so verhalten, als hätten sie kein Wissen von der Bedrohlichkeit ihrer Situation. Diese Form der Verleugnung ist unabhängig vom Ausmaß der Aufklärung des Patienten.
Bewältigungsergebnis
Die Annahme, dass die Qualität des Bewältigungsergebnisses im Sinne des »good Coping« davon abhängt, welche Art von Erkrankung bewältigt werden muss, lässt sich im Allgemeinen nicht bestätigen. Stattdessen ist es das Ausmaß der Beeinträchtigung im Krankheitsverlauf, das für das Bewältigungsergebnis ausschlaggebend ist. Außerdem hängt das Bewältigungsergebnis von der Persönlichkeit der Betroffenen ab.
Bis zu einem gewissen Grad ist ein aktives Bewältigungsverhalten, bei dem der Betroffene sich mit seiner Krankheitssituation bewusst auseinandersetzt, einem passiven Bewältigungsstil überlegen. Ein gewisses Maß an Passivität und Krankheitsverleugnung begünstigt aber das subjektive Befinden. Eine ständige bewusste Auseinandersetzung mit einer Krankheit führt hingegen, besonders bei chronischen Verläufen, zu einer zunehmenden Einengung des Gefühlslebens und zur emotionalen Erschöpfung.
Für behandelnde Ärzte und klinische Psychologen besteht bei der Betreuung von Patienten mit chronischen Krankheiten eine besondere Aufgabe darin, einzuschätzen, ob es für die Betroffenen besser ist, sich vertiefend mit ihrem Schicksal auseinanderzusetzen und z. B. über den Sinn ihrer Krankheit nachzudenken, oder ob es nicht hilfreicher für sie ist, sich abzulenken und ablenken zu lassen und an positive Aspekte ihres verbleibenden Lebens und ihrer Vergangenheit zu denken.
1.2.2 Krankheitsbezogene Bewältigungsaufgaben
Mit den Errungenschaften der modernen Medizin ergeben sich auch neue Herausforderungen, die das Bewältigungsvermögen der Patienten auf die Probe stellen. Lange Krankheitsprozesse, anhaltende Behinderungen, einschränkende Dauerbehandlungen oder eingreifende Operationen können die Kräfte auf längere Sicht erschöpfen und somatopsychische Störungen (
Somatopsychische Arbeitsfelder
Intensivmedizin
Patienten, die im Rahmen der Intensivmedizin behandelt werden, stehen vor einer Vielzahl von Belastungen. Der Grund zur Intensivbehandlung ist im Allgemeinen eine bedrohliche Erkrankung, die Angst und Schrecken verursacht. Manchmal sind die psychischen Funktionen, die eine Orientierung und Bewältigung erleichtern könnten, durch Narkosefolgen, Traumafolgen oder komatöse Zustände geschwächt. Oft war die Behandlung ganz unerwartet und plötzlich notwendig geworden. Die ungewohnte Umgebung mit unbekannten Apparaten, fremden Menschen und verwirrenden Vorgängen führt zur Verunsicherung. Diesen Belastungen kann man nur schwer entgegenwirken. Wichtige Hilfen sind Kontaktangebot, Zuwendung und Information. Hilfreich sind insbesondere auch möglichst enge Kontakte zu Angehörigen und Freunden, die der Einsamkeit und Not der Patienten, allein schon durch Anwesenheit und Vertrautheit, begegnen können.
Dialysebehandlung
Bei Patienten, die wegen schwerwiegender Nierenerkrankungen auf eine Dialyse angewiesen sind, führt die langfristige Abhängigkeit von der »Maschine« zu umfangreichen psychischen Problemen. Der Verlust oder zumindest die Einschränkung der Nierenfunktionen ruft Sorge, Depression und Trauer hervor. Das Angewiesensein provoziert aggressive Einstellungen gegen die »Maschine« und das Betreuungspersonal. Die Folgen der Beeinträchtigungen im persönlichen und beruflichen Bereich, wie Resignation, körperliche und sexuelle Einschränkungen, Berentung, wirtschaftliche Sorgen, Rückzug aus dem sozialen Aufgabenfeld u. v. a. sind lang dauernde Belastungen. Es entstehen dadurch nicht selten somatopsychische Anpassungsstörungen mit Depressivität, Angst und vegetativen Beschwerden. Als Folge anhaltender Belastungen können sich Gleichgültigkeit und Complianceprobleme bezüglich der Dialysebehandlung entwickeln. Die psychotherapeutischen Aufgaben sind langfristig und mühevoll. Wichtig ist die Stabilität und Kontinuität der Betreuung. Problemklärungen, Stützung und Aktivierung des Patienten sind die wichtigsten inhaltlichen Aspekte.
Operationen
Der Eingriff in die körperliche Intaktheit und Integrität stellt eine tiefe Verunsicherung und eine nachhaltige Störung des Sicherheitsgefühls dar. Operationen provozieren daher in der präoperativen Phase tiefe Ängste. Sie werden teilweise verleugnet und durch Übergefügigkeit verdeckt, teilweise aber auch als Angst und Verzweiflung offen gezeigt oder sogar als Aggressivität gegen Ärzte, Pflegepersonal oder Angehörige gerichtet. Eine angemessene verständnisvolle Zuwendung und eine sachgerechte Information über das geplante Vorgehen und die erwarteten Folgen, Beruhigung und Anregungen zur Entspannung können dieser präoperativen Reaktion vorbeugen oder sie mäßigen. Neurotische Entwicklungen und Konflikte können sie aber auch verstärken. In solchen Fällen können gezielte psychotherapeutische Explorationen und Interventionen hilfreich sein, in denen subjektiv belastende Bedeutungen eines Eingriffs (Vorerfahrungen, Vorbilder, Schuldkonflikte und Selbstbestrafungstendenzen usw.) aufgedeckt und besprochen werden.
Postoperativ entsteht für die Patienten die Aufgabe, sich an die Situation als Operierte anzupassen. Die Operationsfolgen, z. B. Verlust von Organen oder