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Nation, Europa, Christenheit


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in der aktuellen politischen Diskussion und arbeitet die Unterschiede zu ihrer Verwendung in der christlichen Ethik heraus. Besondere Beachtung erfährt dabei die Methode des moralischen Framings und die Frage, warum sie so effektiv funktioniert. Nach einem Exkurs zum christlichen Ideal der Liebe interpretiert Wawerka das Gleichnis vom „barmherzigen Samariter“ durchaus konträr zum kirchlichen Mainstream und kommt zu überraschenden Einsichten. Abschließend plädiert er für eine Dekonstruktion des „Totalaltruismus“ und seine Ersetzung durch eine „Ethik des sozialen Nahraums“, als deren Resultat er die Entfaltung einer besseren karitativen Wirksamkeit erwartet.

      Godehard Michaelis untersucht, welche Bedeutung und Bewertung den Bezugsgrößen „Volk“ und „Nation“ im Laufe der jüdisch-christlichen Geschichte beigemessen wurden. Er stützt sich dabei auf die Aussagen der Bibel sowie auf Ausschnitte theologischer Texte älteren und neueren Datums. Das dabei entstehende Bild zeigt die Ordnung der Menschheit in Völker bzw. Nationen als konstitutive und theologisch gerechtfertigte Ordnung sowie die Anerkennung dieser Ordnung und die Sorge um ihre Bewahrung als ethische Verantwortung, die aus dem christlichen Glauben resultiert.

      Lothar Mack begibt sich mit dem deutsch-jüdischen Philosophen Eugen Rosenstock-Huessy in einen intensiven Gedankenaustausch zum Thema „Deutschland als Heimat“, aus dem eine Art prophetische Meditation resultiert. Der Austausch erfolgt über eine Zeit von hundert Jahren hinweg, geht aber dabei doch von so frappierend übereinstimmenden Bedingungen der geistig-geistlichen Situation und Verfasstheit aus, dass die damals gewagten Gedankenwürfe auch Licht in unsere Gegenwart bringen und sie klären helfen können. Der Tendenz zur politischen, kulturellen und intellektuellen Selbstverschließung unserer Zeit setzt Lothar Mack den tastenden Aufbruch ins Offene, Dunkle und noch Unerkannte entgegen.

      Daniel Zöllner steuert eine kulturphilosophische Betrachtung zu Europa als Ursprungsort und ideengeschichtlichem Entwicklungsraum der Säkularisierung bei. Die Säkularisierung wertet er im Unterschied sowohl zu einem linken Geschichtsverständnis, das in ihr die positive Überwindung des Christentums versteht, als auch zu einem rechten Geschichtsverständnis, das in ihr die negative Entfremdung vom Christentum sieht, als notwendige Konsequenz des christlichen Glaubens selbst. Als Kronzeugen ruft er dabei den jüdischen Philosophen Jacob Taubes und den zu Unrecht in Vergessenheit geratenen jungkonservativen Theologen Friedrich Gogarten auf. Zöllners Sicht legt nahe, dass Europa als Kulturraum aus der Verbindung von Christentum und Säkularisierung entstanden ist und nur durch deren bleibende Verbindung als solcher bewahrt werden kann.

      André Thiele versucht in einem kurzen, aber prägnanten Essay, Realität und durchaus antibürgerliche Radikalität des Kreuzes als Einbruch einer absoluten Gegenwelt ins Politische jeder Art zu fassen.

      Marc Stegherrs Aufsatz thematisiert die katholischen Traditionalisten, ein mittlerweile weitgespanntes Netz aus Priesterbruderschaften und Interessengruppen. Diese eint ihre Ablehnung der Anpassung der kirchlichen Lehre und Liturgie an progressive, linksliberale Zeitströmungen. Sie deshalb als politisch rechts zu bezeichnen, greift zu kurz und wird der Problematik nicht gerecht. Man versucht damit, die substanzielle Kritik der Anhänger der Tradition, ihre paradigmatische Anfrage an die Kirche, ob sie aus der Tradition lebt oder sich quasi täglich „neu erfindet“, ins Politische abzuschieben und zu stigmatisieren. Auch sind die Ansätze und Charismen der verschiedenen Gemeinschaften der Tradition trotz generell gemeinsamer Anliegen zu heterogen, um sie – wie es oft geschieht – auf den simplen und im Grunde unscharfen Nenner des „Traditionalismus“ zu bringen.

      Jaklin Chatschadorian formuliert eine Fundamentalkritik am christlich-islamischen Dialog. Werden seitens der Politik und der Leitmedien durchweg die Erfolge dieses Dialogs beschworen – bzw. bereits der Dialog an sich zum Erfolg erklärt –, deckt sie Missverständnisse und Falschdarstellungen auf, die bisher noch nirgendwo Eingang in die Berichterstattung gefunden haben. Sie erklärt, was unter dem Stichwort der Islamisierung zu verstehen ist, warum dies kein eingebildeter, sondern ein höchst wirklicher und wirksamer Prozess ist und warum gerade der mit zu vielen irrigen Hoffnungen überfrachtete „Dialog“ kein echter Dialog ist, sondern zum Katalysator der Islamisierung geworden ist. Als Juristin denkt sie vornehmlich von der rechtlichen Sicht auf die Phänomene her, verfügt aber gleichzeitig über vielfältige persönliche Erfahrungen im Bereich der Integrationspolitik. Ihre Kritik richtet sich ebenso sehr gegen den Tunnelblick der christlichen Seite wie gegen die Haltung der islamischen Seite und regt zum grundsätzlichen Überdenken der bisherigen Voraussetzungen und Umsetzungen des christlichislamischen Dialogs an.

      Volker Münz sieht im Populismus eine Reaktion auf Krisensymptome der Demokratie, welche angesichts der wachsenden Kluft zwischen der Minderheit der Gewinner und der Mehrheit der Verlierer der Globalisierung zutage treten. Er bricht eine Lanze für einen wohlverstandenen Populismus, der eine christlich-konservative Politik unterstützen kann.

      Daniel Führing arbeitet in seinem Aufsatz die Quintessenz des vielfach auslegbaren Naturrechts heraus, das der damalige Papst Benedikt XVI. 2011 in seiner Bundestagsrede als große Errungenschaft des abendländischen Geistes herausgestellt hat. Naturrecht ist nicht ohne das Richtmaß der Vernunft zu denken. Aus der schon seit Generationen feststellbaren Abkehr vom Naturrecht und aus der Dominanz des rein formalistischen Rechtspositivismus resultieren verschiedene Deformationserscheinungen wie die „Ehe für alle“ oder die Abirrungen des Gender-Mainstreamings. Zu Recht zitiert Führing mit Leo Strauss einen großen Vertreter jüdisch-abendländischen Geistes, der durch den Rassenwahn aus seiner Heimat vertrieben wurde und gerade deshalb die verbindlichen Maßstäbe eines epochenübergreifenden Rechts mit Verve verteidigt hat: „Die gegenwärtige Ablehnung des Naturrechts führt nicht zum Nihilismus, nein, sie ist identisch mit Nihilismus.“

      Weihbischof