in der aktuellen politischen Diskussion und arbeitet die Unterschiede zu ihrer Verwendung in der christlichen Ethik heraus. Besondere Beachtung erfährt dabei die Methode des moralischen Framings und die Frage, warum sie so effektiv funktioniert. Nach einem Exkurs zum christlichen Ideal der Liebe interpretiert Wawerka das Gleichnis vom „barmherzigen Samariter“ durchaus konträr zum kirchlichen Mainstream und kommt zu überraschenden Einsichten. Abschließend plädiert er für eine Dekonstruktion des „Totalaltruismus“ und seine Ersetzung durch eine „Ethik des sozialen Nahraums“, als deren Resultat er die Entfaltung einer besseren karitativen Wirksamkeit erwartet.
Godehard Michaelis untersucht, welche Bedeutung und Bewertung den Bezugsgrößen „Volk“ und „Nation“ im Laufe der jüdisch-christlichen Geschichte beigemessen wurden. Er stützt sich dabei auf die Aussagen der Bibel sowie auf Ausschnitte theologischer Texte älteren und neueren Datums. Das dabei entstehende Bild zeigt die Ordnung der Menschheit in Völker bzw. Nationen als konstitutive und theologisch gerechtfertigte Ordnung sowie die Anerkennung dieser Ordnung und die Sorge um ihre Bewahrung als ethische Verantwortung, die aus dem christlichen Glauben resultiert.
Felix Dirschs ausführlicher Beitrag legt die Bezeichnung „rechtes Christentum“ im Sinne eines heimat- und volksnahen Verständnisses aus. Dieses grenzt er von einer Umfunktionierung des Christentums in den weiten Rahmen einer globalen Agenda ab. Er betont die Notwendigkeit einer universalistischen Dimension des Christentums, wofür es in der Heiligen Schrift diverse Anhaltspunkte gibt. Allerdings lassen sich diese Aussagen nicht in eine (zumeist entleerte und widerchristliche) One-World-Ideologie transformieren. Zur „Neuen Weltordnung“ zählt zentral die profane Trias zwischen Menschenrechten, Migration und der These vom primär menschengemachten Klimawandel. Ihre Umsetzung lässt entscheidende Nachteile für die einheimische Bevölkerung erkennen, nicht zuletzt in finanzieller Hinsicht. Rechtes Christentum bekämpft stets sämtliche Facetten einer „cucked christianity“, wie sie in den USA heißt. Gemeint ist damit ein Glaube, der die Selbstbehauptung der eigenen Kultur und des eigenen Staates nicht fördert, sondern unterminiert. Natürlich kann man dagegen einwenden, die Hauptaufgabe des Glaubens sei eine andere, nämlich das Heil in Jesus Christus zu vermitteln. Das ist nicht zu bestreiten. Aber die Basis zur Erreichung dieses Zieles berührt nun einmal die kulturellen Grundlagen des Eigenen. Das abendländische Christentum, um ein einleuchtendes Beispiel anzuführen, besitzt eine exzentrische Dimension in dem Sinne, dass wichtige kulturelle Grundlagen ursprünglich von außerhalb der eigenen Grenzen kommen. Sein Glaubensgut wird freilich spezifisch durchdrungen und bekommt eine neue Form, ohne seine Inhalte substanziell zu verändern. Der Paradigmenwechsel, den der Glaube im Abendland durchlaufen hat, war durchaus ein mehrfacher.41 Früher – als der Germanenbegriff noch unbelasteter verwendet werden konnte als heute–sprach man von der kulturellen Vermengung von Germanentum und Christentum. Diese spezifische Mixtur galt lange Zeit, mitunter auch noch heute, als Quintessenz des abendländischen Geistes. Dieser war stets übernational ausgerichtet, stellte aber die Existenz verschiedener Nationen und Völker nicht infrage. Bereits im Mittelalter erwies sich dieses Spannungsverhältnis als fruchtbar. Im Abendland-Begriff liegt bis heute ein großer Teil unserer Identität, die stets von außen herausgefordert wurde und bis heute wird – wenngleich in anderer Weise als in der Vergangenheit. Ohne das abendländische Christentum gibt es auch keine abendländische Kultur mehr. Von dieser Erkenntnis, die manchen vielleicht als zu hoch gegriffen erscheinen mag, blitzte ein wenig auf, als am Abend des 15. April 2019 die Nachricht des Brandes der altehrwürdigen Kathedrale Notre-Dame in Paris viele schockierte. Handelte es sich dabei um einen symbolischen Untergang des Abendlandes, den man schon so oft verkündet hatte?
Lothar Mack begibt sich mit dem deutsch-jüdischen Philosophen Eugen Rosenstock-Huessy in einen intensiven Gedankenaustausch zum Thema „Deutschland als Heimat“, aus dem eine Art prophetische Meditation resultiert. Der Austausch erfolgt über eine Zeit von hundert Jahren hinweg, geht aber dabei doch von so frappierend übereinstimmenden Bedingungen der geistig-geistlichen Situation und Verfasstheit aus, dass die damals gewagten Gedankenwürfe auch Licht in unsere Gegenwart bringen und sie klären helfen können. Der Tendenz zur politischen, kulturellen und intellektuellen Selbstverschließung unserer Zeit setzt Lothar Mack den tastenden Aufbruch ins Offene, Dunkle und noch Unerkannte entgegen.
Daniel Zöllner steuert eine kulturphilosophische Betrachtung zu Europa als Ursprungsort und ideengeschichtlichem Entwicklungsraum der Säkularisierung bei. Die Säkularisierung wertet er im Unterschied sowohl zu einem linken Geschichtsverständnis, das in ihr die positive Überwindung des Christentums versteht, als auch zu einem rechten Geschichtsverständnis, das in ihr die negative Entfremdung vom Christentum sieht, als notwendige Konsequenz des christlichen Glaubens selbst. Als Kronzeugen ruft er dabei den jüdischen Philosophen Jacob Taubes und den zu Unrecht in Vergessenheit geratenen jungkonservativen Theologen Friedrich Gogarten auf. Zöllners Sicht legt nahe, dass Europa als Kulturraum aus der Verbindung von Christentum und Säkularisierung entstanden ist und nur durch deren bleibende Verbindung als solcher bewahrt werden kann.
André Thiele versucht in einem kurzen, aber prägnanten Essay, Realität und durchaus antibürgerliche Radikalität des Kreuzes als Einbruch einer absoluten Gegenwelt ins Politische jeder Art zu fassen.
Marc Stegherrs Aufsatz thematisiert die katholischen Traditionalisten, ein mittlerweile weitgespanntes Netz aus Priesterbruderschaften und Interessengruppen. Diese eint ihre Ablehnung der Anpassung der kirchlichen Lehre und Liturgie an progressive, linksliberale Zeitströmungen. Sie deshalb als politisch rechts zu bezeichnen, greift zu kurz und wird der Problematik nicht gerecht. Man versucht damit, die substanzielle Kritik der Anhänger der Tradition, ihre paradigmatische Anfrage an die Kirche, ob sie aus der Tradition lebt oder sich quasi täglich „neu erfindet“, ins Politische abzuschieben und zu stigmatisieren. Auch sind die Ansätze und Charismen der verschiedenen Gemeinschaften der Tradition trotz generell gemeinsamer Anliegen zu heterogen, um sie – wie es oft geschieht – auf den simplen und im Grunde unscharfen Nenner des „Traditionalismus“ zu bringen.
Jaklin Chatschadorian formuliert eine Fundamentalkritik am christlich-islamischen Dialog. Werden seitens der Politik und der Leitmedien durchweg die Erfolge dieses Dialogs beschworen – bzw. bereits der Dialog an sich zum Erfolg erklärt –, deckt sie Missverständnisse und Falschdarstellungen auf, die bisher noch nirgendwo Eingang in die Berichterstattung gefunden haben. Sie erklärt, was unter dem Stichwort der Islamisierung zu verstehen ist, warum dies kein eingebildeter, sondern ein höchst wirklicher und wirksamer Prozess ist und warum gerade der mit zu vielen irrigen Hoffnungen überfrachtete „Dialog“ kein echter Dialog ist, sondern zum Katalysator der Islamisierung geworden ist. Als Juristin denkt sie vornehmlich von der rechtlichen Sicht auf die Phänomene her, verfügt aber gleichzeitig über vielfältige persönliche Erfahrungen im Bereich der Integrationspolitik. Ihre Kritik richtet sich ebenso sehr gegen den Tunnelblick der christlichen Seite wie gegen die Haltung der islamischen Seite und regt zum grundsätzlichen Überdenken der bisherigen Voraussetzungen und Umsetzungen des christlichislamischen Dialogs an.
Volker Münz sieht im Populismus eine Reaktion auf Krisensymptome der Demokratie, welche angesichts der wachsenden Kluft zwischen der Minderheit der Gewinner und der Mehrheit der Verlierer der Globalisierung zutage treten. Er bricht eine Lanze für einen wohlverstandenen Populismus, der eine christlich-konservative Politik unterstützen kann.
Daniel Führing arbeitet in seinem Aufsatz die Quintessenz des vielfach auslegbaren Naturrechts heraus, das der damalige Papst Benedikt XVI. 2011 in seiner Bundestagsrede als große Errungenschaft des abendländischen Geistes herausgestellt hat. Naturrecht ist nicht ohne das Richtmaß der Vernunft zu denken. Aus der schon seit Generationen feststellbaren Abkehr vom Naturrecht und aus der Dominanz des rein formalistischen Rechtspositivismus resultieren verschiedene Deformationserscheinungen wie die „Ehe für alle“ oder die Abirrungen des Gender-Mainstreamings. Zu Recht zitiert Führing mit Leo Strauss einen großen Vertreter jüdisch-abendländischen Geistes, der durch den Rassenwahn aus seiner Heimat vertrieben wurde und gerade deshalb die verbindlichen Maßstäbe eines epochenübergreifenden Rechts mit Verve verteidigt hat: „Die gegenwärtige Ablehnung des Naturrechts führt nicht zum Nihilismus, nein, sie ist identisch mit Nihilismus.“
Weihbischof