Actualität (lat.) heißt die Wirklichkeit, insofern nur das wirklich existiert, was sich betätigt; Gegensatz dazu ist die Potenzialität, d. h. die Möglichkeit. Auch versteht man unter Actualität die augenblickliche Bedeutsamkeit. Unter Actualitätslehre versteht man diejenige philosophische Lehre, die das Wirkliche nicht im Substanziellen, sondern nur im Tätigsein, im Wirken sucht. Der Hauptanhänger dieser Weltanschauung, die schon von Herakleitos 500 v. Chr. vertreten worden ist, ist gegenwärtig auf psychologischem Gebiete Wundt (geb. 1832).
adaequat (lat. adaequatus) heißt gleichkommend, übereinstimmend, angemessen; eine Vorstellung ist z. B. adaequat, wenn sie einem Gegenstand genau entspricht, ein Begriff, wenn er das Wesen desselben ausdrückt, eine Definition, wenn sie den Begriff nach seinen wesentlichen Merkmalen bestimmt, eine Erkenntnis, wenn sie einer Sache fehlerlos entspricht. Der Ausdruck adaequat begegnet uns oft in der philosophischen Sprache Spinozas und Leibniz'. Vgl. angemessen.
Adam Kadmon (hebr.) heißt bei den Kabbalisten der Urmensch, der himmlische Adam, das Vorbild der Menschheit und der irdischen Welt, der eingeborene Sohn Gottes und der Inbegriff der Ideen, nach gnostischer Lehre ist es der fast göttliche Äon, nach welchem Adam erst geschaffen wurde. Siehe Kabbâla.
Adamiten hießen Sektierer, welche öfter, so im 2. und 3. Jahrh. n. Chr. in Nord-Afrika, 1421 in Böhmen aufgetreten sind und den Stand paradiesischer Unschuld durch völlige Nacktheit darstellen wollten, gewöhnlich aber in grobe Unsittlichkeit verfielen.
Adaption (von lat. adaptare, richtiger Adaptation) heißt die Anpassung oder Anbequemung, z. B. der Netzhaut an die vorhandene Lichtstärke, der Aufmerksamkeit an überraschende Gegenstände. Vgl. Accomodation.
Adept (franz. adepte = lat. adeptus = wer etwas erlangt hat) heißt ursprünglich ein Eingeweihter, welcher den Stein der Weisen, das höchste geheimnisvolle Ziel der Alchymie, gefunden hat. Paracelsus (1493-1541) und andere Schwärmer nannten sich so. Im allgemeinen heißt jetzt so jeder, der in eine Wissenschaft oder Kunst eingedrungen ist.
ad hominem (ergänze demonstratio, lat.) nennt man einen Beweis, der gemeinfaßlich und einleuchtend, der Fassungskraft des Hörers angepaßt ist, aber nicht allgemein gilt.
Adiáphora (gr. adiaphora = unausgezeichnet) heißen gleichgültige Dinge, Mitteldinge, Dinge zwischen Gutem und Bösem. Der Streit über die Frage, ob es Adiáphora gebe, durchzieht die Geschichte der Moral und der Religion. Epikuros (341-270) verneinte die Frage. Nach der Lehre der Stoiker dagegen, durch die das Wort seine Verbreitung gefunden hat, ist die Tugend das einzige Gut, das Laster das einzige Übel; alles was nicht Tugend oder Laster ist, z. B. das Leben, die Begabung, die Schönheit, die Gesundheit usw., ist ein Adiáphoron. – In Wirklichkeit wird jeder Mensch je nach seiner Individualität, Erziehung, Gewöhnung etwas anderes für gleichgültig erklären. Und in verschiedenem Zusammenhange mit anderen Dingen kann oft das an sich Gleichgültige bedeutungsvoll werden.
ad impossibilia nemo obligatur (lat.) heißt: Zum Unmöglichen ist niemand verpflichtet. Der Satz trifft zu; denn das Sollen hat das Können zur Voraussetzung. Er kann aber natürlich nur da Anwendung finden, wo die Unmöglichkeit dargetan worden ist.
ad infinitum (lat.) heißt ins Unendliche; ad indefinitum dagegen heißt ins Unbestimmte (vgl. unendlich).
ad libitum (lat.) heißt nach Belieben.
ad oculos demonstrieren (lat.) heißt etwas so deutlich darlegen, daß man es wie mit den leiblichen Augen sieht.
Adrastea (gr. 'Adrasteia) heißt die Unentrinnbare; so bezeichneten die Alten das Schicksal, z. B. Platon Phaedr. p. 248 C. Vgl. Schicksal.
ad turpia nemo obligatur (lat.) heißt: Zu Schlechtem kann niemand verpflichtet werden.
Advaita (sanskr.), Nichtdualismus, Monismus (s. d.), heißt eine philosophische Richtung des Brahmaismus, die seit dem 6. Jahrh. n. Chr. auftritt. Sie behauptet, die menschliche Seele sei identisch mit dem Brahman, der nicht persönlich, sondern als Weltseele und ewiger Urgrund alles Seins zu denken sei.
Ähnlichkeit heißt im allgemeinen die Übereinstimmung der Dinge in mehreren, Gleichheit die in allen Merkmalen. – In der Geometrie bezeichnet Ähnlichkeit die Übereinstimmung in der Gestalt, Gleichheit die Übereinstimmung in der Größe, Kongruenz die vollkommene Übereinstimmung. Das moderne mathematische Zeichen (~) für ähnlich hat Leibniz (1646-1716) aus einem liegenden s (= similis) gebildet. Vgl. Leibniz, Characteristica geometrica ed. Gerhardt, 3. Folge, Bd. V, S. 153: Similitudinem ita notabimus ~. – Die Beziehung des Ähnlichen spielt im Geistesleben des Menschen eine wichtige Rolle. Es ist z. B. Sache des Witzes und Scharfsinns, Ähnlichkeiten zwischen den verschiedensten Dingen instinktiv herauszufinden. Auf leicht faßbaren Ähnlichkeiten beruht auch der bildliche Ausdruck des Dichters. Vergleicht man scharf denkend die Dinge, um aus ihrer Ähnlichkeit etwas zu folgern, so zieht man einen analogischen Schluß (s. Analogie). Mit solchen Schlüssen arbeitet besonders die Induktion (s. d.) innerhalb der Naturwissenschaft. – Die Tatsache, daß ähnliche Vorstellungen einander hervorrufen, erklärt uns einen Teil des Seelenlebens und begründet das Hauptgesetz der Ideenassoziation (s. d.). – Daß Ähnliches nur durch Ähnliches erkannt werde, ward von Pythagoras, Empedokles und Demokritos behauptet. – Platon (427-347) und andere forderten als höchstes Moralprinzip die Ähnlichkeit mit Gott.
Äon (gr. aiôn) heißt Ewigkeit, beständige Dauer. Bei dem Gnostiker Valentinus (150 n. Chr.) werden aus den Äonen ewige Geister und göttliche Wesenheiten, Mittelwesen zwischen dem göttlichen Urgrunde und dem Menschen.
Äquilibrismus (nlt. von lat. aequilibrium Gleichgewicht) ist die Lehre, daß der Mensch nur dann frei handelt, wenn ein völliges Gleichgewicht aller Bestimmungsgründe des Willens stattfindet. Diese Lehre ist unhaltbar; denn abgesehen davon, daß ein solches Gleichgewicht kaum vorkommt, und wenn es vorkäme, schwer bestimmbar wäre, würde die Konsequenz des Gleichgewichts nur sein können, daß der Mensch gar nicht handelt, sondern untätig bleibt, wie der Esel des Buridan (s. d.) zwischen den Heubündeln. Dagegen erklärt Platon und Herbart nur den für frei, dessen tatkräftiger Wille mit dem Sittengesetz im Gleichgewicht steht. Vgl. Determinismus, Freiheit.
Äquipollenz (nlt. aequipollentia aus dem lat. aequipollens), Gleichgeltung, spricht die Logik im engeren Sinne seit Apuleius (2. Jahrh. n. Chr.) den Sätzen zu, die dasselbe, aber unter verschiedener Form aussagen, so daß einer unmittelbar aus dem andern gefolgert werden kann. So sind z. B. die Sätze: »Platon war des Aristoteles Lehrer« und »Aristoteles war Platons Schüler« äquipollent. Solche Sätze schließen einander stets ein, und aus der Wahrheit oder Falschheit des einen folgt die Wahrheit und Falschheit des anderen. Im weiteren Sinne heißen aber auch diejenigen Sätze äquipollent, welche nicht unmittelbar, sondern erst durch Zwischensätze auseinander folgen. So ist z. B. der Satz: » In diesem Dreieck ist das Quadrat über der einen Seite gleich der Summe der Quadrate über den beiden anderen« äquipollent mit dem Satze: »Dies Dreieck ist rechtwinklig«.
Äquivalenz (nlt. aus dem lat. gebildet), Gleichwertigkeit, Wert-Ersatz, heißt die Einsetzung eines Wertes für einen anderen. Vgl. Kraft.
Ärger ist die vorübergehende Gemütsverstimmung, in der sich ein leichterer Zorn mit einem leichteren Kummer verbindet. So ärgert man sich z. B. über schlechte Federn, einen versäumten Zug u. dgl., über erfahrene Zurücksetzung, über Vorurteile, Moden usw., über aufdringliche Menschen, unbotsame Dienstpersonen usw.
Ärgernis