als eine zeitliche Folge von Gefühlen, die sich zu einem zusammenhängenden Verlaufe verbindet und sich gegenüber den vorausgegangenen und nachfolgenden Vorgängen als ein eigenartiges Ganzes absondert, das im allgemeinen zugleich intensivere Wirkungen auf das Subjekt ausübt, als ein einzelnes Gefühl; er scheidet die Affekte nach der Qualität in Affekte der Lust und Unlust, nach der Intensität in schwache und starke, nach der Verlaufsform in plötzliche, allmählich ansteigende und intermittierende. (Wundt, Grundriß d. Psychologie 1905, § 13.)
Die Befreiung von Affekten kann einerseits dadurch geschehen, daß man die Anlässe dazu wirklich oder in der Vorstellung des Menschen beseitigt, oder anderseits dadurch, daß der Mensch sich selbst zwingt und überwindet. Ist z. B. jemand in Zorn, so pflegt der Affekt sich zu lösen, wenn man ihm den Gegenstand, der ihn dazu reizt, aus den Augen oder aus dem Sinn schafft und indem man ihn mit anderen Vorstellungen lebhaft beschäftigt. Die Befreiung von den Affekten durch Selbstüberwindung ist die ethische Grundforderung Spinozas.
Die Bestimmung des Begriffs der Affekte hat vielfach geschwankt. Bald sind die Affekte enger nur als Gemütsbewegungen gefaßt worden, bald sind sie weiter auch als Willensvorgänge gedacht, bald sind sie als vorübergehende Zustände, bald auch als dauernde Zustände definiert und dann mit den Leidenschaften (s. d.) vermischt worden. Vielfach greift die Erörterung über die Affekte in die Ethik ein. Die Kyrenaiker (im 4. Jhrh. v. Chr.) unterschieden zwei Affekte (pathê), nämlich ponos und hêdonê, Unlust und Lust, und sahen in jener eine reißende, in dieser eine sanfte Bewegung (Kyrênaikoi – dyo pathê hyphistanto, ponon kai hêdonên; tên men leian kinêsin, tên hêdonên; ton de ponon tracheian kinêsin Diog. Laert II, 8 § 86.) Die Lust ist nach Aristippos' (um 435-355) Lehre das Ziel des Lebens.
Aristoteles (384-322) definiert die Affekte als seelische Vorgänge, die mit Lust oder Unlust verbunden sind (legô de pathê – hois hepetai hêdonê ê lypê. Eth. Nicom. II 4 p. 1105b 21-23). Er zählt folgende Affekte auf: epithymia (Begierde), orgê (Zorn), phobos (Furcht), thrasos (Mut), phthonos (Neid), chara (Freude), philia (Freundschaft), misos (Haß), pothos (Sehnsucht), zêlos (Eifer), eleos (Mitleid). Er ist sich aber auch bewußt, daß diese Seelenvorgänge mit körperlichen verbunden sind (eoike de kai ta tês psychês pathê panta einai meta sômatos) und führt als Beispiele solcher seelisch-körperlichen Vorgänge thymos (Erregung), praotês (Sanftmut), phobos (Furcht), eleos (Mitleid), thrasos (Mut), to philein (Liebe), to misein (Haß) an (De anim. Ip. 403 a 16-18).
Die Stoiker sahen von Zenon (350-258) ab in den Affekten vernunftlose und naturwidrige Gemütsbewegungen oder das Maß überschreitende Triebe. ('Esti de auto to pathos, kata Zênôna, hê alogos kai para physin psychês kinêsis ê hormê pleonazousa Diog. Laert. VII, 63 § 110). Sie entspringen aus Fehlern des Urteils, aus falschen Meinungen über gegenwärtige oder zukünftige Güter und Übel. Aus der falschen Meinung über gegenwärtige Güter entspringt die Lust (hêdonê), über zukünftige die Begierde (epithymia); aus der falschen Meinung über gegenwärtige Übel entspringt die Bekümmernis (lypê),über zukünftige die Furcht (phobos) tou pathous – prôta – einai – tessara, epithymian, phobon, lypên, hêdonên. epithymian men oun kai phobon proêgeisthai, tên men pros to phainomenon agathon, tên de pros to phainomenon kakon. epigignesthai de toutois hêdonên kai lypên, hêdonên men hotan tynchanômen hôn epithymoumen ê ekphygômen, ha ephoboumetha, lypên de hotan apotynchanômen hôn epithymoumen ê peripesômen, hois ephoboumetha. (Stobaios Eclog. II, 166-168). Die Tugend wird nur erlangt durch Überwindung der Affekte.
Von den neueren Philosophen versteht Descartes (1596-1650) unter den Affekten (passiones) Vorstellungen oder Empfindungen oder Erregtheiten der Seele, die man nur auf sie selbst bezieht und die durch gewisse Bewegungen der Lebensgeister bewirkt, unterhalten und verstärkt werden (Pass. anim. I, 27). Er unterscheidet sechs Grundaffekte: Bewunderung, Liebe, Haß, Verlangen, Freude, Traurigkeit. – Spinoza (1632-1677) nimmt als Grundaffekte nur die drei: Verlangen, Freude, Traurigkeit an und gründet auf die Lehre von den Affekten seine Ethik. Er versteht unter den Affekten Zustände des Körpers, durch welche die Fähigkeit desselben zu handeln vermehrt oder vermindert, gefördert oder eingeschränkt wird, und zugleich die Ideen dieser Zustände (corporis affectiones quibus ipsius corporis agendi potentia augetur vel minuitur, iuvatur vel coërcetur, et simul harum affectionum ideas Eth. III, 3). Der den Affekten unterworfene Mensch ist unfrei. Der über die Affekte siegende Mensch ist frei. Diese Befreiung erfolgt durch die wahre Erkenntnis der Affekte, die in die intellektuelle Gottesliebe ausmündet (Eth. III – V). Kants und Wundts Einteilung der Affekte ist bereits berührt. Vgl. Lotze, Medizinische Psychologie, S. 441f., Waitz, Psychologie § 44, Feuchtersleben, Diätetik der Seele VI – VIII, Wundt, Grundz. d. phys. Psych. II, 404 ff. Bain, the emotions and the will 1859, Ribot, psychologie des sentiments 1896. Essai sur les passions Paris 1907.
Affektation (lat. affectatio) oder Affektiertheit ist die Ziererei in Reden und Handlungen, welche den Schein von Gefühlen zu erwecken sucht, die man gar nicht besitzt. Vgl. Anmut.
Affektion (lat. affectio) heißt Zuneigung; Affektionspreis (pretium affectionis) ist der Wert, den wir einer Sache oder Leistung mit Rücksicht auf das Gefühl des Besitzers oder Leistenden beilegen. Der Gegensatz dazu ist entweder der Marktpreis oder der objektive Wert (vera rei aestimatio). Diese drei Werte stehen natürlich oft im Widerspruch. So kann z. B. eine objektiv und im Marktpreise ganz wertlose Tasse, die wir von einem Verwandten ererbt haben, für uns einen großen Affektionswert haben, oder es können alte Bücher und Kunstwerke einen viel höheren Marktpreis als objektiven Wert haben. Im weiteren Sinne können alle Dinge einen Affektionspreis besitzen, insofern sie jeder verschieden hochschätzt. Kant (1724-1804) definiert Affektionspreis als »Äquivalent für ein Ding, das einem gewissen Geschmacke gemäß ist«. – Affektion heißt auch Zustandsänderung. So reden wir z. B. von einer Gemütsaffektion, Sinnesaffektion.
Affektlosigkeit bedeutet soviel als Gemütsruhe, Freiheit von Affekten (s. d.). Vgl. Apathie.
Affenliebe ist die blinde Zärtlichkeit der Eltern gegen ihre Kinder, welche deren Fehler übersieht, ableugnet und ihnen schadet.
Affinität (lat. affinitas) heißt Verwandtschaft. Logische Affinität ist das Verhältnis der Begriffe oder Urteile, welche nicht wesentliche Merkmale gemein haben, z. B. rote Rose und rote Mütze. Der Gegensatz zu solchen affinen Begriffen sind die kognaten. Denn Kognation findet zwischen den durch wesentliche Merkmale verbundenen statt, z. B. Rose, Tulpe, welche beide als Organismen gedacht werden müssen. – Psychologische Affinität heißt die Ähnlichkeit von Vorstellungen, insofern auf derselben die Assoziation beruht.
affirmativ (lat. affirmativus), bejahend, heißt ein Urteil, welches einem Subjekt irgend ein Prädikat beilegt (S ist P). Negativ dagegen heißt ein Urteil, das einem Subjekt ein Prädikat abspricht (S ist nicht P). Diese wesentliche Eigenschaft eines Urteils heißt seine Qualität. Affirmation ist also eine Art der Urteilsqualität. Die Bejahung (Affirmation) kann entweder auf den ganzen Umfang des Subjekts gehen (alle S sind P) oder nur auf einen Teil (einige S sind P). Diese Eigenschaft heißt die Quantität eines Urteils. Vgl. Urteilsformen. Verneinung.
affizieren (lat. afficio) heißt eine Zustandsänderung herbeiführen, Eindruck machen, zunächst auf die Sinne, dann auf die Seele des Menschen überhaupt.
Agathobiotik (aus d. Griech. geb.) heißt Diätetik (s. d.).
Agathologie (gr.) heißt die Lehre vom Guten oder von den Gütern; sie ist ein Teil der Ethik, welche gewöhnlich in die Lehre von den Pflichten, Tugenden und Gütern eingeteilt wird. Vgl. A. Döring, Philos. Güterlehre, Berlin 1888.
Agens