altera pars Petri (lat.) heißt der zweite Teil der Logik (Institutiones dialecticae) von Petrus Ramus (1515-72), welcher vom Urteil (de iudicio) handelt. Daher sagt man von einem beschränkten, urteillosen Menschen, ihm fehle die altera pars Petri. Die gewöhnlichere Ausdrucksweise, die auch Kant gebraucht, ist, es fehle an der secunda Petri. (Kant Kr. d. r. V. S. 134A).
alter ego (lat.), zweites Ich, ist eine Bezeichnung für den intimsten Freund.
Alteration (franz. altération = Verschlimmerung) heißt die Veränderung zum Schlechteren, die Gemütsaufregung; alterieren heißt ändern, verschlechtern, aufregen.
alternieren (lat. alternare), heißt sich ablösen, miteinander wechseln; die Alternative ist die (peinliche) Wahl zwischen zwei Dingen; alternative Urteile sind solche Urteile, die für einander gesetzt werden können, ohne daß der Sinn derselben sich ändert: z. B. Brutus hat Cäsar ermordet, oder Cäsar ist durch Brutus gefallen. Vgl. Subalternation.
Altruismus (nlt. v. alter = der andere, vivre pour autrui) nennt A. Comte (1798-1857) die aus der Liebe zum Nächsten hervorgehende Denk- und Handlungsweise. Der Altruismus ist der Gegensatz zum Egoismus. Comte sieht in ihm die Moral der Zukunft, die als einziges sittliches Motiv des Handelns das Wohl des anderen anerkennen wird. Seit 1889 besteht in Nantes eine Altruisten-Gesellschaft. Auch H. Spencer (1820-1904) vertritt diesen Standpunkt, den übrigens schon die englischen Moralisten des 18. Jahrhunderts eingenommen haben. Ein anderer Name für dieselbe Richtung ist Tuismus (s. d.). Vgl. auch Pluralismus.
Alyta (gr. alyta), Unauflösliches, heißen sowohl im allgemeinen die menschlichem Scharfsinn trotzenden Welträtsel, als auch insbesondere die Fangschlüsse der Megariker (Euklides von Megara, Eubulides, Alexinos im 4. Jahrh. v. Chr.), die dadurch unauflöslich wurden, daß man auf jede Frage nur mit Ja oder Nein antworten durfte. Solche Fangschlüsse sind: der Lügner, der Versteckte oder der Verhüllte, die Elektra, der Kornhaufe, der Gehörnte, der Kahlkopf. (Siehe unter den einzelnen Artikeln.)
a maiori ad minus (lat.), vom Größeren läßt sich aufs Kleinere schließen, ist eine gültige Schlußregel; aber es gilt nicht die umgekehrte Regel a minori ad maius.
Amentie (lat. amentia) heißt Sinnlosigkeit, Blödsinn.
amethodisch (gr. amethodos) heißt ohne Ordnung, ohne Weg, ohne Plan, ohne Ziel.
Ambiguität (lat. ambiguitas) heißt diejenige Zweideutigkeit, welche logisch durch unklare Begriffe oder falsch angewendete Worte entsteht.
Amnesie (aus dem Gr. geb.) heißt die Nichterinnerung, Gedächtnisschwäche, während Amnestie (gr. amnêstia) das absichtliche Vergessen oder Verzeihen, die Straferlassung, ist.
Amnestik (aus dem Gr. geb. von amnêstos = vergessen) heißt die Kunst des Vergessens; sie besteht darin, daß man seine Gedanken energisch von der betreffenden Sache ab- und einer andern zuwendet. Vgl. Mnemonik.
Amphibolie (gr. amphibolia) heißt allgemein Zweideutigkeit. Diese kann entweder beabsichtigt sein, wie bei Orakeln, Witzen u. dgl., oder aus Versehen, durch Verwechslung der Begriffe entstehn. – Amphibolie der Reflexionsbegriffe nennt Kant (1724-1804) in der Kr. d. r. V. S. 260-292 die Verwechslung der reinen Verstandesbegriffe mit den Erscheinungen, die Verwechslung des transscendentalen Verstandesgebrauchs mit dem empirischen, er führt aus, daß Leibniz, der die Sinnlichkeit nur für eine verworrene Vorstellungsart hielt, sich dieser Verwechselung schuldig gemacht habe, indem er alle Dinge nur als Verstandesobjekte ansah und so begriffliche Einerleiheit für numerische Identität der Erscheinungen nahm, Einstimmung der Begriffamjilogiae als Beweis des Nichtvorhandenseins des realen Widerstreites ansah, die Dinge, indem er ihnen alle äußere Relation absprach, zu Monaden mit inneren Vorstellungskräften machte und Raum und Zeit nur zu einem Verhältnis der Substanzen herabsetzte, mit einem Worte Inneres und Äußeres, Materie und Form verwechselte und die Erscheinungen intellektualisierte.
Amphilogie (gr. amphilogia) heißt Streit, Wortstreit, Widerspruch.
Amusie (gr. amousia) heißt Mangel an Kunstsinn und Bildung; amusisch heißt ungebildet.
Anaeresis (gr. anhairesis) heißt Wegräumung der Einwände, Widerlegung des Gegners.
Anästhesie (gr. anaisthêsia) heißt Unempfindlichkeit, Gefühllosigkeit, Stumpfsinn. Als Krankheit beruht sie auf der völligen oder partiellen Lähmung der Empfindungsnerven.
Anagke (gr. anankê, sprich Anangke) heißt Schicksal. Siehe unter Schicksal.
Anagoge (gr. anagôgê), eig. Hinaufführung, ist eine Art sinnbildlicher Schriftauslegung, welche, die buchstäbliche Deutung verschmähend, überall Höheres, Himmlisches in derselben ausgesprochen findet. Solche Anagoge trieb z. B. der Alexandriner Philon (20 v. Chr. bis 45 n. Chr.).
Analgesie (gr. analgêsia) heißt Schmerzlosigkeit, Unempfindlichkeit.
Analogie (gr. analogia) heißt Ähnlichkeit, Übereinstimmung in den Verhältnissen. Der Gegensatz ist Anomalie d. i. Regellosigkeit (s. d.). Im Altertum ward, seitdem die grammatische Wissenschaft entstanden war, heftig darüber gestritten, ob Analogie in den Sprachbildungen zu finden sei, oder ob dieselben nur Unregelmäßigkeiten zeigen. Für die Analogie trat namentlich Aristarch von Samothrake (um 170 v. Chr.), für die Anomalie die ganze Schar der Stoiker und vor allem Krates von Mallos (2. Jahrh. v. Chr.) ein.
Analogieschluß (lat. ratiocinatio per analogiam oder argumentatio analogica) heißt ein Schluß, der aus der Ähnlichkeit zweier Dinge in dieser und jener Hinsicht auf ihre Ähnlichkeit überhaupt schließt; man schließt dabei: Dinge, die in mehreren Stücken übereinstimmen (analog sind), werden auch in den anderen und so auch in allen übereinstimmen (analog sein). So schloß Kepler (1571-1630) aus der elliptischen Bahn des Mars, daß alle ihm ähnlichen Planeten ebensolche haben. Die Form des analogischen Schlusses ist:
A ist = a, b, c... n
B ist = A in a und b
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B ist = A auch in c, d ... n.
Es leuchtet ein, daß die Analogieschlüsse ziemlich unsicher sind, besonders wenn die analogen Merkmale unwesentlich sind. Vgl. Induktion.
Analogien der Erfahrung heißen bei Kant (1724 bis 1804) die Grundsätze des Verstandes, welche aussprechen, wie aus Wahrnehmungen Einheit der Erfahrung entspringt. Der allgemeine Grundsatz derselben ist: Alle Erscheinungen stehen ihrem Dasein nach a priori unter Regeln der Bestimmung ihres Verhältnisses untereinander in einer Zeit. Da Beharrlichkeit, Folge und Zugleichsein die drei Modi der Zeit sind, so zerlegt sich der allgemeine Satz in folgende drei: 1. Alle Erscheinungen enthalten das Beharrliche (Substanz) als den Gegenstand selbst und das Wandelbare als dessen bloße Bestimmung, d. i. eine Art, wie der Gegenstand existiert; 2. Alles was geschieht (anhebt zu sein), setzt etwas voraus, worauf es nach einer Regel folgt; 3. Alle Substanzen, sofern sie zugleich sind, stehen in durchgängiger Gemeinschaft (d. i. Wechselwirkung untereinander). – Mit diesen Analogien glaubte Kant den Humeschen Zweifel (vgl. Kausalität) überwunden zu haben. Er hat aber kaum mehr nachgewiesen, als daß diese Sätze ideale Forderungen der wissenschaftlichen Forschung sind (Vgl. E. Laas, Kants Analog, d. Erf. Berlin 1876).
Analogismus (gr. analogiomos)