Unterhaltungen nach Schluß des Geschäfts, wenn die Straßen ruhig geworden und Kasse gemacht war, begeisterten den Tourainer, der, wenn er Royalist wurde, damit nur seiner angeborenen Empfindung gehorchte. Die Erzählung der tugendhaften Handlungen Ludwigs XVI., die Mitteilungen, bei denen sich die beiden Eheleute für die Verdienste der Königin begeisterten, erregten die Einbildungskraft Cäsars. Das schreckliche Geschick dieser beiden gekrönten Häupter, die wenige Schritte von dem Laden entfernt gefallen waren, empörte sein empfindsames Herz und erfüllte ihn mit Haß gegen eine Regierungsform, der es nichts bedeutete, unschuldiges Blut zu vergießen. Sein kaufmännischer Verstand sagte ihm, daß, wenn es zum Äußersten und zu politischen Stürmen kam, die immer den Geschäften schädlich sind, der Handel zugrunde gehen müsse. Außerdem haßte er als echter Parfümhändler eine Revolution, die jedermann mit einem Tituskopf herumgehen ließ und das Pudern abschaffte. Und da nur die Ruhe, die die absolute Herrschaft gewährt, das Geld wieder lebendig machen kann, so wurde er fanatischer Royalist. Als Ragon ihn für geeignet erkannte, machte er ihn zum ersten Kommis und weihte ihn in das Geheimnis der Rosenkönigin ein, wo mehrere Kunden die tätigsten und hingehendsten Emissäre der Bourbonen waren, und von wo aus die Korrespondenz des Westens mit Paris geleitet wurde. Fortgerissen von der Heißblütigkeit der Jugend und begeistert durch die Beziehungen zu den Georges, den la Billardière, den Montauran, Bauvan, Longuy, Manda, Bernier, du Guénis und Fontaine stürzte sich Cäsar in die Verschwörung der vereinigten Royalisten und Terroristen, die am 13. Vendémiaire gegen den in den letzten Zügen liegenden Konvent zum Ausbruch gelangte.
Cäsar hatte die Ehre, gegen Napoleon auf den Stufen von Saint-Roch zu kämpfen und gleich zu Anfang des Gefechtes verwundet zu werden. Jeder kennt den Ausgang dieses Unternehmens. Wenn der Adjutant von Barras dabei aus seiner Obskurität heraustrat, so wurde Birotteau durch die seinige gerettet. Einige Freunde brachten den kriegerischen ersten Kommis in die Rosenkönigin, wo er auf dem Boden versteckt, von Frau Ragon verbunden und glücklicherweise vergessen wurde. Cäsar Birotteau hatte nur dieses eine Aufflammen militärischen Mutes gezeigt. Während des Monats, den seine Wiederherstellung dauerte, stellte er praktische Erwägungen über die lächerliche Verbindung von Politik und Parfümerie an. Wenn er auch Royalist blieb, so beschloß er doch, klar und einfach ein royalistischer Parfümhändler zu sein, ohne sich jemals wieder zu kompromittieren, und sich dem mit Leib und Seele hinzugeben.
Am 18. Brumaire beschlossen Herr und Frau Ragon, die an dem Erfolge der Königspartei verzweifelten, das Geschäft aufzugeben und als ruhige Bourgeois zu leben, ohne sich weiter um die Politik zu kümmern. Um den Preis für ihr Geschäft zu erhalten, mußten sie einen Menschen finden, der mehr Ehrlichkeit als Ehrgeiz besaß, mehr einfachen gesunden Verstand als Begabung. Ragon bot daher seinem ersten Kommis den Kauf an. Birotteau, der mit zwanzig Jahren bereits tausend Franken Rente aus Staatspapieren besaß, zögerte mit der Zusage. Sein Ehrgeiz beschränkte sich darauf, sich bei Chinon niederlassen zu können, wenn er fünfzehnhundert Franken Rente besitzen und der erste Konsul die Staatsschuld konsolidiert haben würde, indem er sich selbst in den Tuilerien konsolidierte. Weshalb sollte er eine anständige bescheidene Unabhängigkeit den Chancen des Handelslebens opfern? Niemals hatte er geglaubt, daß er ein so beträchtliches Vermögen erwerben würde, das er ja auch nur Glücksfällen verdankte, denen man sich allein in der Jugend überliefert; er gedachte also in der Touraine ein Mädchen zu heiraten, das ebenso reich wäre wie er, um dann Les Trésorières kaufen und bebauen zu können, ein kleines Gut, wonach er, seitdem er erwachsen war, sich gesehnt hatte, das er zu vergrößern hoffte, woraus er ein Einkommen von tausend Talern zu erzielen gedachte und wo er in der Verborgenheit ein glückliches Leben führen wollte. Schon wollte er ablehnen, als die Liebe plötzlich alle seine Pläne über den Haufen warf und seine ehrgeizigen Ansprüche verzehnfachte.
Seitdem ihn Ursula verlassen hatte, war Cäsar keusch geblieben, ebensosehr aus Angst vor den Gefahren, die einem in Paris in Liebesangelegenheiten drohen, als infolge seiner Arbeit. Wenn aber die Liebessehnsucht ohne Erfüllung bleibt, verwandelt sie sich in ein zwingendes Bedürfnis; dann wird das Heiraten für die Leute aus dem Mittelstande zu einer fixen Idee, denn nur auf diesem Wege können sie ein Weib erobern und sich zu eigen machen. In diesem Zustande befand sich Cäsar Birotteau. In dem Geschäft der Rosenkönigin lastete alles auf dem ersten Kommis; er hatte keinen Augenblick für Vergnügungen übrig. Bei einem solchen Leben werden jene Bedürfnisse um so dringender, und die Begegnung mit einem hübschen Mädchen, an die ein liederlicher Kommis kaum weiter gedacht hätte, mußte auf den keuschen Cäsar den größten Eindruck machen. Als er an einem schönen Junitage über die Marienbrücke nach der Insel Saint-Louis kam, erblickte er ein junges Mädchen, das vor der Tür eines Ladens an einer Ecke des Quai d’Anjou stand. Konstanze Pillerault war die erste Verkäuferin in einem Modewarengeschäft, der Petit-Matelot genannt, dem ersten dieser Art Geschäfte, die seitdem in Paris mit mehr oder weniger bemalten Schildern, flatternden Wimpeln, Schaufenstern voll von hängenden Schals, Krawatten, die auf Kartenhäusern arrangiert waren, und tausend andern verführerischen Waren, mit festen Preisen, Täfelchen, Anzeigen, optischen Täuschungen und Effekten eine solche Vollkommenheit erreicht haben, daß diese Schaufenster zu wahren kaufmännischen Gedichten geworden sind. Der niedrige Preis aller dieser sogenannten Nouveautés, die man im Petit-Matelot fand, bewirkte einen riesigen Zulauf an dieser für den Verkehr und den Handel am wenigsten günstigen Stelle von Paris. Diese erste Verkäuferin war damals ihrer Schönheit wegen ebenso bekannt, wie es später die schöne Kellnerin des Cafés des Mille-Colonnes und mehrere andere arme Wesen wurden, derentwegen sich mehr junge und alte Nasen nach den Fenstern der Modegeschäfte, Cafés und anderer Läden erhoben, als es Pflastersteine in den Straßen von Paris gibt. Der erste Kommis der Rosenkönigin, der zwischen Saint-Roch und der Rue de la Sourdière wohnte und allein mit seiner Parfümhandlung beschäftigt war, hatte keine Ahnung von der Existenz des Petit-Matelot; denn die kleinen Geschäfte in Paris wissen eins vom andern nichts. Cäsar war von der Schönheit Konstanzens so heftig bewegt, daß er ganz aufgeregt in den Petit-Matelot eintrat, um sechs leinene Hemden zu kaufen, um deren Preis er lange handelte und wobei er sich Stöße von Leinen vorlegen ließ, nicht anders als eine Engländerin,