Honore de Balzac

Honoré de Balzac – Gesammelte Werke


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Bei­ge­ord­ne­ter zu wer­den? Und des­halb, lie­be Frau, da uns ein güns­ti­ger Wind von hin­ten treibt, wie dein On­kel Pil­ler­ault sagt, wenn er ver­gnügt ist, bin ich ent­schlos­sen, al­les bei uns in Ein­klang mit uns­rer ho­hen Stel­lung zu brin­gen. Wenn ich et­was zu be­deu­ten ver­mag, dann will ich auch wa­gen, das zu wer­den, was der lie­be Gott noch mit mir vor­hat, selbst Un­ter­prä­fekt, wenn das mei­ne Be­stim­mung ist. Du bist sehr im Irr­tum, mei­ne Lie­be, wenn du meinst, ein Bür­ger habe dem Va­ter­lan­de ge­gen­über sei­ne Pf­licht ge­tan, wenn er zwan­zig Jah­re lang Par­fü­me­ri­en de­nen, die sie ver­langt ha­ben, ver­kauft hat. Wenn der Staat uns­re Ein­sicht in An­spruch neh­men will, so schul­den wir sie ihm eben­so, wie wir ihm die Mo­bi­li­ar­steu­er, die Tür- und Fens­ter­steu­er und an­de­res schul­den. Hast du denn Lust, im­mer wei­ter in dei­nem Kon­tor zu hocken? Du hast dich dort, Gott sei Dank, lan­ge ge­nug auf­ge­hal­ten. Der Ball soll ein be­son­de­res Fest für uns wer­den. Schluß mit dem De­tail­ge­schäft, das heißt, für dich. Ich wer­de un­ser Schild ›die Ro­sen­kö­ni­gin‹ ver­bren­nen, an Stel­le von ›Cäsar Bi­rot­teau, Par­fü­me­rie­händ­ler, Ra­g­ons Nach­fol­ger‹ wer­de ich ein­fach in di­cken Gold­buch­sta­ben ›Par­fü­me­ri­en‹ set­zen. Ins Zwi­schen­ge­schoß kommt das Bu­reau, die Kas­se und ein hüb­sches klei­nes Zim­mer für dich. Den hin­te­ren Teil des La­dens, das Spei­se­zim­mer und die Kü­che ma­che ich zum Ma­ga­zin. Ich mie­te das ers­te Stock­werk des Nach­bar­hau­ses und bre­che eine Tür da­hin durch. Die Trep­pe wird ver­setzt, so daß ich eine Zim­mer­flucht durch bei­de Häu­ser er­hal­te. Dann wer­den wir eine große, ele­gant mö­blier­te Woh­nung ha­ben! Ja, dein Zim­mer wird neu aus­ge­stat­tet wer­den, du sollst ein Bou­doir ha­ben und auch Cäsa­ri­ne soll ein hüb­sches Zim­mer be­kom­men. Das Kon­tor­fräu­lein, das du en­ga­gie­ren wirst, und dein Haus­mäd­chen (ja­wohl, Ma­da­me, Sie wer­den ein Haus­mäd­chen hal­ten!) wer­den im zwei­ten Stock un­ter­ge­bracht. In den drit­ten kom­men die Kü­che, die Kö­chin und der Haus­die­ner. Der vier­te soll zum großen Ma­ga­zin für Fla­schen, Kris­tall und Por­zel­lan wer­den. Der Raum für un­se­re Ar­bei­te­rin­nen kommt ins Dach­ge­schoß. Dann wer­den die Passan­ten nicht mehr mit an­zu­se­hen brau­chen, wie die Eti­ket­ten auf­ge­klebt, die Pla­ka­te ge­macht, die Fla­kons aus­ge­sucht und die Fla­schen zu­ge­pfropft wer­den. Das war gut für die Rue Saint-De­nis; aber für die Rue Saint-Ho­noré, pfui, das schickt sich nicht. Un­ser Ge­schäft muß aus­se­hen wie ein Sa­lon. Und sind wir denn die ein­zi­gen Par­fü­me­rie­händ­ler, die eine eh­ren­vol­le Stel­lung ein­neh­men? Gibt es nicht Es­sig- und Mostrich­händ­ler, die Kom­man­dan­ten bei der Na­tio­nal­gar­de und bei Hofe gern ge­se­hen sind? Wir wol­len es eben­so ma­chen, wir wol­len un­ser Ge­schäft ver­grö­ßern und uns gleich­zei­tig der vor­neh­men Ge­sell­schaft an­schlie­ßen.«

      1

      »Weißt du, Bi­rot­teau, was ich den­ke, wenn ich dich so re­den höre? Du kommst mir vor wie ei­ner, der sich ohne Not sel­ber Las­ten auf­la­det. Erin­ne­re dich dar­an, was ich dir ge­sagt habe, als es sich um dei­ne Er­nen­nung zum Bür­ger­meis­ter han­del­te: dei­ne Ruhe muß über al­les ge­hen! Du bist, habe ich dir ge­sagt, für die Öf­fent­lich­keit ge­schaf­fen wie mein Arm für einen Wind­müh­len­flü­gel. Die Ehre wür­de dein Un­ter­gang sein. Du hast nicht auf mich hö­ren wol­len, und nun wer­den wir dem Un­ter­gang zu­steu­ern. Wenn man eine po­li­ti­sche Rol­le spie­len will, muß man Geld ha­ben; ha­ben wir denn ge­nug? Wie, du willst dein Schild ver­bren­nen, das sechs­hun­dert Fran­ken ge­kos­tet hat, und auf die ›Ro­sen­kö­ni­gin‹, die dich mit Recht be­rühmt ge­macht hat, ver­zich­ten? Über­laß doch den an­dern den Ehr­geiz. Wer sei­ne Hand in einen Schei­ter­hau­fen steckt, der ver­brennt sie sich. Heut­zu­ta­ge ver­brennt man sich an der Po­li­tik. Wir ha­ben schö­ne hun­dert­tau­send Fran­ken in bar, die nicht in un­serm Ge­schäft, uns­rer Fa­brik und un­sern Wa­ren an­ge­legt sind. Willst du dein Ver­mö­gen ver­grö­ßern, so mach es wie im Jah­re 1793. Die Ren­ten ste­hen zwei­und­sieb­zig, kauf Ren­ten. Du wirst zehn­tau­send Fran­ken Zin­sen ha­ben, ohne daß die­se An­la­ge un­serm Ge­schäft scha­den kann. Dann be­nut­ze das, um uns­re Toch­ter zu ver­hei­ra­ten, ver­kau­fe uns­re Pa­pie­re, und wir zie­hen in dei­ne Hei­mat. Fünf­zehn Jah­re lang hast du von nichts an­de­rem ge­re­det als von dem Kau­fe von ›Les Tré­so­rières‹, dem hüb­schen klei­nen Gut dicht bei Chi­non, wo es Was­ser, Wie­sen, Bäu­me, Wein­ber­ge gibt, mit zwei Meie­rei­en, die tau­send Ta­ler Pacht brin­gen, wo wir bei­de gern woh­nen wür­den, und heu­te, da will der Herr durch­aus ein Re­gie­rungs­mann wer­den? Über­le­ge dir doch, was wir sind: Par­füm­händ­ler. Wenn man dir vor sech­zehn Jah­ren, be­vor du die ›Dop­pel­pas­te der Sul­tan­in­nen‹ und das ›Eau Car­mi­na­ti­ve‹ er­fun­den hat­test, ge­sagt hät­te: ›Du wirst so­viel Geld ha­ben, daß du Les Tre­so­rières kau­fen kannst‹, wür­dest du nicht krank vor Freu­de ge­wor­den sein? Nun, jetzt kannst du die­sen Be­sitz er­wer­ben, nach dem du so be­gie­rig warst, daß du von nichts an­de­rem ge­re­det hast; jetzt aber sprichst du da­von, das Geld für Tor­hei­ten aus­zu­ge­ben, das wir im Schwei­ße un­se­res An­ge­sichts er­wor­ben ha­ben, ich kann wohl sa­gen, un­se­res, denn ich habe die gan­ze Zeit hin­durch im­mer im Kon­tor ge­ses­sen wie ein ar­mes Vieh in der Hun­de­hüt­te. Ist es nicht bes­ser, wenn wir ein Ab­stei­ge­quar­tier bei uns­rer Toch­ter, nach­dem sie die Frau ei­nes Pa­ri­ser No­tars ge­wor­den sein wird, ha­ben und acht Mo­na­te in Chi­non le­ben, als hier nun an­zu­fan­gen, aus fünf Sous sechs Pfen­ni­ge zu ma­chen, und aus sechs Pfen­ni­gen nichts? War­te, bis die Staats­ren­ten stei­gen, dann kannst du dei­ner Toch­ter acht­tau­send Fran­ken Ren­te mit­ge­ben, zwei­tau­send be­hal­ten wir für uns, mit dem Preis für un­ser Ge­schäft kön­nen wir Les Tre­so­rières kau­fen. Dort, in dei­ner Hei­mat, mein lie­ber Al­ter, mit un­sern wert­vol­len Mö­beln, wer­den wir wie die Fürs­ten le­ben, wäh­rend man hier min­des­tens eine Mil­li­on ha­ben muß, wenn man et­was vor­stel­len will.«

      »Das hat­te ich von dir er­war­tet, Frau­chen«, sag­te Cäsar Bi­rot­teau. »Aber so dumm bin ich noch nicht (ob­wohl du mich ja für sehr dumm hältst), daß ich dar­an nicht ge­dacht hät­te. Nun höre mir aber ernst­haft zu. Alex­an­der Crot­tat paßt uns vor­treff­lich als Schwie­ger­sohn, und er wird Ro­gu­ins No­ta­ri­at er­wer­ben; aber meinst du denn, daß er sich mit ei­ner Mit­gift von hun­dert­tau­send Fran­ken be­gnü­gen wird (ich set­ze da­bei vor­aus, daß wir alle uns­re flüs­si­gen Mit­tel für die Hei­rat uns­rer Toch­ter her­ge­ben, was auch mei­ne Ab­sicht ist; denn ich wür­de mich für den Rest mei­ner Tage gern mit trock­nem Brot be­gnü­gen, wenn ich sie glück­lich wie eine Kö­ni­gin se­hen könn­te, also als die Frau ei­nes Pa­ri­ser No­tars, wie du sagst)? Nun, hun­dert­tau­send Fran­ken oder selbst acht­tau­send Fran­ken Ren­te sind nichts, wenn man das No­ta­ri­at Ro­gu­ins kau­fen will. Der klei­ne Xan­d­rot, wie wir ihn nen­nen, hält uns, wie alle Welt, für viel rei­cher, als wir sind. Wenn sein Va­ter, der di­cke Gut­späch­ter, der ein rich­ti­ger Hams­ter ist, nicht auch für hun­dert­tau­send Fran­ken Land ver­kauft, wird Xan­d­rot nicht No­tar wer­den, denn das No­ta­ri­at Ro­gu­ins ist vier- bis fünf­hun­dert­tau­send Fran­ken wert. Wenn Crot­tat nicht die Hälf­te in bar zahlt, wie soll das Ge­schäft zu­stan­de­kom­men? Cäsa­ri­ne muß zwei­hun­dert­tau­send Fran­ken Mit­gift be­kom­men; und ich will, daß, wenn wir uns vom Ge­schäft zu­rück­zie­hen, wir es als wohl­ha­ben­de Bür­ger mit fünf­zehn­tau­send Fran­ken Ren­te tun. Also, wenn du das als son­nen­klar ein­siehst,