unerschütterliche Zuneigung aus, daß sich Frau Birotteau im Innersten bewegt fühlte; aber wie alle Frauen benützte sie die Liebe, die sie einflößte, um die Sache zu ihren Gunsten zu entscheiden.
»Nun also, Birotteau,« sagte sie, »dann laß mich doch auf meine Weise glücklich werden. Weder du noch ich haben eine Erziehung genossen, wir können weder uns unterhalten noch einen Diener machen, wie die Leute der feinen Gesellschaft: und wie sollen wir da in einer öffentlichen Stellung Erfolg haben? Und ich, ich würde so glücklich in Trésorières sein! Immer habe ich die Tiere und die kleinen Vögel gern gehabt, und ich würde so gern mein Leben damit verbringen, für die Hühner zu sorgen und eine Landfrau zu sein. Wir wollen unser Geschäft verkaufen, Cäsarine verheiraten und du laß deinen Größenwahn fahren. Wir werden den Winter in Paris leben, bei unserm Schwiegersohn, wir werden so glücklich sein, und nichts, was in der Politik oder im Handel passiert, wird unsre Lebensweise beeinflussen können. Warum wollen wir denn die andern tot machen? Genügt unser jetziges Vermögen nicht für uns? Wenn du Millionär sein wirst, kannst du dann zweimal Mittagbrot essen? Wünschst du dir noch eine andere Frau als mich? Denk doch an meinen Onkel Pillerault! Der hat sich verständigerweise mit seinem kleinen Vermögen begnügt und verbringt sein Leben damit, andern Gutes zu tun. Braucht der etwa schöne Möbel? Natürlich hast du schon die Möbel für mich bestellt: ich habe Braschon hier gesehen, und er ist sicher nicht hergekommen, um Parfüms zu kaufen.«
»Jawohl, mein Herz, deine Möbel sind schon bestellt und mit den Arbeiten hier wird morgen angefangen; geleitet werden sie von einem Architekten, den mir Herr von La Billardière empfohlen hat.«
»Mein Gott,« rief sie aus, »erbarme dich unser!«
»Aber so sei doch vernünftig, liebes Kind. Willst du dich denn mit siebenunddreißig Jahren, so frisch und hübsch, wie du bist, in Chinon begraben? Ich bin ja auch erst, Gottlob, neununddreißig. Das Glück eröffnet mir eine neue Laufbahn, soll ich sie nicht betreten? Wenn ich mich hier mit der gebotenen Vorsicht bewege, dann kann ich ein Haus begründen, das unter der Pariser Bourgeoisie ehrenvoll genannt wird, wie das früher geschehen ist; dann kann ich die Birotteaus begründen, wie es die Kellers gibt, die Jules Desmarets, die Roguins, die Guillaumes, die Lebas, die Nucingens, die Saillards, die Popinots, die Matifats, die in ihrem Viertel etwas bedeuten oder bedeutet haben. Und wenn noch diese Sache nicht so sicher wie Gold wäre …«
»Sicher?«
»Jawohl, sicher. Seit zwei Monaten habe ich es mir ausgerechnet. Ohne daß jemand etwas gemerkt hat, habe ich über die Bauten im Stadthause und bei den Architekten und Unternehmern Erkundigungen eingezogen. Herr Grindot, der junge Architekt, der unsere Wohnung umändern soll, ist unglücklich, daß ihm das Geld fehlt, um sich an unserer Spekulation zu beteiligen.«
»Weil er die Bauten ausführen will, deshalb drängt er euch dazu und will euch ausnutzen.«
»Lassen sich Leute wie Pillerault, Karl Claparon und Roguin ausnutzen? Nein, der Gewinn ist so sicher wie bei der Sultaninnen-Paste.«
»Aber, Liebster, was hat Roguin denn nötig, zu spekulieren, wenn er auf sein Notariat nichts mehr schuldig ist und ein Vermögen gemacht hat? Ich sehe ihn manchmal vorbeigehen, sorgenvoller als ein Staatsminister, mit etwas Verstecktem in seinem Blick, was mir nicht gefällt; als ob er Sorgen verbergen wollte. Seit fünf Jahren hat er ein Gesicht wie ein alter Bummler bekommen. Wer sagt dir, ob er nicht ausrückt, wenn er euer Geld in der Tasche hat? So was ist schon vorgekommen. Kennen wir ihn denn wirklich genau? Mag er sich immer seit fünfzehn Jahren unsern Freund nennen, ich möchte nicht meine Hand für ihn ins Feuer legen. Denke daran, daß er eine Stinknase hat und nicht mit seiner Frau zusammenlebt; sicher hat er Mätressen, die ihn ruinieren; ich kann mir keinen andern Grund für seine trübselige Miene denken. Wenn ich beim Ankleiden durch die Gardinen gucke, sehe ich ihn morgens zu Fuß nach Hause gehn; niemand weiß, wo er da herkommt. Ich habe den Eindruck, daß er noch einen zweiten Haushalt führt, er bezahlt einen und seine Frau einen. Ist das ein Leben, wie es sonst ein Notar führt? Wenn man fünfzigtausend Franken einnimmt und sechzigtausend ausgibt, dann ist das Vermögen in zwanzig Jahren aufgebraucht und man steht nackt da wie ein neugeborenes Kind; weil man aber daran gewöhnt ist, groß aufzutreten, plündert man ohne Erbarmen seine Freunde aus; jeder ist sich selbst der Nächste. Er ist intim mit dem kleinen du Tillet, diesem Lumpen, unserm früheren Kommis; mir ahnt nichts Gutes bei dieser Freundschaft. Wenn er sich über du Tillet nicht klar ist, dann muß er sehr blind sein; wenn er es aber ist, warum ist er so vertraut mit ihm? Du wirst mir antworten, daß seine Frau du Tillet liebt. Nun, ich halte nichts von einem Manne, der in bezug auf seine Frau kein Ehrgefühl hat. Und schließlich, sind die jetzigen Besitzer dieser Terrains wirklich so dumm, daß sie für hundert Sous hergeben, was hundert Franken wert ist? Wenn dir ein Kind begegnet, das nicht weiß, wieviel ein Louisdor wert ist, wirst du ihm nicht sagen, wieviel er gilt? Eure Sache kommt mir, ohne euch beleidigen zu wollen, wie ein Schwindel vor.«
»Mein Gott, wie komisch seid ihr Weiber manchmal, und wie bringt ihr alle Gedanken durcheinander! Wenn ein Roguin nicht bei der Sache beteiligt wäre, dann würdest du sagen: du willst dich auf etwas einlassen, Cäsar, wo Roguin nicht dabei ist? dann ist die Sache nichts wert. Jetzt tritt er dabei als Garant auf, und nun sagst du …«
»Ich denke, das ist Herr Claparon?«
»Aber ein Notar kann doch nicht mit seinem Namen bei einem Spekulationsgeschäft hervortreten.«
»Weshalb macht er denn dann etwas, was das Gesetz verbietet? Was denkst du denn darüber, du, der du doch immer nur nach dem Gesetze handelst?«
»Laß mich doch ausreden. Weil Roguin dabei ist, soll die Sache nicht gut sein. Hat das einen Sinn? Dann sagst du, er macht etwas Gesetzwidriges. Aber er wird schon offen hervortreten, wenn es nötig ist. Ferner sagst du: er ist aber doch schon reich. Kann man nicht von mir dasselbe sagen? Würden vielleicht Ragon und Pillerault zu mir gekommen sein und gesagt haben: Weshalb beteiligst du dich denn, wo du Geld hast wie ein Schweinehändler?«
»Kaufleute und Notare haben nicht die gleiche Position«, sagte Frau Birotteau.
»Mein Gewissen ist hierbei ganz ruhig«, fuhr Cäsar fort. »Die Leute, die verkaufen, tun das, weil sie dazu gezwungen sind; wir betrügen sie ebensowenig, wie man die betrügt, von denen man Renten zu fünfundsiebzig kauft. Heute kauft man die Terrains für den Preis, den sie heute wert sind; in zwei Jahren ist er ein anderer, wie bei den Renten. Und das solltest du wissen, Konstanze Barbara Josefine Pillerault, daß du Cäsar Birotteau niemals auf einer Tat ertappen wirst, die auch nur im geringsten der strengsten Rechtlichkeit, dem Gesetz, dem Gewissen oder