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Mami Staffel 4 – Familienroman


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Mann nickte. »Dabei wäre mir nichts lieber, als ein ganz normales bürgerliches Leben zu führen«, kam es ihm über die Lippen. »Aber diese Erkenntnis ist mir erst mit den Jahren gekommen. Und verstärkt jetzt, seit ich Sie kenne, Beate…« Mit einem eigenartigen Ausdruck heftete sich sein Blick auf sie. Er ließ Beates Herz rascher klopfen.

      »Das – sollte es nicht, Herr Fabrizius«, sagte sie stockend.

      »Ich denke manchmal«, fuhr er dennoch fort, »wie anders alles wäre mit einer Frau, wie Sie es sind, und in diese Vorstellung von einem anderen Leben schließe ich unsere Kinder mit ein. Man darf doch einmal träumen, oder nicht?« Der Hauch eines Lächelns lag

      um seinen festen, männlichen Mund.

      »Nein«, wehrte Beate ab, der es heiß in die Wangen gestiegen war, »nicht solche Träume. Sie versperren den Blick auf die Realität. Sie sind verheiratet, und Sie lieben Ihre Frau…«

      »Aber wenn meine Frau nun ganz ihre Freiheit haben wollte, wie es mir manchmal schon so vorkommt«, unterbrach er sie, »und wenn ich sie ihr ließe, dann stünde es mir frei, um Sie zu werben, Beate.«

      Sie senkte die Lider. »Darauf kann ich Ihnen nichts erwidern.«

      »Könnten Sie nichts für mich empfinden?« fragte Clemens mit dunkler Stimme. Beate schwieg einen Moment, bevor sie ihn wieder ansah.

      »Doch«, bekannte sie. »Sie sind seit langer Zeit der erste Mann, an dem ich nicht gleichgültig vorübergehe. Aber ich halte mein Herz fest. Ich möchte für Sie und für Sandra, daß Ihre Ehe hält und Ihr kleines Mädchen die geliebte Mutter nicht verliert.«

      Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Sie tranken langsam den Wein, und sie sahen aneinander vorbei, jeder mit seinen Gedanken beschäftigt. Clemens schenkte nochmals ein von dem edlen Tropfen.

      »Ich habe mich schon manchmal gefragt«, begann er endlich, »wieso eine Frau wie Sie allein lebt. Haben Sie Ihren Mann so sehr geliebt, daß es nach ihm keinen anderen mehr für Sie geben kann?«

      »Er war nicht mein Mann, das heißt, ich war nicht verheiratet mit Felix’ Vater. Er hat seinen Sohn auch nie gesehen.«

      »Damit ist meine Frage nicht beantwortet, warum Sie anscheinend nur für das Kind leben. Aber vielleicht rühre ich damit an eine Wunde…«

      »Nein«, sagte Beate ruhig, »ich habe mich einfach für diese Lebensform entschieden, und ich bin nicht unglücklich dabei. Oder haben Sie diesen Eindruck?«

      Clemens Fabrizius schüttelte den Kopf. »Im Gegenteil. Sie wirken so ausgeglichen, daß sich das wohltuend auf andere überträgt. Ganz besonders auf mich, da ich es anders kenne. – Was war das für ein Mann, den Sie liebten? Darf man das fragen?«

      Sie zögerte, dann antwortete sie verhalten: »Sieghaft – strahlend – ungestüm – und hungrig auf das Abenteuer, das Leben heißt.«

      »Mein Gott, und das mußte er so jung verlieren«, bedauerte Clemens. »Ein Schiffsunglück war es, nicht wahr?« Er begegnete Beates irgendwie abwesendem Blick und fügte hinzu: »Ich weiß es ja nur von Sandra, der es Felix erzählt hat.«

      Beate drehte ihr Glas in der Hand. Als sie nichts mehr sagte, hatte Clemens das Gefühl, zuweit gegangen zu sein.

      »Verzeihen Sie… Sie möchten nicht darüber sprechen«, sagte er. Ihr Schweigen galt ihm als Bestätigung. Da lenkte er vom Thema ab. Beate ging bereitwillig darauf ein.

      Nicht viel später stand sie auf, um sich zu verabschieden. An der Haustür sagte Beate: »Das war ein schöner Sonntag, mit unserem Ausflug und dieser Abendstunde noch.«

      »Mit Ihnen ist es immer schön«, gab der Mann zurück, und er sah ihr dabei in die Augen, auf den Mund. Seine Miene verriet, daß er sie gern geküßt hätte.

      Mit einer leichten Bewegung legte ihm Beate die Hand gegen die Wange, strich flüchtig darüber. »Es kann nicht sein, was nicht sein darf«, sagte sie weich. »Gute Nacht, Clemens.«

      *

      Der Vogelkäfig stand auf dem Balkon, Pipsi untermalte mit Flügelschlägen und allerlei Lauten die Unterhaltung der beiden Frauen, die da am Tisch saßen. Drinnen im Wohnzimmer hockten Felix und Uli auf dem Teppich vor dem Bildschirm und amüsierten sich beim Kinderfernsehen.

      »Uli schreibt also wieder gute Noten in der Schule«, sagte Beate, während sie Kaffee einschenkte. »Vorhin, als ihr kamt, hat er mir zugeflüstert, daß zu Hause alles wieder ›super‹ wäre. Ich bin sehr froh darüber, Ingeborg.«

      »Super«, wiederholte Ingeborg etwas gedehnt den gebräuchlichen Ausdruck ihres Sohnes, und ein nicht gerade strahlendes Lächeln huschte dabei um ihren Mund, »wenn Uli das so sieht, ist es ja gut. Seinetwegen reden und lachen wir auch wieder zusammen. Aber es ist doch noch viel trügerischer Schein dabei. Ich fürchte, es wird nie mehr so sein wie früher.«

      »Nie mehr, das darfst du nicht sagen«, hielt Beate der Freundin entgegen. »Du hast ihn tief verletzt mit deinem Treuebruch. So etwas heilt nicht in ein paar Wochen ab. Doch eines Tages wird die Wunde vernarben, um bei dem Bild zu bleiben.«

      »Auch Narben können noch schmerzen«, behauptete Ingeborg. »Bertold hat das Vertrauen zu mir verloren. Er glaubt wohl, daß ich immer noch an den anderen denke.«

      »Aber du bist ganz darüber hinweg?« Nur vorsichtig tastend war diese Frage von Beate gestellt.

      »Ja, Beate. Wenigstens du solltest es mir glauben.«

      Ingeborg seufzte auf. »Mit Fendrich, das war – wie soll ich es nur erklären – wie eine Flamme, die aufgelodert und wieder erloschen ist. Aber mit solchen Vergleichen kann ich Bertold nicht kommen.«

      »Vorläufig muß es euch eben genügen, daß Uli seine Unbefangenheit wiedergefunden hat«, meinte Beate. »Wie schlimm das auch für ihn war, hat man doch daran gesehen, daß er sich zu den Großeltern geflüchtet hat. Haben die eigentlich erfahren, was der Grund für euer Zerwürfnis war?«

      »Nein, Bertold hat mich nicht bloßgestellt. Eine Krise, sagte er nur, und er ging darüber hinweg.« Sinnend rührte Ingeborg in ihrer Tasse. »Ich glaube, er würde sich immer vor mich stellen, vor anderen. Er ist so gut, so charaktervoll.«

      »Wenn du es nur einsiehst«, sagte Beate.

      Später kamen die Buben dazu, es wurde lebhaft auf dem Balkon. Das gefiel dem Wellensittich. »Komm her!« schrie er, und »gib Küßchen!«

      Als es auf halb sechs zuging, mahnte Uli: »Wir wollten Papa doch heute vom Geschäft abholen, Mutti.«

      Sie brachen auf. Beate hieß ihn, Grüße an den Papa zu bestellen. Felix winkte ihnen vom Balkon aus nach. »Mal gut, daß sie sich alle wieder vertragen«, sagte er und machte ein ganz tiefsinniges Gesicht dabei.

      Er blieb noch eine ganze Weile da an der Brüstung stehen, zupfte wohl auch ein paar verwelkte Blüten von den Geranien, die seine Mama hegte und pflegte, ebenso wie den Margeritenstock, der die Ecke zierte.

      Bei alledem stand der große fremde Mann immer noch da unten und sah an dem Haus empor.

      Endlich ging Felix in die Küche, wo seine Mutter beschäftigt war. »Da unten steht ein Mann und guckt immer hoch«, berichtete er. »Was der wohl will, ob der jemand sucht?«

      »Vielleicht.« Beate stellte die abespülten Tassen in den Schrank. »Uns gilt das nicht, Felix.« Sie ließ sich in ihrem Tun nicht stören, nahm sich den Salat und die

      Radieschen für das Abendessen vor.

      »Komm doch mal«, drängte Felix. »Wir können den doch mal fragen. Vielleicht will er zu Müllers. Dann sagen wir ihm, daß die verreist sind.«

      »Du bist ja nur neugierig«, lächelte Beate und folgte ihrem Söhnchen auf den Balkon.

      »Och, jetzt ist er weg«, stellte Felix enttäuscht fest. »Soll ich mal runtergehn, vielleicht steht er noch irgendwo rum?«

      »Aber nein, das machst du nicht. Was geht