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Mami Staffel 4 – Familienroman


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er gegen zwölf Uhr zurückkam, hatte er heiße rote Wangen. »Du, Mami, ich muß dir was erzählen«, platzte er heraus.

      Beate schob die Manuskriptblätter beiseite und blickte auf. Freilich, er hatte ihr doch immer etwas zu erzählen. »Komm mit in die Küche«, sagte sie, »dann kann ich dabei schon das Mittagessen vorbereiten.«

      Ihr Kleiner war ganz zappelig, er konnte es kaum erwarten, loszuwerden, was er erlebt hatte.

      »Stell dir vor, Mama«, er schnaufte ordentlich, »eben hab’ ich den Mann wiedergesehen, der gestern da unten stand. Und er hat mich angesprochen!« Felix machte eine Kunstpause.

      Beate runzelte leicht die Stirn. Fremden Männern, die kleine Jungs ansprachen, durfte man nicht unbedingt vertrauen. »Was wollte er denn von dir?« fragte sie und nahm ein paar Kartoffeln aus dem Korb.

      »Er hat mich gefragt, wie ich heiße, und als ich gesagt hab, Felix Herder, hat er nichts mehr gesagt und mich nur angeguckt. Mir war ganz komisch, Mama, aber echt. Eigentlich wollte ich weitergehen, aber ich konnte ihn auch nicht so stehenlassen. Irgendwie konnt ich das nicht, Mama. Da habe ich ihn dann gefragt, ob er hier zu jemand wollte, oder jemand suchte. Und weißt du, was er da geantwortet hat?«

      »Was denn?« Beate hatte, während ihr Sohn dies hervorsprudelte, den Kartoffelschäler sinken lassen.

      »Er hat gesagt, und deine Mutter heißt Beate. So hat er das gesagt, als hätte er plötzlich was im Hals. Wie findest das, Mama, wo doch unten an der Klingel nur Herder steht?«

      »Wie sieht der Mann denn aus?« wollte Beate wissen. War es nicht, als hätte sie auch plötzlich »was im Hals«?

      »Ja, groß, blond, und ganz blaue Augen hat er. Natürlich hab ich ihn gefragt, ob er dich denn kennen tät, da hat er nur genickt. Dann hat er seine Hand auf meine Schulter gelegt, aber nur so eben, ganz kurz, und dann ist er ziemlich schnell weggegangen. Also das war was…« Felix schüttelte den Kopf.

      Beate war alles Blut vom Herzen geflossen. Für einen Moment mußte sie die Augen schließen. Nils – war das Nils?

      Felix hatte sich auf den Küchenhocker gesetzt. »Eigentlich wollte ich ihn noch fragen, wie er denn heißt«, fuhr er fort. »Dann kennst du ihn ja vielleicht auch, Mami. Kennst du einen Mann, der so aussieht?«

      »Männer von diesem Äußeren gibt es mehr«, antwortete seine Mutter ausweichend. Sie schälte weiter Kartoffeln. Es kostete sie eine Menge, sich zu beherrschen.

      »Vielleicht«, überlegte Felix laut, »kommt er doch wieder. Ja, das glaub ich sogar, denn für was ist er sonst immer hier herum. Dann wirst du ja sehen, wer das ist. Nur, er könnte doch einfach klingeln, nicht?«

      »Nimmst du bitte mal den Blumenkohl aus dem Gemüsefach«, lenkte Beate ihn ab. – Wo sollte Nils denn nur auf einmal herkommen? Konnte es ihm wirklich nach vielen Jahren wieder eingefallen sein, daß er einmal ein Mädchen namens Beate geliebt hatte?

      Und wollte sie es denn, daß er wiederkam?

      Nein, gab sie sich selber darauf die Antwort. Ihr Herz war doch ruhig geworden. Und wie sollte sie denn Felix ihre Lebenslüge erklären.

      Als sie sich zu Tisch setzten, sagte ihr Söhnchen: »Die Sandra ist wieder mal traurig, weil sie nichts von ihrer Mama hört. Ich finde das ja auch ziemlich gemein von der, auch wenn sie noch so doll Klavier spielt und eine Berühmtheit ist.«

      Beate tat ihm Blumenkohl und Kartoffeln auf den Teller und Buttersoße darüber. »Ich kann Sandras Kummer gut verstehen«, meinte sie. Sie dachte auch an den einsamen Mann dort drüben in der weißen Villa.

      »Hmhm…« Felix griff zur Gabel. »Mama, ich hab’ versprochen, am Nachmittag nochmal zu kommen, damit sie nicht immerzu da dran denkt. Sonst ist sie doch allein mit der Frau Scholl, bis ihr Papa aus der Klinik kommt. Und du mußt ja auch arbeiten, nicht?«

      »Ja, Schatz, tröste deine kleine Freundin nur ein bißchen«, nickte Beate.

      War es ein Wunder, daß sie an diesem Nachmittag mit ihrer Übersetzungsaufgabe nicht weiterkam? Zu groß war ihre innere Unruhe geworden, als daß sie sich hätte darauf konzentrieren können.

      Eigenartig – sie war jetzt fast sicher, daß Nils in der Stadt war, in ihrer Nähe. Nils Eckert, der blonde Seemann wie aus dem Bilderbuch, dessen Fernweh größer gewesen war als seine Liebe zu ihr.

      Ich komme bald wieder, hatte er ihr unter heißen Küssen geschworen in ihrer letzten Nacht, da es ihr doch fast das Herz zerriß, daß sie ihn gehen lassen sollte. Und sie hatte ihm blind vertraut.

      Aber er war nicht zurückgekommen.

      In den ersten Monaten schickte er noch bunte Ansichtskarten aus fernen Hafenstädten, aus Hong-kong, China und Shanghai. Nur noch diese Fahrt, liebste Beate, dann baue ich uns auf dem Festland ein Haus.

      Doch auch diese gelegentlichen Lebenszeichen waren versiegt.

      Allein war sie gewesen, als ihr Sohn geboren worden war, der auch sein Sohn war und ihm bis aufs Haar glich. Aber davon wußte er nichts. Und die Jahre waren vergangen, und sie war glücklich mit ihrem Felix.

      Daß sie dem Kind erzählt hatte, sein Vater sei mit dem Schiff untergegangen, sollte es nur schützen vor quälenden Gedanken und Fragen.

      Beate schrak empor, als ein

      kurzes Klingelzeichen, nur wie angetippt, an ihr Ohr drang. War er das, Nils? Sekundenlang saß sie noch wie festgebannt, dann ging sie, von widerstreitendsten Gefühlen erfüllt, an die Tür, um zu öffnen.

      Sie horchte auf die Schritte, die die Treppe heraufkamen.

      Dann stand er vor ihr, kaum anders, als sie ihn in Erinnerung hatte. Nur ausgeprägter, männlicher die Gesichtszüge. Freilich, er war nicht mehr vierundzwanzig, sondern ein Mann um die Dreißig.

      »Guten Tag, Beate.«

      »Guten Tag, Nils.«

      Sie gaben sich nicht die Hand, sie sahen sich nur stumm an.

      Dann trat sie beiseite, um ihn einzulassen.

      »Ich habe Tage gebraucht, um den Mut zu finden, bei dir zu klingeln«, sagte Nils Eckert mit belegter Stimme. »Ich sah den Jungen auf dem Balkon. Heute morgen habe ich ihn angesprochen, er wird es dir erzählt haben.«

      »Ja. Ich dachte mir gleich, daß du es wärst, als er dich beschrieb. So sehr ich mich auch wundern muß, daß ich dir überhaupt noch einmal in den Sinn gekommen bin.«

      »Warum hast du es mich nicht wissen lassen, daß wir einen Sohn haben, Beate?« stieß Nils hervor.

      Mit einem kühlen Blick sah Beate ihn an. »Auf deine spärlichen Kartengrüße hin, die schon nach einigen Monaten ganz ausblieben?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Nils. Ich wollte doch nicht einen Mann unter Druck setzen, dem ich nichts mehr galt.«

      Nils wandte den Blick beiseite. »So war es ja nicht… Ganz vergessen konnte ich dich nie.«

      »Ach, wirklich?« Der Anflug eines bitteren Lächelns spielte um Beates Mund. »Davon habe ich aber nichts gehabt. Jetzt läßt sich das leicht sagen, nicht wahr?«

      »Es wäre alles anders gekommen, wenn ich gewußt hätte, daß wir einen Sohn haben«, stieß Nils hervor.

      »Du sprichst immer: wir, wir haben einen Sohn«, hielt sie ihm entgegen. »Es war in all diesen Jahren nur mein Sohn.«

      »Und was weiß Felix von seinem Vater?« Nils’ Augen brannten. »Er muß doch danach gefragt haben.«

      Beate trat ans Fenster. Wie blind starrte sie hinaus. »Ich habe ihm erzählt, daß du bei einem Schiffsunglück ums Leben gekommen wärst«, erklärte sie tonlos.

      »Er hält seinen Vater für tot?« fragte Nils erregt. »Wie konntest du ihm eine solche Lüge auftischen!«

      Beate fuhr herum. »Was sollte ich denn tun? Sollte ich ihm sagen, dein Vater hat mir das Blaue vom Himmel versprochen, und dann ist er gegangen und