G.F. Barner

G.F. Barner 1 – Western


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sonst entwischt er uns. Und dann können wir uns gleich aufhängen. Du weißt doch, wie gut er schießen kann, oder? Nein, geschossen wird gar nicht, kein einziger Schuß, Charly. Komm jetzt, wir müssen uns morgen am hellen Tag in Trinidad sehen lassen.«

      »Am Tag reiten?« wunderte sich Charly. »Warum das denn?«

      »Weil es sein muß, Junge. Keine Angst, wir schlafen bis zum Mittag, dann haben wir die Nacht noch vor uns und sind munter. Es wird klappen, sage ich dir. In drei Tagen könnte der Kerl wieder hier sein. Bis Wagon ­Mound und zurück – ein halber Tag Rast – ja, drei Tage dürfte er brauchen.«

      »Wie du das weißt«, staunte Charly. »Du bist doch verdammt schlau, Morty.«

      »Bin ich«, nickte Mort Dillon grinsend. »Und ob ich das bin. Logan, der verdammte Hund, wird das schon bald merken. Also, reiten wir!«

      Mort Dillon erinnerte sich noch sehr gut an den Tag im Sommer vor zwanzig Jahren, als er am hellen Mittag in den Hühnerstall von Nachbar Wilson gestiegen war und vier Hühner geholt hatte. Damals hatte er sich – er war gerade neun Jahre alt gewesen – einen Stahldraht genommen, eine Öse an ein Ende gebogen, zwei dicke Maiskörner auf den Draht gespießt und danach eine Schlinge geformt. Diese Schlinge hatte er durch die kleine Klappe des Stalles gehalten und gerade noch durch das kleine Loch beobachten können.

      Mort Dillon grinste heute noch stolz, wenn er sich seines Einfalles erinnerte. Das erste Huhn hatte gak­kernd an dem schönen Maiskorn gepickt, Mort die Schlinge blitzschnell zugezogen und nur noch das leise und ersterbende Gekrächze des dummen Huhnes gehört. Nach einem Ruck war es gestorben und dann in den Sack gewandert.

      »Junge«, hatte ihn sein Vater gelobt. »Du hast doch verdammt das Gehirn eines Teufels!«

      Dieser Satz war Mort Dillon nie aus dem Kopf gegangen. Er hatte das Gehirn eines Satans, das stand fest. Spätestens in drei Tagen sollte jemand erfahren, daß er wirklich ein geradezu teuflisches Gehirn besaß!

      *

      Der Grauschecke, dessen schwarzgraue Flecken nachts und oft genug auch am Tag mit einer Felswand verschwammen und ihn unsichtbar machten, schnaubte jäh, ehe er kurz stieg.

      Marshal Bill Logan duckte sich blitzschnell, zog das Gewehr mit einem Ruck aus dem Scabbard und verschmolz mit dem Pferd, ehe er ihm die Hacken eindrückte und es scharf nach links zwischen die Büsche lenkte.

      Die Unruhe steckte jetzt schon seit Stunden in Logan. Er war durch Comanche geritten, hatte von Tom Pillar gehört, daß die Dillons bereits vor drei Tagen Comanche verlassen hätten und dachte immer noch an Charlys wilden Ausbruch und den Haß in seinen Augen.

      »Ruhig!« sagte Logan leise. Er war hart an der Wand des Canyons geritten, immer bereit, sofort im Schatten zu verschwinden, aber vor ihm rührte sich nichts.

      Der Raton Paß lag wie ausgestorben im fahlen Mondlicht. Seit einer Stunde war Logan keinem Wagen oder Reiter begegnet.

      »Still, Arrow«, flüsterte Logan. »Nicht rühren, bleib stehen!«

      Bill Logan glitt aus dem Sattel in das dichte Laub der Büsche. Jetzt hatte er volle Deckung, schlich ganz an die Felswand heran und sah sich sichernd um. Hundert Schritt vor ihm begann der steile Anstieg der Paßhöhen. Dahinter wuchs das sogenannte Raton-Pass-Tor wie aus zwei gewaltigen Pfeilern in den Berg gerammt, in den nächtlichen Himmel. Genau zwischen den Pfeilern stand der bleiche Mond und schickte sein Licht in den Canyon. Die rechte Wand war so hell, daß der Marshal alle Einzelheiten bis zur kleinen Biegung des Passes erkennen konnte. Nur die linke Wand hatte noch Schatten, aber der Mond wanderte weiter von Ost nach West. In einer Viertelstunde würde er die absolute Paßhöhe ausleuchten, dann gab es keine Schatten an den Wänden mehr.

      Über Logan stieg das Gelände zwar steil, aber für Pferde gut begehbar an. Erst nach zweihundert Schritten begann das völlig zerklüftete Klippengelände. Genauso sah es auf der Ostseite des Passes aus – Buschwald, dazwischen Felsen und einzelne hohe Bäume.

      Sie sind hier, dachte Logan, sie warten, oder? Ich hätte nicht über den Raton Paß reiten brauchen, ich hätte einen Umweg machen können, aber sie sollen nicht denken, daß ich feige bin. Meine Ahnung – meine Ahnung!

      Nichts zu sehen, alles totenstill, nicht mal ein Nachtvogel, der sein Krächzen hören ließ. Logan überlegte, während sein Blick über die Kante des Canyons wanderte, was die Dillons getan haben könnten. Daß sie ihn töten wollten, war ihm klar, aber so schnell nach ihrer Entlassung?

      Arrow, der Hengst, den er vor sechs Jahren am Cochetopa Paß nach zwei Wochen Jagd gefangen und dann in drei Monaten gezähmt hatte, bewegte sich im Schritt aus den Büschen.

      »Bleib stehen!« zischte Logan. »Arrow – zurück!«

      Der Hengst schnob verärgert. Manchmal gehorchte der mächtige Hengst nicht, dann wollte er seinen Kopf durchsetzen. Und das tat er nie ohne Grund. Das Tier hatte irgend etwas, kein Zweifel. Es witterte, aber was? Menschen – die Dillons?

      Logan beobachtete nur den Hengst. Der schob sich aus den Büschen, senkte den Hals, seine Nüstern glitten über den Boden. Eine Spur?

      Jetzt warf er den Kopf hoch und schnob erregt. Dreimal dieses Kopfhochwerfen, das wie so vieles bei diesem unheimlich klugen Tier seine Bedeutung hatte.

      »Ich soll kommen?« murmelte Logan, der genau verstand, was dieses Zeichen sagen sollte. »Du scharrst mit dem Huf? Warte, ich komme!«

      Gleich darauf kauerte er neben dem Kopf des Pferdes. Der Hengst prustete die kahle Felsstelle vor den Büschen an.

      »Was ist da?« fragte Logan. »Hierhier? Du gehst weiter, du zeigst mir etwas? Was denn?«

      Logan legte sich hin. Im gleichen Moment sah er das schwache Glitzern und daneben winzige Kratzer, ein paar zerriebene Felsteilchen – eine Spur! Jetzt begriff er, was der Hengst gewittert hatte. Hier hatte eine Stute uriniert. Das war das ganze Geheimnis, das sich hinter Arrows Verhalten verbarg. Eine Stute hatte uriniert, eine rossige Stute.

      »Du verrückter Kerl!« schimpfte Logan. »Mir einen solchen Schreck in die Knochen zu jagen! Ich dachte schon, hier lauert jemand. He – he. Wohin? Du bist wohl wahnsinnig, du kannst eine Frau haben, wenn du willst, aber nicht jetzt!«

      Der Hengst war mit einem Satz auf dem ansteigenden Felsband, trabte oben zwischen zwei Felsblöcken durch und schnob erregt.

      »Der schafft mich noch mal«, sagte Logan kopfschüttelnd. »Ich soll nachkommen, ich! Das ist ein Witz! Du blöder Kerl, du kommst zurück, los, komm schon!«

      Der Hengst dachte nicht daran, er scharrte oben mit den Vorderhufen. Was Stuten anging, war er wirklich verrückt, dieser Bursche. Als Leithengst eines Rudels von elf Stuten hatte er einmal eine Menge Arbeit gehabt, wahrscheinlich auch genausoviel Vergnügen. Leithengste machten oft, wenn ihre Stuten an einem sicheren Platz standen, Ausflüge, regelrechte Neugierigkeitsritte in das Revier eines anderen Hengstes. Dann kam es zu Hengstkämpfen, bis ein Hengst aufgab und floh. Bei einem dieser Hengstkämpfe, aber an der eigenen Herde, hatte Logan Arrow damals überraschen können. Wenn Hengste kämpften, sahen und hörten sie nichts anderes.

      Arrow trug, wahrscheinlich voller Stolz, etliche Biß- und Hufnarben. Er mußte sich oft an fremder Hengste Stuten gemacht haben – und Logan war sicher, daß er sie besiegt hatte.

      »Du bist ein Mistvieh!« sagte Logan grimmig. »Einen Tag keinen Braunzucker als Strafe, weil du mich erpressen willst, verstanden? Ich werde dir helfen, mein Freund – das Frühlingssehnen treibe ich dir jetzt aus.«

      Er ging ihm nach und griff in die Tasche. Der Hengst nahm sofort den Kopf herum und zog die Oberlippe über die Zähne. Logan zeigte ihm das Stück Zucker, dann steckte er es blitzschnell wieder ein. Arrow blickte ihn aus seinen großen braunen Augen zuerst richtig beleidigt, dann jedoch traurig an.

      »Kein Zucker!« sagte Logan und schüttelte langsam den Kopf. »Keinen Zucker für den Erpresser, ist das klar?«

      Eine Hand kam und griff um seinen Hals, die zweite packte nach und würgte. Genau das fühlte Logan jetzt,