G.F. Barner

G.F. Barner 1 – Western


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waren. Eins – zwei – und hinter der zweiten die dritte.

      »Arrow«, sagte er gepreßt. »Arrow, da unten nur etwas zerriebener Fels und die Urinspur. Von unten hätte ich nie gesehen, was hier oben ist. Auch diese Spur ist abgedeckt, so vorsichtig abgedeckt, wie es nur jemand macht, der unsichtbar bleiben will. Hier hat die Stute nochmals uriniert, was? Da war ein feuchter Fleck auf den Felsen, als ein Mann den Steinstaub über den Urin streute. Zwischen den Felsen lag schon Steinstaub, aber nicht so viel, so ist das gewesen. Er hat gedacht, das gibt einen verkrusteten Fleck, darum hat er noch eine Ladung geholt und daraufgestreut. Herrgott, am Tag ist das nicht oder nur sehr schwach zu sehen. Man reitet glatt vorbei, man geht über sie hinweg. Arrow, drei Pferde?«

      Logan blieb wie erschlagen liegen. Der Hengst kam und stieß ihn mit dem Maul an. Dieses Spiel hatten sie geübt – aufwecken! Steh auf, du hast genug geschlafen, wie?

      »Du Himmelhund«, zischte Logan. »Ich entschuldige mich, Arrow, du bekommst zwei Stück Braunzucker, du verdammter Bursche. Drei Pferde, zwei Reiter, oder ich bin nicht bei Verstand. Das sind sie gewesen. Sie haben ihre Spuren so gut verwischt, daß sie nicht mal Pacco Segali finden würde, der ritte hier glatt vorbei, ich auch. Unten am ersten Urinfleck ist glatter Fels, da verdunstet alles und hinterläßt keine Spur. Das Glitzern sieht niemand – Fels glitzert auch an manchen Stellen, ohne daß jemand darauf uriniert hat. Darum brauchen sie sich nicht kümmern, aber hier oben, da haben sie es ganz gründlich gemacht, darin sind sie beide Meister. Charly mag noch so dumm sein…

      Er nahm den Zucker, schob ihn Arrow zwischen die Lippen.

      »Da, du Ungeheuer. Gehen wir mal ein Stück hoch, ob wir noch etwas finden.«

      Er fand nichts, doch der Hengst zeigte ihm den Weg, der trottete mit gesenktem Hals und heftig schnaufend, als wäre er ein Hund, der am Boden schnüffelte, um drei, vier Felsen.

      »Hier sind sie herauf? Was meinst du, haben sie uns schon gesehen? Nein, ich denke nicht. Sie werden hinter der Biegung lauern, nicht hier oben, denn dann müßten sie, wenn ich käme, bis hinter die Biegung oben zurück und hinterließen wieder Spuren. Die liegen da oben ganz ruhig und warten, bis sie den Hufschlag hören. Da sie Nachttiere sind, schlafen sie jetzt nicht, sie sind hellwach. Wollen wir sie von hinten packen, Arrow?«

      Arrow legte den Kopf schief und schien zu überlegen. Die Stute reizte ihn bestimmt, aber Logan dachte an die Gefahr für den Hengst. Die Dillons haßten das Tier mindestens genauso wie ihn. Sahen sie ihn, würden sie ihn sofort erschießen. Noch einmal ließ sich Charly Dillon nicht von den Hufen Arrows traktieren, der hatte für alle Zeit genug von Hufschlägen.

      »Komm!« sagte Logan. »Sollen sie dort oben nur liegen, wir lassen sie in Ruhe. Ich weiß jetzt, daß sie warten, ärgern wir sie lieber, Alter, was? Komm!«

      Er saß auf und nahm den Hengst herum. Dann ritt er zuruck, bis er an den Waldrand unterhalb des Passes kam, schwenkte ab, wich im Bogen nach rechts aus und grinste.

      »Wenn wir drüben sind und den Paß umgangen haben«, lachte Logan leise, »schieße ich in die Luft – dreimal, verstehst du? Dann fahren sie hoch und wissen, daß ich den Trick durchschaut habe und du mich gewarnt hast. Dann ärgern sie sich schwarz, die Halunken.«

      Einen Moment dachte er an Scarlett. Sie hatte ihn, als er mit dem toten Burton aufgebrochen war, am Arm gefaßt und zu ihm hochgeblickt.

      »Bill, gehen Sie den Kerlen aus dem Weg. Ich will nicht, daß Ihnen etwas zustößt.«

      »Na, was wäre dann schon groß?« hatte er sie gefragt. »Sie bekommen schon einen Mann – vielleicht einen mit viel Geld, irgendeinen Viehzüch­tersohn. Geld zu Geld, wie? Wer heiratet denn einen armen State-Marshal, der schlecht bezahlt wird und keine großen Ersparnisse hat?«

      »Du bist ein Ekel, Bill Logan, du bist abscheulich!«

      »Und du bist noch schöner, wenn du richtig wütend wirst«, hatte er gegrinst. »Ich komme dich mal besuchen.«

      »Ich jage dich von der Ranch, du eingebildeter Affe! Bill – sieh dich vor, bitte!«

      »Ja, Liebling!«

      Sie war flammend rot geworden und hatte zu Boden gesehen. Und er war davongeritten, irgendein verrücktes Gefühl zwischen Brustbein und Bauchnabel.

      Einundzwanzig Meilen vom Paß bis zur Parkinson Ranch, dachte Logan, ich könnte vorbeireiten, aber ich werde es nicht tun. Edward, ihr Bruder, ist keine Woche tot. Er war ein guter Junge, aber nicht sehr hart. Den hat die rauhe Art seines Vaters immer mehr verschreckt als mutig gemacht. Es ist doch seltsam, daß Töchter so oft im Charakter auf ihre Väter schlagen. Scarlett ist nach außen rauhbeinig bis zur Grobheit, aber innerlich ist sie prächtig. Wenn ich hinreiten würde, würde es passieren. Und passiert es zwischen uns, das weiß ich seit fünf Jahren zu genau, ist mein Verstand im Eimer.

      Logan fluchte leise, er kannte sich, er glaubte auch Scarlett zu kennen. Sie würde Höllenqualen leiden, wenn er dann davonritt. So hart sie auch wirken mochte, sie würde tagelang heulen.

      »Seit vier Jahren«, sagte er laut und bissig, »überlege ich etwas, was ich nie denken dürfte. Ich überlege mir, ob ich die Dillons nicht einfach irgendwo stellen und in der Einsamkeit der Berge auffordern soll zu ziehen. Danach sind sie tot, ich komme nach Denver und mache meinen Bericht, daß sie auf mich geschossen und beide ins Gras beißen mußten. Verdammt noch mal, ich sollte es tun, dann wäre es vorbei, aber ich bringe es nicht fertig – ich Narr!«

      Es war ein Fehler, niemand wußte das besser als er. Die Dillons hatten den Tod zehnfach verdient. Vielleicht mußte er sich eines Tages, in den letzten Sekunden seines Lebens, den Selbstvorwurf machen, daß er sie nicht einfach über den Haufen geknallt hatte.

      Marshal William Logan spie aus. Er hatte einen gallebitteren Geschmack im Mund und wußte, daß er ein Narr war. Es sollte nur zehn Minuten dauern, dann wußte er es mit absoluter Sicherheit – er war der größte Narr unter der Sonne!

      *

      Der Hengst schrie, er wieherte nicht. Es war ein trompetenhafter Schrei, den Arrow ausstieß, ehe er herumwirbelte und ansprang. Der wilde Sprung des Pferdes, der ohne Vorwarnung kam, warf Logan nach hinten, aber er konnte sich halten und kam sofort wieder in den richtigen Sitz. Hinter ihm brach die Hölle los, nur erkannte er sie erst drei Sekunden später. Während Arrow lospreschte, als säße ihm der Teufel oder ein Schwarm Hornissen auf der Kruppe, begann das Dröhnen hinter Logan.

      Ein Blick zurück und schräg nach oben, wo der Steilhang gegen den Nachthimmel strebte, zeigte ihm die tödliche Gefahr, der Arrow zu entkommen suchte.

      Am Steilhang donnerte eine Steinlawine los. Es mußte eine mächtige Bruchstelle am oberen Rand sein, denn die Lawine war oben schon gut neun bis zehn Schritt breit. Das Geröll am Hang setzte sich jetzt in Bewegung, es riß keilförmig ab und löste sich in der Form eines umgekehrten V-Zeichens, das auf dem Kopf stand und immer mehr nach den Seiten gespreizt wurde.

      Dort oben wallte eine Staubfahne hoch, die im Mondlicht silbrig glänzte, aber rasend schnell dunkelgrau wurde.

      »Lauf, Arrow, lauf!« keuchte Logan. Er sah, wie breit die Lawine unten sein würde und daß sie ihn und Arrow mit ihren Ausläufern noch erreichen konnte. Doch der Hengst flog davon. Er schien zu ahnen, was ihnen drohte…

      Schon war Logan beruhigt, schon wollte er seinem aufmerksamen und klugen Pferd lobend den Hals tätscheln, als es vor ihm krachte und der Hengst jäh stieg.

      In dieser Sekunde erkannte der Marshal, daß er in eine Falle geritten war, aus der es kein Entkommen geben konnte. Mort Dillon, der Mann mit dem Gehirn eines Teufels, hatte sie geplant. Alles, was er mit seinem Bruder getan hatte, war sorgfältig und bis in die letzte Einzelheit von ihm bedacht worden. Es war ein unheimliches Gefühl für Logan, so gut wie hilflos das mit ansehen zu müssen, was vor ihm geschah.

      Die zweite Steinlawine brach über den oberen Rand des Tales und donnerte auf den Steilhang vor Logan herab. Jetzt begriff der Marshal die ganze Teufelei des Planes. Mort Dillon bediente sich der Naturgewalten. Er brauchte sie nur auszulösen, um dann zuzusehen, wie sie über Logan hereinbrachen.