Joanne Bischof

Mein Herz hört deine Worte


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ausführte. Dieser antwortete. Eine Art der Kommunikation, schnell und fremd.

      „Ich – das habe ich nicht gewusst“, sagte Ava und hoffte, dass sie die beiden nicht unterbrach.

      Haakon zuckte mit den Schultern. „’tschuldige dafür. Wir sind so an seine Art gewöhnt, dass wir vergessen, dass andere es nicht sind.“ Er griff nach seiner Gabel und spießte eine Kartoffel auf.

      Mit der Handwurzel rieb Thor sich die Stirn. Nachdem er sich das Glas mit Schnaps geschnappt hatte, drehte er den Deckel ab und goss sich die bernsteinfarbene Flüssigkeit in den Kaffee.

      Eine solche Menge, dass selbst Haakon zu kauen aufhörte. „Langsam, Thor“, sagte er.

      Thor warf ihm einen finsteren Blick zu.

      Jorgan kam in die Küche geeilt und schob sich eine Streichholzschachtel in die Hemdtasche. Freundlich lächelte er Ava an. „Ida sagte mir, dass Sie mit mir sprechen wollten.“

      „Richtig“, nickte Ava. In ihr regte sich der verzweifelte Wunsch nach Sicherheit. Sie wollte herausfinden, was sie tun sollte. Wissen, was für einen Platz sie hier hatte. Würde sie überhaupt einen Platz hier haben? Oder wäre es besser, wenn sie weiterziehen würde? Sollte sie bleiben, würde das Wort darüber die Runde machen. Die Leute würden ihre ganz eigene Meinung darüber haben, dass sie hier allein mit drei unverheirateten Männern lebte. Und das würde dem Ruf dieser Familie nicht gerade guttun, die sie doch so freundlich aufgenommen hatte. Jorgan schaufelte sich Essen auf einen Teller. „Lassen Sie mich erst Haakon und Thor loswerden, dann können wir uns hinsetzen und reden“, sagte er. „Danke“, antwortete Ava knapp und fügte dann hinzu: „Ihr Bruder und ich sind uns einig geworden, dass wir uns duzen sollten.“

      Jorgan nickte und ließ sich dann am Ende des Tisches nieder. Sogleich wandten er und seine Brüder sich dem Essen zu. Ava fühlte sich wie immer vollkommen fehl am Platz, trotzdem versuchte sie es den Männern gleichzutun. Nach ein paar Minuten Stille klopfte Haakon neben Thor auf den Tisch, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Wieder machte er mehrere dieser Handbewegungen – sie reihten sich so weich und nahtlos aneinander, dass es sich wohl um einen Satz handeln musste. Ohne eine Miene zu verziehen, blickte Thor auf die Hände seines Bruders. Dann musste Haakon etwas über Ava gesagt haben, denn Thors Blick glitt zu ihr hinüber. Ava saß sehr still.

      Mit zwei seiner Fingerknöchel fuhr Thor sich über den Bart. Seine braunen Augen ruhten immer noch auf Ava, als er nach dem Zinnbecher griff und den Inhalt – der aus mehr Alkohol als irgendetwas anderem bestehen musste – hinunterstürzte.

      „Wenn es dich beruhigt, kannst du Guten Morgen zu ihm sagen“, meinte Haakon, der seinen leeren Teller zurückschob. „Du kannst es ihm sagen, wenn er dich ansieht, oder du kannst es ihm zeigen“, ergänzte er. Daumen und Zeigefinger einer Hand legte er zusammen und spreizte dann die Finger beider Hände auseinander, um mit ihnen eine aufgehende Sonne zu symbolisieren. „Guten Morgen“, sagte er dazu.

      Thor blickte nun Haakon an. Nein … er starrte ihn an. Dann fiel sein Blick wieder auf Ava. Plötzliche Panik überfiel sie und brachte sie dazu, ein „Guten Morgen“ hervorzupressen. Viel zu laut. Sie zuckte zusammen.

      Grinsend warf Haakon seine Serviette auf den Tisch. „Du musst nicht brüllen.“ Mit zusammengezogenen Brauen klopfte Thor zweimal auf den Tisch und Haakon erklärte: „Sie hat es fast geschrien.“

      „Halt den Mund, Haakon“, murmelte Jorgan, während er eine Kartoffel zerkaute. Thor schob seinen Stuhl zurück und stand auf.

      „Habe ich ihn beleidigt?“, fragte Ava und Thor zuckte zusammen, als hätte sie es mit dieser Frage nur noch schlimmer gemacht.

      „Nee. Thor ist morgens immer übel gelaunt“, meinte Haakon und schielte zu Jorgan hinüber, als würde er dessen Einspruch erwarten. „Er schiebt es immer auf die Kopfschmerzen, aber ich glaube, dass das einfach seine Persönlichkeit ist“, fügte er hinzu.

      Thor polterte aus der Küche in den anliegenden Raum, kehrte aber nur Sekunden später wieder. Ein Gewehr lag über seiner strammen Schulter. Er schickte eine scharfe Handbewegung in Haakons Richtung und marschierte dann nach draußen.

      Haakon stand auf und deutete auf ihn. „Siehst du, wenn ich das jemals gesagt hätte, hätte ich sofort meinen Mund mit Seife ausgewaschen bekommen.“ Er trat hinaus auf die Veranda, während Jorgan sein Grinsen hinter dem Kaffeebecher zu verstecken versuchte.

      Voller Angst, sie könne Thor in irgendeiner Weise beleidigt haben, sammelte Ava die leeren Teller ein und stapelte sie. In der Waschschüssel wusch sie die wenigen Teller ab. Durch das Fenster beobachtete sie, wie Thor zwei Stuten aus dem Stall führte. Mit Haakons Hilfe sattelte er sie.

      „Wohin gehen sie?“, wollte Ava wissen.

      „Reiten die Grenzen ab. Thor macht sich Sorgen, dass jemand auf unserem Land herumstreunen könnte, und will sich umsehen“, erklärte Jorgan.

      „Oh“, sagte Ava bloß.

      „Ida ist im Garten“, sagte Jorgan.

      Ava hatte nicht gefragt, aber sie empfand die Erwähnung von Idas Verbleib als sehr aufmerksam. Sie beobachtete Haakon und Thor, die, ohne zu sprechen, miteinander arbeiteten. Plötzlich bemerkte Ava, dass der Teller auf den sauberen Boden tropfte, und sie wandte sich auf der Suche nach einem Handtuch um. Weil sie nicht wusste, wohin das Geschirr gehörte, stapelte sie die trockenen Teller auf dem Tisch.

      „Erzähl mir etwas über dich, Ava“, bat Jorgan, als er den Stapel in einem Wandschrank verstaute.

      Ava schüttelte die Kaffeekanne, um zu sehen, ob sie leer war. Während sie sie abwusch, erzählte sie von ihrem Leben mit Benn in der kleinen Wohnung über einer Bäckerei.

      „Wie du sicher weißt, hat er in der Nähe des Hafens beim Bau von Booten mitgearbeitet. Derweil habe ich genäht.“ Ava hatte gelernt, innerhalb einer Woche ein schaufensterwürdiges Kleid zu nähen. Wenn es etwas gab, das sie sich von ihrer Mutter abgeschaut hatte, dann war es Effizienz und der Blick fürs Detail.

      Warum sie gerade mit dem Nähen auf Jorgans Frage geantwortet hatte, wusste Ava nicht. Vielleicht, weil es weniger erschütternd war als der Rest ihres Lebens.

      „Und wie hast du diese Fähigkeit erlernen können?“, wollte Jorgan wissen.

      „Meine Mutter war Dienstmagd – Schneiderin für einen Lord und seine Frau. Wir haben in einem großen Anwesen auf dem Land nördlich von Dublin gelebt, aber da war ich noch sehr jung. Ich kann mich nicht an vieles aus dieser Zeit erinnern“, erzählte Ava. Nur an die stetig arbeitenden Hände ihrer Mutter und ihre lächelnden Augen.

      Andere Erinnerungen waren weniger deutlich. Wie zum Beispiel die Erinnerung an den Nebel, der sich dort zwischen die Hügel schmiegte. Oder an die irische Oberschicht, den Klang von zartem Porzellan beim Nachmittagstee und den Glanz von abendlichen Festen, bei denen sich farbenfrohe Kleider im Kerzenlicht zu der Musik einer einsamen Fiedel drehten.

      „Solange ich nicht im Weg herumstand und außer Sicht blieb, durfte ich so lange bleiben, wie ich wollte“, erinnerte Ava sich. Diese Gefälligkeit wurde nicht vielen Bediensteten gewährt.

      Wer ihr Vater war … nun, das wusste sie wirklich nicht. Man hatte ihr nie erlaubt, mit den anderen Kindern zu spielen, und noch bevor sie alt genug war, um sie in die Geheimnisse der Weiblichkeit einzuführen oder zu erklären, wie Kinder auf die Welt kamen, wurden sie und ihre Mutter weggeschickt.

      „Von dort aus sind wir nach Süden gereist und in dem Armenhaus gelandet. Meine Mutter hat nicht einmal den ersten Monat nach unserer Ankunft dort überlebt. Ich habe es etwas länger ausgehalten“, erzählte sie mit fester Stimme, auch, als Trauer und Verlust mit eiskalter Hand Besitz von ihrem Herzen ergriffen. Sie holte sich selbst in die Gegenwart zurück, indem sie sich daran erinnerte, wo sie war – umgeben von Idas warmer Küche und Jorgans vorbildlichem Benehmen.

      „Das tut mir aufrichtig leid“, sagte er sanft. „Und es tut mir leid, dass Dorothees Briefe dich so in die Irre geführt haben. Zumindest in Hinsicht auf meine Brüder und mich. Wenn du