Lilly Grünberg

Dein, Sein, Mein


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      »Gut, sehr gut. Groß, durchtrainiert …« War da ein Geräusch auf dem Flur? Sophies Nackenhaare stellten sich auf. »Ich – ich muss wieder Schluss machen.«

      »Schon?«, Nadine klang enttäuscht. »Warte, du hast mir doch noch gar nichts erzählt!«

      »Ein andermal«, keuchte Sophie nervös. »Ich wollte mich nur mal melden. Sag Laurin einen schönen Gruß und dass es mir gut geht, okay?« Sie legte schnell auf, bevor Nadine etwas antworten konnte.

      Dann lehnte sie sich mit dem Rücken an die Innenseite der Zimmertür, horchte, aber da war nichts. Ihr Herz schlug bis zum Hals hinauf und sie bemühte sich, langsamer zu atmen, um sich zu beruhigen, denn vor lauter Nervosität schnaufte sie wie ein Walross. Schnell weg mit dem Telefon, bevor Leo plötzlich auf der Matte stand.

      Dieses Verbot war wirklich gemein. Fast bereute sie es, so schnell aufgelegt zu haben. Bestimmt litt sie an Paranoia wegen Leo.

      Andererseits, was hätte sie noch erzählen können. Dass Leo sie zu einem Keuschheitsgürtel verdammt hatte? Du lieber Himmel, niemals. Dass sie putzen, kochen, bügeln musste? Nadine würde ihr im besten Fall raten, sofort ihre Sachen zu packen, im schlimmsten Fall hämisch lachen, dass es Sophie recht geschah, einen solchen Reinfall zu erleben.

      Sophie legte sich hin, kuschelte sich wieder unter ihre Bettdecke und löschte das Licht. Es musste etwas Wahres an den Gerüchten um Leo sein. Es musste einfach. Sie brauchte so dringend ein erotisches aufregendes Abenteuer. Sonst wäre alles umsonst. Ihre Finger tasteten nach dem goldenen Halsband. Jeden Morgen erinnerte sie es mit einem Blick in den Spiegel daran, wem sie gehörte. Nach wie vor fand sie es wunderschön. Es war etwas Besonderes. Normalerweise bekam man solche kostbaren Geschenke, wenn man sich schon länger kannte. Sophie seufzte.

      Sie wollte nicht weinen, aber ihre Enttäuschung über den bisherigen Verlauf ihres Abenteuers war zu groß, um die Tränen aufzuhalten. Sie drehte sich auf den Bauch und schluchzte hemmungslos in ihr Kissen, das dabei nasser und nasser wurde. Was sollte sie nur tun? Sie hielt das nicht aus, sie konnte so nicht leben. Im Augenblick war es unmöglich, die Wohnung zu verlassen. Aber wenn ihr erster Arbeitstag kam, würde sie nicht mehr zurückkehren. Es würde schwer werden, Leo die Vollmachten zu entziehen. Bestimmt könnte sie ein paar Tage bei Nadine wohnen, bis sie eine neue Wohnung gefunden hatte. Ihre Tränen flossen immer heftiger.

      Ach Scheiße, ich will, dass er mich lieb hat …

      Als auf einmal ihre Decke zurückgezogen wurde und sie eine Hand auf ihrem Rücken spürte, schrie sie erschrocken auf. Vor lauter Schluchzen hatte sie nicht gehört, wie Leo hereingekommen war.

      »Hey, schhhh, beruhige dich. Dreh dich um, komm her.«

      Er setzte sich zur ihr auf die Matratze und als sie sich umgedreht hatte, nahm er sie in seine Arme. Sophie klammerte sich an ihn. Statt sich zu beruhigen, weinte sie nun noch hemmungsloser, als müsse sie mehr loswerden, als nur den momentanen Frust.

      »Schhhhh, ist ja gut«, murmelte Leo und streichelte ihr mit einer Hand sanft über Kopf und Rücken.

      »Ihr – ihr Hemd wird ganz nass«, brachte Sophie mühsam hervor und schluchzte Sophie. Ihr Zittern war unkontrollierbar. Ihr ganzer Körper schien sich zu verselbständigen und zu beben.

      »Das macht nichts. Aber du musst dich beruhigen, nicht in dein was-auch-immer-Problem hinein steigern.«

      Er wiegte sie sanft wie ein Kind und summte leise, und tatsächlich beruhigte sich Sophie allmählich. Ihre Nase war zugeschwollen und sie schniefte.

      »Komm, wir gehen ins Wohnzimmer und reden mal miteinander.«

      Leo öffnete seine Umarmung, stand auf, streckte ihr die Hand entgegen und Sophie ergriff sie, ließ sich von ihm hochziehen. Er legte einen Arm um ihre Schulter und schob sie vorwärts, den Flur hinunter in den Wohnraum, bis zu einem der Sessel. Er reichte ihr eine Decke, und Sophie kuschelte sich fröstelnd hinein.

      Reden? Worüber denn? Angestellt hatte sie nichts, was es zu bereden gäbe und es war fern ihrer Vorstellung, mit ihm über den Grund ihrer Traurigkeit zu reden. Er würde es ihr ja doch nur wieder als einen Teil ihrer egoistischen Wünsche auslegen.

      »Hier, putz dir erstmal die Nase.«

      Leos Stimme klang fürsorglich und besorgt. War ihm ihr Kummer vielleicht wirklich nicht gleichgültig? Er reichte Sophie Taschentücher, ging zum Kühlschrank und kehrte mit einem Glas Orangensaft für sie zurück.

      »Hier trink und beruhige dich.«

      »Danke«, murmelte sie, und wagte nicht, ihm in die Augen zu schauen. Ihr Frösteln hatte nachgelassen. Dennoch behielt sie die Decke dicht um sich geschlagen. Es fühlte sich einfach angenehm an und sie wollte sich ihm nicht nackt präsentieren.

      Ihr Herr zog sich den anderen Sessel näher, setzte sich ihr gegenüber, schlug die Beine übereinander.

      »Wenn du ein Problem mit der aktuellen Situation hast, mit mir, mit dir selbst, oder was auch immer dich bedrückt, so möchte ich, dass du mir das sagst. Du kannst mit mir über alles reden und ich werde dich niemals dafür strafen. Was ich aber auf gar keinen Fall will, ist eine Sklavin, die sich heimlich die Augen ausheult. Okay?«

      Sophie nickte. Sie zerknüllte das feuchte Taschentuch zwischen ihren Fingern.

      »Leg bitte das Taschentuch weg und nimm dir ein neues«, bat Leo freundlich. »Wir müssen nicht sparen.«

      Sie gehorchte und putzte sich umständlich die Nase.

      »Also? Ich höre.«

      Es gab ein halbes Dutzend Gründe, die sie ihm aber eigentlich nicht auf die Nase binden wollte. Bisher hatte sie sich selbst stets als stark und unzerbrechlich eingestuft, egal ob es geschäftliche Probleme gab oder private. Sie brauchte keinen seelischen Mülleimer um klar zu kommen. Außer jetzt. Jetzt war alles anders und sie hatte noch nicht ihr mentales Gleichgewicht für diese neue Lebenslage gefunden. Es gab nur einen Grund, den sie ihm getrost nennen konnte. Den augenscheinlichsten.

      »Es ist nur wegen des blöden Keuschheitsgürtels «, schniefte Sophie. »Ich – es, ähm, es ist so demütigend. Ich weiß, meine Schuld und ich muss es hinnehmen, aber wenn ich so alleine im Bett liege … Na ja, es fällt mir nicht leicht, das zu akzeptieren.«

      Jetzt hatte sie ihm doch fast mehr verraten, als sie wollte.

      Leo nickte fast unmerklich. Seine Miene war neutral und verriet nicht, welche Meinung er dazu hatte. »Weiter.«

      Sophie schwieg und starrte auf Leos übereinander geschlagene Beine. Seine Haltung drückte eine gewisse Eleganz aus, sogar in der schlichten Freizheithose aus schwarzem glänzendem Stoff. Genügte denn ihre Antwort nicht? Wenn sie noch mehr erzählte, würde es darin ausufern, ihm ihr Herz auszuschütten. Es war schwer, sich seinem geradezu mystischen Druck zu entziehen. Aber dies ging ihn nichts an. Was sie tief in ihrem Inneren bewegte, würde sie allenfalls Nadine erzählen. Wenn überhaupt.

      Eine Zeitlang hatte Sophie Bücher zum Thema »Wie werde ich erfolgreich?« oder »Wie manipuliere ich richtig?« gelesen. Zwar war ihr Job nur bedingt geeignet, auf der Karriereleiter nach oben zu steigen, aber wenn – dann brauchte es dazu die richtige Strategie. Sie war überrascht gewesen, mit welchen einfachen Mechanismen sich das Blatt in der einen oder anderen Situation wenden ließ. Nur an Leo würde sie sich die Zähne ausbeißen, das fühlte sie instinktiv, ohne es bisher aktiv ausprobiert zu haben. Sie brauchte ihm nur in die Augen zu sehen und bekam schon weiche Knie. Wie sollte sie ihn dann ihrerseits um den Finger wickeln? Sie wusste ja nicht einmal, ob ihn ihre Tränen berührt hatten oder ob er schlicht nur wissen wollte, was mit ihr los war.

      Leo gab ein tiefes Seufzen von sich, das so gar nicht nach dominantem Herrn klang, und Sophie sah verblüfft auf.

      »Wieso vertraust du mir nicht, Sophie?«

      Sie schluckte. »Aber, aber – ich vertraue Ihnen d-d-doch, Herr«, stotterte sie. Sein Blick wirkte dermaßen gekränkt, als hätte sie ein Kapitalverbrechen begangen. Sofort regten sich Schuldgefühle, weil sie telefoniert