des Gespräches etwas auf und erzählte uns schließlich alle Einzelheiten des Überfalls und wie schrecklich aufwühlend es für sie gewesen war.
Die Frauen und Kinder hingen an ihren Lippen, als sie die Ereignisse mit blumigen Worten schilderte.
Ich fand sie zu theatralisch. Doch vielleicht würden die anderen darüber ja vergessen, dass ich vorhin etwas gewusst hatte, was ich nicht hätte wissen können.
Ich seufzte, erhob mich, um nicht weiter zuhören zu müssen, und ging zu Justus, der mit Kai und Fin diskutierte.
»Wir können sie schlecht einfach hier aussetzen«, sagte Fin gerade und machte mit den Händen eine hilflose Geste.
»Mitnehmen können wir sie aber auch nicht!«, entgegnete Justus energisch.
Sie bemerkten nicht, dass ich zu ihnen trat. Also drehte ich mich wieder zu der Tochter des Fürsten und musterte sie von Weitem.
Das lange goldblonde Haar, das so typisch für die Südregion war, hatte man kunstvoll um ihren Kopf geflochten und es schimmerte im Licht der Mittagssonne. Die Seide ihres Kleides war in mehreren Rottönen gefärbt und mit Glassteinen bestickt. An der einen Seite war der Rock aufgerissen, was wahrscheinlich beim Kampf passiert war, und entblößte ein Stück ihres hellen Schenkels. Anscheinend war ihr das noch gar nicht aufgefallen oder sie zeigte ihr Bein mit Absicht her.
»Wir können sie zur nächsten Stadt bringen. Dort gibt es immer Soldaten und eine Kutsche dürfte auch nicht so schwer zu organisieren sein«, mischte ich mich ins Gespräch der anderen ein und drehte ihnen das Gesicht wieder zu.
Sie sahen überrascht aus. Diese Idee war ihnen wohl noch nicht gekommen.
»Was ist mit ihrer Kutsche eigentlich passiert?«
»Eines der Räder ist gebrochen«, antwortete Justus. Sein Blick wirkte erstaunt und noch etwas lag darin, was ich nicht einordnen konnte.
Meine Ohren wurden heiß.
»In dieser Gegend gibt es nur Dörfer. Die nächste Stadt dürfte drei Tagesreisen entfernt sein.« Kai nickte. Ihm schien der Vorschlag zu gefallen und er lächelte erleichtert.
»In unserem Tempo also dann sechs Tage. Das wäre zumindest mal ein Kompromiss«, stimmte Fin zu.
»Ihr wollt trotzdem Feuerspektakel veranstalten? Warum fahren wir die Strecke nicht am Stück? Dann sind wir die Fürstentochter schneller wieder los«, protestierte Justus und seine Augenbrauen zogen sich zu einem finsteren Blick zusammen.
Kai war dagegen. Das Spektakel ausfallen zu lassen würde zu viel Aufmerksamkeit erregen. Vor allem hier in den Grenzlanden war es besser, jeden Ärger zu vermeiden.
Besonders, wenn man die Tochter des Fürsten von Mari bei sich hatte.
»Ich habe mich mit den Dörflern unterhalten. Die Auseinandersetzungen zwischen den beiden Fürsten spitzen sich zu. Selbst im eigenen Land ist man nicht mehr sicher. Überall sind Spione unterwegs.« Kai hatte die Stimme gesenkt und sah sehr besorgt aus.
Mir kam sofort der Mann mit den blonden Locken und den tiefblauen Augen in den Sinn, der mir erst gestern wieder begegnet war. Vielleicht war es kein Zufall, dass er in den Grenzlanden herumschlich. Und er musste auch nicht zwangsläufig hinter mir her sein. Vielleicht war er einer dieser Spione.
Kai verließ den Kreis und die anderen machten ihm Platz, als er vor die Fürstentochter trat, die ihm irritiert entgegensah.
Nur sehr knapp und auch nicht besonders vornehm verbeugte er sich vor ihr. »Mylady, wir bieten Euch an, Euch bis zur nächsten Stadt zu geleiten. Dort könnt Ihr Euch eine Kutsche nehmen und Eure Reise fortsetzen.«
Das Mädchen sah ihn mit großen Augen an. Sie war gerade dabei gewesen, mit aufgeregter Stimme zu schildern, wie sehr sie das Auftauchen ihrer Retter überrascht hatte. Doch jetzt wurde ihr Gesicht verschlossen und spitz. Sie drückte Tanja die Wasserschale in die Hand und erhob sich, trotz des zerrissenen Kleides, äußerst elegant von der kleinen Holzbank.
»Ach, ihr bietet mir das an? Aber könnt ihr denn für meine Sicherheit garantieren?« Herausfordernd reckte sie das Kinn und ich fragte mich, was sie mit solch einer Erkundigung bezweckte.
»Mylady, in der jetzigen Situation habt Ihr eigentlich keine andere Wahl, als darauf zu vertrauen.« Kais Augen blitzten und ich verstand. Die Fürstentochter hatte geradewegs seinen Stolz angegriffen. Sie forderte ihn heraus. Doch ob sie das absichtlich tat, wusste ich nicht. »Natürlich müsstet Ihr Euch unauffälliger kleiden. Aber wer würde eine Fürstentochter schon bei einer Handvoll Wagenleute suchen? Ich bin davon überzeugt, dass Ihr in unserer Gesellschaft weitaus bessere Chancen habt, Euer Ziel zu erreichen, als wenn Ihr mit Eurer geschmückten Kutsche reist. Das hat sich ja bereits gezeigt.« Abschätzig blickte Kai auf sie herab, doch das Lächeln, das sich auf Elyssabeds Gesicht ausbreitete, ließ ihn unsicher werden. List, Arroganz und das Wissen, immer alles zu bekommen, was sie sich wünschte, lag auf ihren Zügen.
»Das ist wahr. Und ziemlich schlau«, bestätigte sie und mir schwante nichts Gutes. »Daher verlange ich, dass ihr mich die ganze Strecke von hier bis zu der Stadt meines Vaters mitnehmt. Es wäre ja nicht auszuhalten, sich ein zweites Mal in so eine Gefahr zu bringen.«
Kai war für einen Moment sprachlos. Damit hatte er wohl nicht gerechnet.
»Das ist nicht möglich!«, ging Justus dazwischen. Sein Gesicht war jetzt wirklich finster und ich hatte einen Augenblick Angst um die Fürstentochter.
Sie ließ sich jedoch nicht einschüchtern. Im Gegenteil. Die Ablehnung stachelte sie noch mehr an. »Wenn ihr mir das verweigern solltet, werde ich dafür sorgen, dass euch in Zukunft die Durchfahrt durch dieses Land verweigert wird«, warf sie ihm an den Kopf und stützte die schlanken Arme in die Taille. »So einen Feind wollt ihr doch nicht, oder?«, fügte sie hinzu und lachte so glockenhell, als hätte sie einen belanglosen Scherz gemacht.
Uns allen hingegen war nicht zum Lachen zumute, denn das konnten wir uns tatsächlich nicht leisten.
»Wir könnten Euch auch einfach im nächsten Graben verscharren«, zischte Justus gefährlich, trat einen Schritt auf sie zu und ballte die Hände zu Fäusten. Die Muskeln an seinen Oberarmen spannten sich unter dem Hemd und ich machte schon einen Schritt auf ihn zu, da ging sein Vater dazwischen.
Denn obwohl das auch ihm nicht gefallen konnte, war er schlau genug, sich nicht gegen so eine mächtige Frau zu stellen.
»Wir werden darüber nachdenken«, knickte er widerwillig ein.
Justus’ Kiefer schien Steine zu zermahlen vor Wut.
»Tut das«, entgegnete die Fürstentochter spitz und wandte sich an Tanja. »Besorgt mir unauffällige Kleider und zeigt mir, wo ich mich umkleiden kann«, befahl sie, als würde sie eine Dienstmagd scheuchen.
Tanja sah sie nur entgeistert an, schockiert von so viel Frechheit und ungeschminkter Arroganz. Dann wanderte ihr Blick zu Kai, der seine Frau mit einem stillen Nicken bat, der Aufforderung nachzukommen.
Es dauerte länger als gewohnt, bis wir weiterfahren konnten. Die Fürstentochter, die wir ab sofort mit Lyssa ansprechen sollten, damit sie keine unnötige Aufmerksamkeit erregte, ließ sich in unseren Wagen führen. Sie wählte das schönste Kleid, das Hanna in ihrer Truhe hatte, weil diese am ehesten ihrer Figur entsprach. Hanna sagte nichts, doch ich konnte ihr ansehen, wie sie schluckte, als sie ihren Schatz hergab, den sie seit Monaten mit kunstvollen Stickereien verzierte.
Die Flechtkunst auf ihrem Kopf löste sie selbst, nachdem Ayo ihr zweimal unabsichtlich an den Haaren zog, und verlangte dann nach bunten Bändern, wie die anderen Frauen sie in den Haaren trugen. Tanja sträubte sich und erklärte ihr, dass es eine Tradition der Wagenleute war. Die Farben zeigten die Zugehörigkeit einer Frau zu einem Clan und Tanja konnte es nicht mit ihrer Ehre vereinbaren, ihr eines der Bänder auszuhändigen.
Ich konnte dem nur zustimmen. Nicht weil meine Ehre hierbei eine Rolle spielte, sondern weil ich die Bänder auch nie hatte tragen dürfen. Und wenn ich schon nicht zu ihnen gehören durfte, dann eine eingebildete