Lin Rina

Vom Wind geküsst


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klappten sie den Stand zusammen und räumten alles dahin, wo es hingehörte, während ich ihnen zusah, das Wetter aufrechterhielt und dem Wind lauschte.

      Die Dunkelheit kam schnell. Van und Justus hatten gerade die letzten Fackeln entzündet, als die ersten Dorfbewohner auf dem Weg auftauchten. Aufgeregt redeten sie miteinander und gafften zu uns herüber, in der Hoffnung, einen der Tricks schon im Voraus zu sehen.

      Doch das war vergebliche Mühe.

      Marc und Dante waren in ihrem Wagen und zogen sich für den Auftritt Kleidung aus robustem Kappaleder an. Auch alle anderen bereiteten sich vor. Van und Felice, Miso und Angu, Tai und natürlich Mei und Justus.

      Laila hielt sich seit ein paar Wochen zurück, da ihr Babybauch immer größer wurde. Wir alle wussten, dass sie auf einen Jungen hoffte, während Tai lieber ein Mädchen wollte und der Rest der Familie die ständigen Diskussionen darüber längst leid war.

      Zu Lailas Aufgabe gehörte ein langes besticktes Kleid, auf dem unzählige Glasperlen glitzerten. Hanna machte es Freude, die silbernen Stickereien auf dem nachtblauen Stoff weiterzuführen, immer wenn sie dafür Zeit fand.

      Ich hatte mich oben auf unseren Wagen gesetzt und überblickte die Szenerie.

      Es sah aus, als wäre das ganze Dorf gekommen. So ein Spektakel ließ sich kaum jemand entgehen.

      Obwohl ich es schon Hunderte Male gesehen hatte, war ich doch jedes Mal aufs Neue von der Schönheit der Feuerspiele überwältigt. Und von der Eleganz der Akteure.

      Ayo begann die Trommel zu schlagen und Stille senkte sich über das Publikum.

      »Willkommen! Willkommen in dieser wunderschönen, sternenklaren Nacht!«, rief Laila mit ihrer klaren Stimme, die mit Leichtigkeit bis in den letzten Winkel der Lichtung drang.

      Ich mochte es, wenn sie die Begrüßungsworte sprach. Ihr Tonfall hatte etwas ähnlich Beruhigendes wie der von ihrem Bruder Justus.

      Im letzten Winter hatte sie ihren Liebsten geheiratet, was für eine Menge Trubel gesorgt hatte. Tai und sie hatten schon seit Jahren füreinander geschwärmt und miteinander geflirtet, sich jedoch nie getraut, einander ihre Gefühle zu gestehen. Ob nun aus Schüchternheit oder weil Tai der Letzte eines aussterbenden Clans war, konnte ich nicht sagen. Dafür kannte ich mich zu wenig in der Politik des Feuervolkes aus.

      Doch mit der Zeit hatten sich die Wogen gelegt und die beiden erwarteten ihr erstes Kind.

      »Dies ist eine Nacht, die für viele unvergessen bleiben wird«, fuhr Laila fort und hob elegant die Arme. »Eine Nacht voller Geheimnisse, spektakulärer Kunststücke, Feuerkunst und Magie.« Sie ließ ihre Hände umeinander tanzen, um ihre Worte zu unterstreichen, und ihr Blick schweifte über das Publikum. »Und nun …« Sie senkte die Stimme und die Menschen lauschten gespannt. »Lasst das Spektakel beginnen!« Sie verdeckte die Linke mit der Rechten, und als sie sie wieder voneinander trennte, brannte darin eine blaue, sich windende Flamme.

      Die Dörfler holten erschrocken Luft. Obwohl viele von ihnen die Feuerspiele jedes Jahr aufs Neue besuchten, schien es sie jedes Mal wieder zu überraschen.

      Applaus ging durch die Reihen. Laila verbeugte sich mit einer Hand auf dem runden Bauch, die andere mit der langsam verlöschenden Flamme nach vorn gestreckt. Dann verließ sie den mit Fackeln abgesteckten Platz im Halbkreis der Wagen und zog sich zu Ayo, Hanna und den anderen Musikern zurück.

      Ich lachte in mich hinein, amüsiert von dem Trick, dem die Dörfler auf den Leim gingen. Die ganze Ansprache, das Spektakel, das Feuer. Das alles diente nur zweitrangig der Unterhaltung. In Wirklichkeit erfüllte es den Zweck, zu verstecken, was die Wagenleute wirklich waren.

      Erzählte man den Menschen offen, es handele sich um Magie, um Feuerkunst, um etwas Übernatürliches, dann glaubten sie es nicht. Sie lachten darüber und freuten sich, nicht auf die Täuschung hereingefallen zu sein. Für sie waren es nur Tricks wie Kartenzauberei und Zirkuskunst.

      Es schien schon fast zu einfach. Die Feuerspektakel schützten das Feuervolk, schützten ihr Geheimnis, die Wahrheit, dass es die Feuermagie wirklich gab.

      Ayo begann wieder zu trommeln und ich rief den Wind zu mir. Ohne zu murren, legte er sich in meine Hände und ließ die Lichtung windstill zurück.

      Ihm machte es nichts aus, mir jedoch gab es das Gefühl, etwas zur Sicherheit der Vorstellung beizutragen, wenn ich ihn ruhigstellte. Obwohl er sich dazu nie äußerte, vermutete ich, dass er sich die Feuer­kunst auch gern ansah.

      Marc trat mit einer Fackel in die Mitte und spie durch die Flamme eine gewaltige Feuerwolke.

      Beress und ihr jüngster Sohn Garan setzten mit ihren Flöten zu einer verspielten und schnellen Melodie an.

      Mei tauchte hinter einem von Marcs riesigen Flammenstößen auf, als wäre sie im Feuer erschienen. Sie zog mit allen Fingern Feuerfäden zwischen ihren Händen, die flackernd heller und dunkler wurden, und drehte sich zum Tanz. Die Fäden wirbelten um sie herum und ihre vielen schmalen Zöpfe peitschten um ihren Kopf, als sie sich drehte und die Arme in die Luft warf.

      Die Musik wurde schneller und schneller und Meis verschlungene Bewegungen ebenso, bis sie aussah wie ein wirbelnder Feuerkokon.

      Dann endete das Stück abrupt und die Feuerfäden um Mei zerfielen zischend zu Rauch.

      Tosender Applaus folgte auf die plötzliche Stille. Ich klatschte mit ihnen und der Wind flog begeistert um meine Hände herum.

      Der Junge mit dem blauen Hut ist in sie verliebt. Schon seit dem letzten Jahr, flüsterte er mir zu.

      Meine Mundwinkel verzogen sich wie von selbst zu einem Lächeln, während ich nach dem besagten Jungen Ausschau hielt.

      Es war nicht schwer, ihn zu entdecken. Er stand weit vorn, hatte gebräunte Haut, blonde Locken, die unter seinem Hut hervorlugten, und sah Mei mit glänzenden Augen hinterher.

      Wie sehr es mich auch freute, dass Mei bewundert wurde, so tat es mir für den Jungen auch leid. Er würde sie niemals für sich gewinnen.

      Auch wenn es nicht verboten wäre, sich mit einem Menschen außerhalb des eigenen Volkes einzulassen, würde sie sich nicht für ihn interessieren. Das Feuervolk war so stark in seinen Traditionen verwurzelt, dass Mei nicht im Traum daran denken würde, ihm ihr Herz zu schenken.

      Aber wenn er nicht schüchtern war, blieb ihm zumindest die Möglichkeit, ein wenig mit ihr zu flirten. Darin waren die Feuerleute nämlich auch besonders gut. Den Charme spielen lassen!

      Doch die Vorstellung ging weiter und ich verlor den Jungen aus den Augen.

      Felice und Miso traten auf, begleitet von Ayos rhythmischem Trommeln und Brees engelsgleichem Violinenspiel. Während Felice in einer Feuerschale allerlei Dinge aus dem Feuer formte, bewegte Miso sie in die Luft und hauchte ihnen zauberhaftes Leben ein. Es war ein wirklich beeindruckendes Schauspiel.

      Kaum erhoben sich die beiden wieder und verbeugten sich zum Klatschen der Dorfbewohner, begann mein Bauch zu kribbeln. Denn nun folgte endlich mein Lieblingsteil des Spektakels.

      Justus, Marc, Van, Angu, Tai und Dante erschienen mit brennenden Stöcken, die sie in einer perfekten Choreografie durch die Luft wirbelten, sich gegenseitig zuwarfen und darunter durchtauchten. Justus gab seinen an Tai ab, öffnete die Hände und erzeugte schimmernde Feuerkugeln, mit denen er kunstvoll jonglierte.

      Mein Herz klopfte mir bis zum Hals, wenn ich ihm dabei zusah, wie er sich drehte, sich die Muskeln an den Armen anspannten und das Feuer geheimnisvolle Züge auf sein Gesicht zauberte.

      Marc spuckte Feuer durch die Flammen seines Stabes. Glühende Funken schossen durch Vans Hand in den Himmel und explodierten mit lautem Krachen. Laila, die immer noch am Rand stand, verwandelte sie in viele bunte Flammen, die auf das Publikum herabregneten.

      Miso achtete peinlichst genau darauf, dass niemand davon getroffen wurde und alle Funken vorher erloschen.

      Falls