im Ruhegebot des siebenten Tags durch die Verwendung des gleichen Worts für den Dienstknecht und das sechstägige „Dienen“ seines Herrn. Eine ehrfürchtige Treue zum Wort der Schrift wird auch solche Beziehungen ehren, seien sie nun, wie bei jenem erstgegebenen Beispiel aus den Zelt-Kapiteln, nachweisbar dem Text bewußt oder seien sie, wie das letzte Beispiel vielleicht, ihm nur vom unbewußten Tiefsinn der Sprache in den Mund gelegt, in die Feder diktiert. Jener stumme Tiefsinn der Worte gewinnt ja im Sprechen Sprache. Auch dem Übersetzer ist es gesagt, daß die Sprache der Schrift Treue und Wahrheit in ein Wort verschließt und daß sie dies verschlossene Wort im Glauben aufbrechen läßt.
VIII
Als Luther 1523 den ersten Teil seines Alten Testaments herausgab, grüßte er, über die „Klüglinge“ seiner Zeit hinweg und hinweg über die siebzehn Ausgaben der deutschen Bibel in den sechzig Jahren vor ihm, über einen Geschichtsraum von elf Jahrhunderten hin, in männlichfreier Ehrerbietung als seinen Vorgänger den großen Hieronymus: „Nun wird sich auch der Kot an das Rad hangen, und wird keiner so grob sein, der hie nicht wolle Meister über mich sein, und mich hie und da tadeln. Wohlan die laß ich fahren! Ich habs von Anfang wohl bedacht, daß ich eher zehn tausend finden wollt, die meine Arbeit tadeln, ehe ich einen fünde, der mir das zwanzigste Teil nachtät. Ich wollt auch gar gelehrt sein und mein Kunst köstlich beweisen, wenn ich sollt S. Hieronymus’ lateinische Bibel tadeln. Aber er sollt mir auch wohl wiederum Trotz bieten, daß ichs ihm nachtät“.
Das sind die Zeiträume dieses Buchs. Ich sagte zu Anfang, daß alles Sprechen Übersetzen sei. Das Gespräch der Menschheit hat mit diesem Buch angehoben. In diesem Gespräch liegen zwischen Rede und Widerrede halbe, ganze Jahrtausende. Der Frage des dritten Kapitels der Genesis suchte Paulus die Antwort, indem er die Worte des zwanzigsten Kapitels des Exodus in Frage stellte. Seine Antwort wurde von Augustin und Luther wiederholt, doch auf sein Infragestellen gaben die beiden jeder wieder eine eigene Antwort, jener die Antwort seines Gottesstaats, dieser die Antwort seines Schreibens an die Ratsherrn, daß sie christliche Schulen aufrichten sollten. Jedesmal steht vor dem neuen Satz des Gesprächs eine Übersetzung. Die Übersetzung in die Sprache der Tragödie, die Übersetzung in die Sprache des Corpus Juris, die Übersetzung in die Sprache der Phänomenologie des Geistes. Wann das Gespräch zuende sein wird, weiß kein Mensch; es hat auch niemand gewußt, wann es anhub. So kann ihm auch keines Menschen Unwille, Besserwissen und Wohlweisheit sein Ende setzen, sondern allein der Wille, das Wissen, die Weisheit dessen, der es angehoben hat.
Anmerkungen
1 Sämliche Werke III, II, S. 218.
2 Vorrede über das Buch Hiob (Drucke von 1524 und 25).
3 Luther spricht vom 68. Psalm.
4 Vorrede zum Deutschen Psalter.
5 Zit. nach Hopf. Würdigung der Lutherschen Bibelübersetzung, S. 126.
6 Vollständige Darstellung und Beurteilung der deutschen Sprache in Luthers Bibelübersetzung. 1794 und 95.
7 Für die Cansteinsche ist das neuerdings ausführlich dargestellt von Burdach (Die nationale Aneignung der Bibel und die Anfänge der germanischen Philologie. 1924).
8 Gött. Gel. Anz. 1885.
9 Das Neue Testament von 1522 kostete anderthalb Gulden, „soviel wie ein Pferd“.
10 Vorrede zum Deutschen Psalter.
11 Vorrede über das Buch Hiob (1524 und 25).
12 Cochläus und Dietenberger (bei Hopf a. a. O., S. 132 ff.).
13 Emser und Eck (bei Hopf a. a. O., S. 172).
14 Cochläus (bei Hopf a. a. O., S. 132).
15 Eck in der Vorrede zu seinem auf Befehl der bayrischen Herzöge hergestellten Konkurrenzunternehmen (bei Hopf a. a. O., S. 134).
16 Cochläus (bei Hopf a. a. O., S. 132).
17 Vorwort zur „Textbibel“.
18 Vorwort der großen Ausgabe, wiederangeführt im Vorwort zur Textbibel.
19 Ich zitiere nach der Neubearbeitung des Hauptwerks von 1922, weil eine Neubearbeitung der Textbibel noch nicht vorliegt; nur für die Stellen, wo das große Werk wegen angenommener Textverderbnis nicht zu übersetzen wagt, lege ich die hierin mutigere Textbibel zugrunde. Auch das Hauptwerk wendet sich ja an das große Publikum; und die Neubearbeitung pflastert ihren Weg mit guten Vorwortsätzen von „Angleichung an den Urtext, die auch vor dem den hebräischen Sprachcharakter kennzeichnenden starken sinnlichen Realismus nicht zurückschreckt“ und macht dem dernier cri von 1922, der „lebendigen Wissenschaft“, das charakteristisch formulierte Versprechen, „unschöne Wendungen zu bessern, überhaupt die Wiedergabe nicht nur photographisch exakt, sondern bildmäßig lebendig zu gestalten, um sie dem Ideal eines künstlerisch vollwertigen Abbildes des Originals in etwas näherzubringen“. Wen bei dem Wort lebendige Wissenschaft, diesem Produkt der Galgenreue, eine Gänsehaut überläuft, der wird freilich sagen, daß ihm eine gute Photographie lieber ist als ein schlechtes Bild. Es kommt beim Übersetzen nur und ausschließlich auf die „Exaktheit“ an, das „Künstlerische“ braucht man nicht zu bemühen.
20 Dazu und zum ganzen Zelt vgl. das Buch „Der Pentateuch“ von B. Jacob, unter den Lebenden, Juden wie Christen, wohl dem besten Kenner der hebräischen Bibel.
21 Vgl. etwa für die Frühzeit, 1514, die Äußerung, die den hebräischen Text für den Buchstaben erklärt und den lateinischen für den Geist (zit. bei Scheel, Martin Luther II, 228 u. 408); für die Spätzeit die bekannte Mathesiussche Schilderung Luthers beim Revidieren der Übersetzung: „mit seinen alten lateinischen und seinen neuen teutschen Biblien, dabei er auch stetigs den hebräischen Text hatte“.
22 Die Kreatur, 1. Jahrgang, Heft 1: „Die Schrift und das Wort“.
23 Um „Dritten Teil des Alten Testaments“ 1524 und 25.
24 Nachwort zu Jehuda Halevi.
Walter Homolka
Martin