Patricia Vandenberg

Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman


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höher, und er mußte sich ganz festhalten, um nicht hin und her geschleudert zu werden.

      Aber plötzlich schlug das Segel herum und der Baum streifte ihn. Es tat weh, und es wurde ihm schwarz vor den Augen.

      »Bleib liegen«, sagte Ulrich erregt, »wir sind gleich am Ufer.«

      Nico blieb liegen, er konnte gar nicht anders, denn er hatte das Bewußtsein verloren.

      *

      Die Nordens waren am See entlanggewandert. »Wir könnten eigentlich ein Boot mieten«, hatte Fee vorgeschlagen.

      »Lieber nicht, es sieht mir sehr nach einem Gewitter aus«, erwiderte Daniel.

      »Die Sonne scheint aber noch«, sagte Danny. Doch im nächsten Augenblick jagten schon finstere Wolken unter dem Himmel dahin.

      »Es sind aber noch viele Boote auf dem See«, sagte Felix.

      »Es tutet aber Sturm«, wisperte Anneka. »Ich will heim zu Lenni.«

      »Machen wir uns auf die Beine«, sagte Daniel. »Bis zum Wagen ist es noch ein ganzes Stück.«.

      Er nahm Anneka auf die Schultern – und im Galopp liefen sie den Weg zurück. Nun begann es schon zu tröpfeln. Blitze zuckten nieder. Anneka begann zu jammern.

      »Wir könnten das Gewitter in der Seeberg-Klinik abwarten«, sagte Fee atemlos. »Es ist nicht mehr weit.«

      Doch da kam ein Mann vom See heraufgekeucht. Er trug ein Kind in den Armen. In diesem Augenblick wußten die Nordens noch nichts von diesem Mann, nur daß er voller Angst war, und daß er kaum noch Kraft hatte.

      Fee nahm ihrem Mann Anneka ab. Danny und Felix standen mit weit aufgerissenen Augen da, als ihr Papi sich herabbeugte und heiser sagte: »Das ist doch Nico.«

      »Oh, mein Gott«, flüsterte Fee.

      »Ich brauche einen Arzt«, stöhnte Ulrich Harrer, »einen Arzt.«

      »Ich bin Arzt«, sagte Daniel Norden, »und ich kenne das Kind.«

      »Ich bin Nicos Vater. Ich habe keine Schuld. Der Baum des Segelbootes hat ihn getroffen.«

      Daniel Norden sah die Schwellung, die sich bläulich färbte, an der Stirn. Eine gefährliche Stelle. Und nun begann es zu schütten. Er hob das Kind empor. »Ich bringe es hinauf zur Seeberg-Klinik«, sagte er mit erzwungener Ruhe. Und alle anderen Gedanken wollte er jetzt ausschalten.

      Fee folgte ihm, Anneka an der einen Hand, Felix an der andern. Danny hielt Annekas zweites Händchen. »Hab’ keine Angst, Anneka«, sagte er. »Wir sind ja bei dir. Papi muß doch jetzt dem Nico helfen.«

      »Er kommt zu mir in die Klasse«, murmelte Felix. »Gell, Mami, er war auch da bei der Einschreibung.«

      Fee drehte sich um, aber Ulrich Harrer war stehengeblieben. Wieso ist er mit dem Jungen beisammen, dachte Fee. Und dann sah sie, wie er sich umdrehte und den Hang hinuntertaumelte.

      *

      Sandra stand am Fenster. »Es kommt ein Gewitter«, sagte sie heiser.

      »Nico hat doch keine Angst vor Gewittern«, sagte Annedore tröstend.

      »Wenn ich jedesmal solche Ängste ausstehen muß, Mutsch, wenn er Nico holt, bin ich bald ein Nervenbündel. Und immer wieder muß ich mir sagen, daß es meine Schuld ist, nur meine Schuld.«

      Es läutete, Sandra stürzte zur Tür und Holger, der vor ihr stand, in die Arme.

      »Ich dachte, er bringt Nico wieder zurück«, schluchzte sie auf.

      »Er wird ihn zurückbringen, San-dra«, sagte Holger ruhig. »Und er wird ihn nicht wieder holen. Ich war bei seinem Vater. Er ist wirklich sehr krank, aber man kann mit ihm reden. Er hat mir gesagt, daß er Ulrich enterben wird, wenn er dich und das Kind nicht in Ruhe läßt. Er ist auf deiner Seite, nachdem er das Fiasko mit seiner zweiten Frau erlebt hat. Sie hatte ein Verhältnis mit Ulrich. Vielleicht besteht das noch.«

      Sandra starrte ihn fassungslos an. »Du bist einfach zu ihm gegangen?« fragte sie.

      »Da du es nicht tun wolltest, habe ich es gepackt«, erwiderte er. »Und wir werden ihn gebührend empfangen. Sei ganz ruhig, Sandra. Es mag sein, daß er seinen Vater mit Nico versöhnen wollte, aber der alte Harrer hat mit dem Leben abgeschlossen. Er wünscht nur, daß Nico nicht so wird wie sein Sohn, und so wird unser Nico niemals werden.«

      »Wenn er doch nur erst wieder daheim wäre«, flüsterte Sandra. »Ich habe solche Angst.«

      Die Angst einer Mutter, ihre Ahnungen, wer konnte solche Empfindungen erklären. Holger Arnim begriff in diesen Stunden, daß er Sandras Herz nur gewonnen hatte, weil er auch Nicos Zuneigung besaß. Und wie die Zeit dahinschlich und Nico noch immer nicht bei ihnen war, ergriff auch ihn quälende Angst.

      Der Regen prasselte gegen die Scheiben, noch immer zuckten Blitze herab, und der Donner grollte gefährlich.

      Doch über dem See klärte sich der Himmel schon auf. Wie eine Glucke hielt Fee Norden ihre drei Kinder noch immer in ihren schützenden Armen. Sie mußten lange warten.

      »Tot darf der Nico nicht sein«, murmelte Felix. »Er muß doch zur Schule gehen.«

      Eiskalt wurde es Fee. Sie dachte an Sandra Diehl, an Nicos Mutter, an diese Frau, die ihr Kind so liebte, wie sie selbst ihre Kinder liebte. Sie dachte an Annedore Diehl, die Großmutter, die gerade erst Kraft auf der Insel der Hoffnung geschöpft hatte, um dieser entsetzlichen Belastungsprobe gerecht zu werden, die durch den geschiedenen Mann ihrer Tochter ausgelöst worden war. Und sie dachte an das Kind.

      »Ein gewaltiger Schlag muß das gewesen sein«, sagte Dr. Seeberg zu Dr. Norden. »Nur gut, daß er die Schläfe nicht direkt getroffen hat.«

      »Und gut, daß es so ein kerngesunder Junge ist«, sagte Daniel.

      »Sie sagen es«, murmelte Dr. Seeberg. »Mein erster Patient in dieser Klinik.«

      »Und ich habe ihn gebracht. Hoffentlich bringe ich Ihnen nicht nur Problemfälle. Die Mutter wird nun wohl einer für mich sein. Ich muß mit Harrer sprechen.«

      »Wer ist das?« fragte Dr. Seeberg, während er dem Jungen die Infusion anhängte.

      »Der Vater. Die Ehe ist längst geschieden, aber neuerdings gab es Probleme, weil er sein Besuchsrecht beanspruchte. Und nun das.«

      »Die Gehirnströme sind gut«, sagte Dr. Seeberg.

      »Dann werde ich mir den seltsamen Vater vorknöpfen«, brummte Dr. Norden.

      Aber der war nicht da. »Er ist zurückgegangen«, sagte Fee. »Ich konnte ihm doch nicht nachlaufen.«

      »Nein, das brauchtest du auch nicht«, sagte Daniel zornig. »Dieser Feigling. Drücken kann er sich doch nicht. Aber jetzt muß ich es Sandra Diehl beibringen.«

      »Wie geht es Nico?« fragte Fee bebend.

      »Er ist noch bewußtlos und wird es auch noch eine Zeit bleiben. Aber Seeberg ist bestens eingerichtet. Da fehlt es an nichts. Ich bringe euch heim und benachrichtige die beiden Damen.«

      »Welche Damen?« fragte Anneka.

      »Die Mami und die Omi von Nico. Siehst du, Schätzchen, wie gut solche Klinik ist!«

      »Immer ist was los, wenn wir mal unterwegs sind«, brummte Felix.

      »Immer nicht«, warf Danny ein. »Maule bloß nicht. Ist doch gut, daß Papi Nico kennt.«

      »Dagegen sage ich ja gar nichts«, lenkte Felix gleich ein. »Aber wenn Nico nicht gesund ist, wenn die Schule anfängt, dann versäumt er gleich was.«

      »Meine Güte, zuerst ist es sowieso langweilig«, meinte Danny.

      Aber auf der Heimfahrt waren sie dann ganz ruhig. »Du würdest dich schrecklich aufregen, wenn mir das passiert wäre«, sagte Danny erst, als Fee ihn zu Bett brachte. Felix und Anneka waren gleich eingeschlafen.

      »Nicos