Patricia Vandenberg

Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman


Скачать книгу

heiße Nico Diehl«, hatte er gesagt.

      »Hier steht aber Harrer«, hatte die Lehrerin gesagt, und Ömchen war dann verlegen geworden. Sie hatte ihn weggeschickt und mit der Lehrerin gesprochen. Und er hatte gelauscht und gehört, wie die Lehrerin sagte: »Leider ist das nicht so einfach, Frau Diehl. Ich muß mich an die Vorschriften halten.«

      Und während Nico versuchte, sich alles zurechtzulegen, was er dann mit seiner Mami und Holger besprechen wollte, sprachen diese beiden schon über die Probleme, die es zu bewältigen galt. Und Holger kam nicht umhin, Sandra von Ulrichs Besuch zu erzählen.

      Sie wurde blaß unter der Sonnenbräune. »Ich habe es ja geahnt«, sagte sie bebend, »er wird mir jetzt erst recht Knüppel zwischen die Beine werfen. Er weiß doch, wie es zugeht, wenn Kinder zur Schule kommen. Er spielt diesen Vorteil aus, daß Nico seinen Namen trägt, und ich kann dagegen gar nichts unternehmen, Holger. Selbst wenn wir vorher heiraten würden, nützte es uns diesbezüglich nichts. Dann würde ich zwar Arnim heißen, aber Nico immer noch Harrer. Er fragt doch nicht danach, was das Kind empfindet. Das ist ihm doch gleichgültig. Er verzeiht es mir niemals, daß ich ihm meine Verachtung gezeigt habe. Ich habe es gewußt, daß er solange wartet, bis sein Name die Rolle spielt, die er auch in meinem Leben spielen sollte. Bisher war Nico eben nur Nico und mein Sohn. Nun sorgt die Bürokratie dafür, daß er als Vater in Erscheinung tritt, und ich ahne schon jetzt, daß er zur Einschulung da sein wird, mit Film und Fotoapparat, mit dem tollsten Auto, das er auftreiben kann. Er wird sich seinen Auftritt verschaffen, um mich bloßzustellen.«

      »Noch ist es nicht soweit, Sandra. Du darfst nicht alles zu schwarz sehen. Nico ist nicht das einzige Kind aus einer geschiedenen Ehe.«

      »Aber er hat einen eitlen, rachsüchtigen Vater. Ihm kommt es nicht darauf an, Nicos Seele zu vergiften, wenn er mich nur irgendwie verletzen kann.«

      »Ich bin da, Sandra. Ich liebe dich, und ich liebe Nico. Ich will, daß er ein fröhliches Kind bleibt. Ich werde alle Möglichkeiten ausschöpfen, um Nico vor diesem Mann zu schützen.«

      Sie ahnten nicht, daß Nico schon ganz nahe war und jedes Wort hören konnte. Und der Junge wagte nicht mal zu atmen, um nur alles zu hören, was da gesprochen wurde.

      »Ich würde dich ja heiraten, Holger, ich liebe dich doch auch, aber ich weiß, daß Ulrich alles tun wird, um unsere Kreise immer wieder zu stören. Er wird Mutsch kaputtmachen, zum zweiten Mal. Sie hat damals mehr gelitten als ich. Ich habe nicht an die Zukunft gedacht, ich wollte nur frei sein von ihm. Aber Mutsch hatte ihn bis ins Innerste durchschaut.«

      »Schaffen wir uns nicht noch zusätzliche Probleme, Sandra. Du weißt, wie geduldig ich warte, meinetwegen noch Jahre warten würde. Es wird nie eine andere Frau für mich geben, und wir werden uns Nico niemals wegnehmen lassen.«

      Sandra richtete sich auf. »Er ist schon so lange weg«, flüsterte sie.

      »Ich werde ihn suchen, Liebes. Reg dich nicht gleich wieder auf.«

      Nico huschte davon und versteckte sich. Als Holger laut seinen Namen rief, rief er zurück: »Hier bin ich doch, such mich mal.« Aber anstatt auf ihn zuzulaufen, kroch er weiter und erst, als er schon dicht am Haus war, begann er zu kichern. »Hier bin ich, ich habe Hunger, Hunger, Hunger.«

      Und dann fiel er Holger in die Arme.

      »Ich habe euch nicht gefunden«, schwindelte er. »Ich bin von der andern Seite gekommen, weil ich den Schmetterlingen nachgelaufen bin. Es gibt wunderschöne Schmetterlinge, Holger. Kennst du alle beim Namen?«

      »Alle nicht, aber viele.«

      »Ich kenne aber fast alle«, sagte Nico stolz.

      »Ich weiß ja, wie gescheit du bist, Nico, und deshalb können wir ja auch wie Freunde miteinander reden.«

      »Du bist doch auch mein Freund. Mit den Buben kann ich nicht Freund sein, die sind dumm und raufen nur. Eigentlich habe ich mich nur mit Bettina richtig vertragen.«

      Auf seine Weise drückte er aus, was jetzt in seinem Köpfchen vor sich ging, denn keinesfalls wollte er eingestehen, daß er gelauscht hatte. Das, was er gehört hatte, mußte er noch verarbeiten, doch nun wußte er genau, daß Holger ihn liebhatte und ihn beschützen wollte. Aber er wußte auch, daß seine Mami sich Gedanken machte wegen der Namen. Das war auch wirklich nicht einfach zu begreifen.

      Nico überlegte angestrengt, wieviel Wochen noch verstreichen würden bis zum Schulbeginn. Das war ja noch eine ganz schön lange Zeit. Aber Jahre wollte er wirklich nicht warten, bis Holger sein Papi wurde.

      Nico dachte sehr viel nach an diesem Tag, und dabei kam er zu dem Entschluß, diesem Mann, dessen Namen er tragen mußte, gehörig die Meinung zu sagen, daß er ihn als Vater nicht haben wolle.

      *

      Diese zwei Tage vergingen Sandra viel zu schnell. Am Sonntag waren sie dann auch noch für zwei Stunden mit Winnie und Leo beisammen. Die beiden Männer verstanden sich sofort sehr gut, und es war schnell beschlossen, daß Holger der zweite Trauzeuge sein sollte. Gern wollte Winnie auch Annedore Diehl bei der Hochzeit dabei haben, und auch da genügte ein kurzer Anruf, um ihre freudige Zustimmung zu erhalten.

      »Dann kannst du Ömchen abholen von der Insel«, meinte Nico zu Holger, »und dann kommt ihr zusammen her. Und nachher fahren wir dann alle zusammen nach Hause.«

      Er hätte so gern mal allein mit Holger gesprochen, aber es ergab sich einfach keine Gelegenheit. Und mit seiner Mami wollte er dann auch nicht dieses leidige Thema, das ihn unentwegt beschäftigte, besprechen, da er merkte, daß sie gar nicht fröhlich gestimmt war.

      »Warum heiratest du Holger eigentlich nicht, Mami?« fragte er dann aber doch eines Tages, als der Termin von Winnies Hochzeit nun schon vor der Türe stand.

      »Wir werden schon mal heiraten«, erwiderte sie geistesabwesend. »Es gibt da noch Probleme.«

      »Meinetwegen«, sagte er nachdenklich. Sandra erschrak. Sie wußte nicht gleich eine Antwort.

      »Weil ich den anderen Vater habe«, fuhr Nico fort, »den, der Harrer heißt. Ich will aber wirklich nicht, daß sie mich in der Schule so anreden.«

      »Wir werden das schon regeln, Nico«, erwiderte Sandra. »Mach dir darüber keine Gedanken.«

      »Du machst dir auch welche«, meinte er.

      »Übermorgen kommt Ömchen. Ihr wollen wir darüber nichts sagen.«

      »Ist doch klar, Mami, sie soll sich nicht aufregen.«

      Die Wochen auf der Insel der Hoffnung hatten bei Annedore Diehl Wunder bewirkt. Ihre Nerven waren gestärkt, sie sah blendend aus und verströmte Ruhe und Zuversicht.

      Es wurde eine wunderschöne Hochzeit gefeiert. Winnie sah in dem festlichen Brokatdirndl bezaubernd weiblich aus, und Leo sah man es auch an, wie glücklich er war.

      Zum Sektfrühstück nach der standesamtlichen Trauung waren die Mitarbeiter von Leo und die Handwerker gekommen. Die kirchliche Trauung fand in einer weiter entfernt gelegenen Dorfkapelle unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. So hatten es Winnie und Leo gewünscht.

      Voller Andacht folgte Nico dieser Zeremonie. Es entging ihm aber dennoch nicht, daß Holger Sandras Hand an seine Brust drückte und sie ihren Kopf an seine Schulter lehnte. Nico war zufrieden. Er erklärte seinem Ömchen wenig später, daß die Mami und Holger wohl auch bald heiraten würden.

      »Schön wär’s ja!« entfuhr es Annedore.

      »Ich werde schon dafür sorgen«, erklärte er.

      Was ihn unentwegt beschäftigte, wußte Annedore nicht. Sie war nur sehr erstaunt, als Nico kategorisch nein sagte, als sie den Vorschlag machte, daß er mit ihr doch noch bis zum Schulbeginn in Kärnten bleiben könne.

      »Jetzt habe ich lange genug Ferien gemacht«, sagte er. »Ich will wissen, wie es Bettina geht. Sie denkt sonst, daß ich nicht mehr ihr Freund sein will.«

      Sandra hatte von Holger zwar erfahren, daß Helma Mosch gestorben und bereits begraben