von deinen Sorgen nicht ausschließt, Liebster.«
»Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll, Annette. Sie zeigt keine Einsicht.«
Sie streichelte seine Hand. »Du kannst mir morgen alles erzählen, Heiner. Es war ein langer Tag für dich.«
»Ein schlimmer Tag«, murmelte er. »Aber ich kann nicht schlafen, bevor ich dir nicht alles erzählt habe. Ich hatte nur den einen Wunsch, bald wieder bei dir zu sein, Ruhe. zu finden, zu wissen, daß nicht auch ihr Schatten zwischen uns steht.«
»Jetzt wird er nie mehr zwischen uns stehen«, sagte Annette. »Leg dich nieder. Dann kannst du erzählen, wenn du nicht zu müde bist.«
Und als er dann erzählte, als ihre Hände ineinander verschlungen zwischen ihren Wangen lagen, wußte sie, daß sie das verflixte siebente Jahr ihrer Ehe bereits überstanden hatten, obgleich noch ein paar Monate fehlten. Jetzt waren sie so Mann und Frau, wie sie es sich ersehnt hatte.
»Nichts wird uns trennen«, flüsterte sie, als er an ihrer Schulter einschlief.
»Ich wünsche mir eine Tochter, die so ist wie du«, murmelte Heiner.
»Wir haben doch schon eine«, sagte sie, aber das hörte er nicht mehr. Tiefe Atemzüge verkündeten, daß er nun endlich frei war von quälenden Gedanken. Und dann kam ihr noch flüchtig der Gedanke, wie ähnlich Bettina ihrem Vater war, aber der zwang nur ein Lächeln um ihre Lippen, denn sie liebte ja den Vater ihres Kindes. Sie hatte alle Zweifel überwunden.
*
Auch für Winnie gab es keine Zweifel mehr, daß sie aufrichtig geliebt wurde, und dennoch war dieses Erleben wie ein schöner Traum. So schnell konnte die Liebe einen Menschen verändern. Sandra konnte nur noch staunen, doch sie war klug genug, sich dies nicht anmerken zu lassen.
Sie machte lange Ausflüge mit Nico, um dessen übergroßes Interesse an der Einrichtung des Hauses zu dämpfen, solange Leo noch anwesend war. Der mußte dann allerdings bereits am Mittwoch nach Wien zurück, um ein großes Bauprojekt zu beaufsichtigen.
Am Abend dieses Tages überraschte Winnie ihre Freundin mit der Nachricht, daß die Hochzeit bereits in zwei Wochen stattfinden würde.
»Dann seid ihr noch da und gleichzeitig wird auch das Haus eingeweiht«, erklärte Winnie freudig.
»Nun, zu deiner Hochzeit wäre ich auf jeden Fall gekommen, das hätte ich mir nicht entgehen lassen«, meinte Sandra lächelnd. »Aber so ist es natürlich praktischer.«
Es war selbstverständlich für Winnie, daß sie Trauzeugin sein sollte. Und außerdem wollte sie natürlich auch Holger dabei haben.
»Du kannst ihn fragen, wenn er am Wochenende kommen sollte«, meinte Sandra.
»Wirst du ihn heiraten, Sandra?« fragte Winnie.
»Anstecken lasse ich mich von dir nicht«, erwiderte Sandra ausweichend. »Du weißt, daß ich augenblicklich ganz andere Sorgen habe.«
»Nimm Ulrich doch nicht zu ernst. Du weißt doch, wie wankelmütig er ist. Vielleicht möchte er einfach nur in Erfahrung bringen, ob du anderweitig engagiert bist.«
»Genau das habe ich auch schon gedacht, liebe Winnie«, sagte Sandra mit sanftem Spott. »Solange es keinen bestimmten anderen Mann in meinem Leben gibt, verhält er sich abwartend, aber wehe, wenn ich dann ja zu einem andern gesagt habe, dann beginnen die Störmanöver. Ich kenne ihn besser, als du meinst. Ich habe nichts sehnlicher gewünscht, als daß er endlich mal bei einer Frau landet, die ihn ordentlich in die Zange nimmt und nicht mehr ausläßt, und die ihm den Gedanken austreibt, daß er einen Sohn aus erster Ehe hat und ihn mit eigenen Kindern beglückt. Jedenfalls ist Holger zu schade, sich mit ihm auseinanderzusetzen.«
*
Aber schon am nächsten Tag wurde Holger Arnim mit Ulrich Harrer konfrontiert, und das konnte Sandra nicht verhindern. Ulrich erschien in der Kanzlei und verlangte Sandra zu sprechen. Er hatte seinen Namen nicht genannt. Holgers Sekretärin kannte ihn nicht und so verwies sie ihn, gewöhnt, daß manche Klienten anonym bleiben wollten, an Dr. Arnim.
»Ist mir auch recht«, sagte Ulrich ironisch und überzeugt, die noch junge Sekretärin so beeindruckt zu haben, wie er es gewöhnt war.
Holger war keineswegs beeindruckt. Er hatte damit gerechnet, daß Ulrich eines Tages in der Kanzlei auftauchen würde, wenn er Sandra zu Hause nicht erreichen konnte.
»Lange nicht gesehen«, sagte Ulrich zur Begrüßung mit einem arroganten Lächeln. »Wo steckt Sandra? Ich versuche schon seit zwei Tagen, sie zu erreichen. Es lag nicht in meiner Absicht, sie bei der Arbeit zu stören.«
»Sie macht Urlaub«, erwiderte Holger kühl. »Er war lange geplant.«
»Und sie hat meinen Sohn natürlich mitgenommen«, sagte Ulrich gereizt. »Lange geplant, daß ich nicht lache.«
»Meinetwegen können Sie ruhig lachen«, sagte Holger.
»Wohin ist sie gefahren?«
»Das weiß ich nicht.«
Ulrich kniff die Augen zusammen. »Das können Sie mir doch nicht weismachen. Oder arbeitet hier jeder für sich?«
»Allerdings.«
»Ich war der Meinung, daß dies inzwischen ein Familienunternehmen geworden ist«, spottete Ulrich.
»Dann haben Sie sich geirrt, Herr Harrer«, sagte Holger. Er war die Ruhe selbst. Ulrich betrachtete ihn spöttisch, aber Holger ließ sich nicht irritieren.
»Ich habe dringende Termine«, sagte er.
»Ich habe meine Zeit auch nicht gestohlen. Ich will meinen Sohn sehen«, erwiderte Ulrich.
»Das fällt Ihnen neuerdings ein. Sie können doch nicht erwarten, daß Sandra deswegen ihre Pläne über den Haufen wirft. Wozu das eigentlich?«
»Mein Sohn kommt zur Schule. Jetzt kann man schließlich mit ihm reden.«
»Das kann man schon lange.«
»Ich konnte bisher nicht zu Wochenendbesuchen tausend Kilometer fahren. Jetzt lebe ich wieder in München. Mein Vater ist krank. Er möchte seinen Enkel auch endlich kennenlernen. Sie wissen doch sehr genau, wie die Rechtslage ist, sonst müßte ich Ihnen diese von meinem Anwalt klarmachen lassen.«
»Ich habe keinen Einfluß auf gerichtliche Bestimmungen«, sagte Holger, »aber vielleicht denken Sie auch einmal an das Kind. Wollen Sie Nico unbedingt in Konflikte stürzen? Er kennt Sie doch gar nicht.«
»Dann wird es höchste Zeit, daß er mich kennenlernt. Ich werde die Firma meines Vaters übernehmen, und eines Tages wird Nico diese übernehmen. Das können Sie meiner Frau sagen, Herr Dr. Arnim.«
»Ihrer geschiedenen Frau«, sagte Holger eisig. »Und ihr wurde das Sorgerecht für das Kind gerichtlich zugesprochen, wenn ich Sie daran erinnern darf.«
»Und eines Tages wird Nico selbst entscheiden, wer ihm die besseren Möglichkeiten für die Zukunft eröffnet«, sagte Ulrich höhnisch.
Dann ging er grußlos, und Holger blieb an seinem Schreibtisch sitzen. Nur langsam wurde er seiner inneren Erregung Herr. Nun wußte er genau, wovor Sandra sich fürchtete. Ihre schlimmen Ahnungen waren nicht grundlos.
Aber wie sollte er es ihr beibringen, wie konnte er ihr helfen? Er wußte nun auch, warum sie ihm nicht einen Schritt entgegengekommen war.
»So geht es nicht, Herr Harrer«, dachte er laut, »so einfach wird es dir nicht gemacht werden! Nicos Leben wird nicht zerstört!«
*
Nico freute sich unbeschwert über jeden Tag mit seiner Mami, und ein paarmal hatten sie nun auch schon mit dem Ömchen telefoniert, der es auf der Insel so gut gefiel, daß die Trennung viel leichter zu ertragen war, als sie gemeint hatte. Ja, es tat ihr gut, sich ganz entspannen zu können, fern aller Hektik.
Sie telefonierte auch mit Holger. Der hütete sich freilich, ihr