er nachdenklich. »Und sie konnte ganz schön schimpfen mit Frau Mandi.« Ängstlich blickte er dann seine Omi an. »Gell, du bist gesund, Ömchen«, flüsterte er.
»Ich fühle mich sehr wohl«, beruhigte sie ihn.
»Was wird wohl Bettina gesagt haben«, überlegte Nico.
»Soviel ich weiß, ist sie noch bei ihrem Opa im Gebirge«, erklärte Holger.
Nico sah ihn verblüfft an. »Sie hat einen Opa?« staunte er, »das wußte ich gar nicht. Hoffentlich ist er netter als die Oma.«
Doch nach diesem Gespräch wich er nicht mehr von seines Ömchens Seite, und ständig erkundigte er sich danach, ob sie sich auch richtig wohl fühlte. Der plötzliche Tod von Bettinas Oma beschäftigte ihn auch nachhaltig.
Sandra dagegen war beruhigt, daß es in der Ehe der jungen Moschs nun wieder harmonisch zuging. Sie versprach Nico dann auch, daß er Bettina bald einladen dürfe.
Winnie und Leo verbrachten ihre Flitterwochen in ihrem wunderschönen Haus. Da hatte Winnie tatsächlich zeigen können, was in ihr steckte. Es war ein Traumhaus.
»Ihr wißt, daß ihr uns jederzeit willkommen seid«, sagte Winnie beim Abschied.
»Hast du das nächste Mal, wenn wir kommen, auch ein Kind?« fragte Nico sofort.
»So schnell wird es wohl nicht gehen«, erwiderte Winnie, und dabei wurde sie tatsächlich ein bißchen verlegen.
»Hast du gar kein Ömchen?« fragte Nico dann, »ich meine, wenn du mal Kinder hast?«
Damit konnten Winnie und Leo nicht aufwarten, und Winnie meinte, daß Nico froh sein könne, ein so liebes Ömchen zu haben.
»Aber noch schöner wär’s, wenn Holger von Anfang an mein Papi wäre«, raunte er ihr zu. »Ein bißchen bange ist mir schon, wenn der andere kommt.«
Winnie war es auch bange, um das Kind und auch um ihre Freundin. In dieser Situation fühlte sie sich ganz hilflos.
»Ist ja auch blöd, daß Sandra ausgerechnet an diesen Hallodri geraten mußte«, sagte sie zu Leo, als sie denn den wehmütigen Abschied hinter sich gebracht hatten. »Ich bin wirklich froh, daß mir so was erspart geblieben ist.«
»Hoffentlich enttäusche ich dich nicht«, meinte er neckend.
»Ich ziehe dir die Ohren lang«, erwiderte sie. »Aber wie man sieht, jung gefreit hat doch manchmal schon gereut.«
»Für uns war es aber höchste Zeit, damit unsere Kinder nicht zu alte Eltern bekommen«, meinte er.
»Willst du gleich mehrere?« staunte Winnie.
»Nicht auf einmal, aber hübsch nacheinander. Ich habe so an drei gedacht.« Winnie versank in Schweigen.
»Was meinst du?« fragte Leo verhalten.
»Schön wäre es«, sagte sie träumerisch. »Hoffentlich bin ich nicht wirklich schon zu alt. Ein bißchen bange ist mir schon.«
»Du bist noch keine dreißig, ich gehe schon auf die Vierzig zu, aber mir ist nicht bange, Winnie, jetzt nicht mehr, da du meine Frau bist.«
Sie waren glücklich. An ihrem Ehehimmel gab es keine Wolken, und Winnie hoffte innig, daß es auch so bleiben würde. Sie waren ja nicht mehr so jung, und jeder hatte seine Erfahrungen gemacht.
*
Zu Hause sei es auch wieder schön, hatte Nico festgestellt, doch Annedore entging es nicht, daß er lange nicht so lebhaft war wie früher. Oft ertappte sie ihn, daß er ganz still dasaß und vor sich hin starrte.
Nico wartete, voller Unsicherheit und freudlos, aber er wartete darauf, daß Ulrich Harrer, sein Vater, erscheinen würde. In ihm hatte sich so viel aufgestaut, was er loswerden wollte.
»Wir könnten ja mal vorbeischauen bei den Moschs, ob Bettina wieder daheim ist«, schlug Annedore vor, weil sie vermutete, daß er über seine kleine Freundin nachdachte.
»Ja, das können wir«, sagte Nico sofort bereitwillig.
Es war kein allzu weiter Weg, aber sie trafen niemand an.
»Sie werden sicher noch bei dem Opa sein«, meinte Nico nachdenklich, »aber wenn die Schule anfängt, müssen sie ja heimkommen. Habe ich eigentlich auch einen Opa, Ömchen? Ich meine einen, der Harrer heißt?«
Annedore zuckte zusammen. Nun hatte Nico doch dieses leidige Thema aufgegriffen, das auch sie so gern aus ihren Gedanken verbannen wollte.
»Ich weiß gar nicht, ob der noch lebt«, erwiderte sie ausweichend.
Nach kurzem Schweigen sagte Nico: »Das war sicher kein lieber Opa. Ist ja egal. Ich werde den Harrer einfach so ärgern, daß er gerne wegbleibt.«
»Ich hoffe, daß er gar nicht kommt«, murmelte Annedore.
»Aber Mami hat gesagt, daß er nicht zu bremsen ist. Reg dich darüber aber nicht auf, Ömchen. Das mußt du mir versprechen. Ich wollte ja eigentlich gar nichts sagen. Ich finde es nämlich blöd, wenn man einen Vater hat, den man gar nicht kennt.«
Nun, er sollte ihn bald kennenlernen, schneller als alle geahnt hatten. Als er mit seiner Omi heimkam, stand Ulrich Harrer vor der Tür. Das heißt, er saß noch in seinem Wagen, stieg dann aber schnell aus und begrüßte Annedore sehr höflich.
»Guten Tag, Nico, ich bin dein Vater«, sagte er dann.
Nico musterte ihn von Kopf bis Fuß.
Sonnengebräunt war Ulrich, sportlich gekleidet, und sein Lächeln war überaus freundlich.
»Tag«, sagte Nico lakonisch.
»Willst du mir nicht die Hand geben?« fragte Ulrich.
»Die ist dreckig. Ich muß mich erst waschen«, sagte der Junge.
»Dann wasch dich, und dann fahren wir spazieren«, sagte Ulrich.
»Ich muß erst meine Mami fragen, ob sie es erlaubt«, sagte Nico.
»Deine Großmutter wird es erlauben«, sagte Ulrich.
»Ich erlaube es nicht«, erwiderte Annedore steif. »Jedenfalls nicht, wenn Sandra nicht zustimmt. Ich weiß nur, daß ein Samstag im Monat bewilligt ist.«
»Müssen wir vor dem Kind darüber sprechen?« fragte Ulrich gereizt.
»Ich weiß Bescheid«, warf Nico ein. »Mami hat schon mit mir gesprochen. Aber ich kenne Sie überhaupt nicht.«
»Ich habe dir gesagt, daß ich dein Vater bin, und deine Großmutter wird es bestätigen.«
»Trotzdem kenne ich Sie nicht«, sagte Nico bockig. »Ich bin sechs Jahre alt und habe Sie noch nie gesehen.« Er blieb konsequent bei dem Sie, und er versetzte Ulrich damit in ratlose Verblüffung.
»Als du klein warst, habe ich dich oft gesehen«, sagte er.
»Daran kann ich mich aber nicht erinnern. Es mag wohl zu lange her sein.«
Seine gesetzte Ausdrucksweise irritierte Ulrich noch mehr. »Wir werden uns kennenlernen, Nico«, sagte er. »Es tut mir ja leid, daß ich dich nicht früher besuchen konnte.«
Nico legte den Kopf zurück. »Mir ist es nur recht«, erklärte er. »Haben Sie schon mit Mami gesprochen.«
Ulrich starrte Annedore feindselig an. »Diese Redewendungen sind doch nicht auf Nicos Mist gewachsen«, brauste er auf.
Nicos Augen sprühten Feuer. »Bei uns gibt es keinen Mist«, fauchte er, »bei mir auch nicht. Ich bin nicht dumm. Ich komme in die Schule. Ich bin nämlich auch schlauer als die meisten Kinder. Sie können ja Frau Mandi fragen.«
Ulrich änderte seinen Ton. »Ich habe mich so darauf gefreut, dich zu sehen«, sagte er. »Wir werden uns bestimmt gut verstehen, Nico.«
»Ich gehe erst mit, wenn Mami sagt, daß es nicht anders geht«, erklärte Nico trotzig.
»Gut,