»Daß ich es nicht vergesse, am Freitag heiratet der Peter Kleinschmidt. Da hätten wir gern frei.«
»Genehmigt.«
Bernd schüttelte den Kopf, als er Eva abholte. »Vielleicht sind wir wirklich blöd, Ev«, sagte er. »Den Boß können wir um den Finger wickeln.«
»Ihm wird es gefallen, daß wir es nicht versuchen, Bernd«, sagte Eva nachdenklich.
»Wenn er an raffinierte Leute geraten wäre, hätte er sich hübsche Läuse in den Pelz setzen können.«
Eva schüttelte den Kopf. »Dazu besitzt er zuviel Menschenkenntnis. Er ist ein feiner Mensch, ein ausgesprochener Glücksfall für uns, meinst du nicht? In einem anderen Betrieb hätten sie uns schon zu verstehen gegeben, daß es so doch nicht gehe.«
»Nun, manchen gibt das auch unser Boß zu verstehen. Er kann auch knallhart sein. Deshalb verstehe ich immer noch nicht, daß er mit uns direkt familiär umspringt. Wir haben uns doch wahrhaftig nicht bei ihm eingeschmeichelt.«
Eva blinzelte schelmisch. »Es ist ja auch nicht von heute auf morgen gekommen. Er hat uns immerhin ein paar Jahre beobachtet.«
»Dich, mein Schätzchen, ich bin ja noch nicht so lange in der Firma wie du. Wenn er jünger wäre, hätte ich wohl harte Konkurrenz zu fürchten gehabt.«
Damit hatte er die richtige Vermutung. Robert Walchow hatte es sich in vergangenen Jahren oft gewünscht, jung zu sein, doch jetzt hatte sich die doch recht schmerzliche Erkenntnis, daß er für Eva einfach zu alt wäre, verflüchtigt. Er hatte Annelie Trewitz kennengelernt. Sie ahnte allerdings nicht, wie oft und mit welchen Wünschen er an sie dachte.
Bernd hütete sich, eine Andeutung zu machen. Eva dachte sowieso nicht daran. Mit wahrem Feuereifer bereitete sie ihrem Ehemann die erste Mahlzeit im eigenen Heim zu, und dann wunderte sie sich selbst, wie gut sie ihr gelungen war.
»Du bist auf jedem Gebiet Extraklasse«, stellte Bernd lobend fest.
Sie bekam einen zärtlichen Kuß, er auch einen. »Weißt du eigentlich, daß wir uns noch nie gestritten haben?« fragte Eva.
»Kommt auch nie in Frage. Wenn wir mal Meinungsverschiedenheiten haben, wird sachlich diskutiert!«
*
Für Annelie begann der Samstag ärgerlich. Es ging gleich recht turbulent los. Anscheinend war überall der Putzteufel in Aktion, und die dazu nötigen Mittel wurden schon in aller Frühe verkauft. Aber dann kamen zwei junge Mädchen, die sich für Lippenstifte und Lidschatten interessierten und danach noch zwei, die Hautcreme verlangten und Barbara damit beschäftigten. Annelie hatte es so nebenbei erfaßt, daß Barbara von den anderen abgelenkt werden sollte, und sie kam gerade zurecht, als die beiden, die zuerst gekommen waren, einiges in ihren Taschen verschwinden ließen.
Für Annelie war so etwas immer fatal. Sie wollte kein Aufhebens davon machen, aber andererseits konnte man so etwas auch nicht durchgehen lassen.
»Findet ihr das richtig?« fragte sie leise, aber sehr bestimmt.
»Was denn?« fragte die Größere frech. »Haben wir schon mal Brüderschaft getrunken?«
»Wenn ihr so erwachsen seid, werdet ihr euch darüber wohl auch im klaren sein, daß das Diebstahl ist. Aber ich vergesse es, wenn ihr alles wieder auf den Tisch legt.«
»Müssen wir uns so was gefallen lassen, Isa?« fragte die Blonde. »So eine Unverschämtheit.«
»Allerdings«, sagte Annelie, immer noch Ruhe bewahrend. »Eine Unverschämtheit von euch, aber ich kann ja auch die Polizei rufen.«
»Und meine Eltern werden Sie verklagen«, zischte die Blonde.
»Oder entsetzt sein«, sagte Annelie.
»Ist was?« fragte Barbara, sich umwendend.
»Paß du lieber auch auf, Barbi«, sagte Annelie, doch da ergriffen die beiden, die Barbara bedient hatte, die Flucht. Barbara kam Annelie zu Hilfe.
»Ruf bitte die Funkstreife«, sagte Annelie.
Und als Barbara zum Telefon ging, bekam Annelie von der Blonden einen heftigen Stoß versetzt, so daß sie rückwärts taumelte, gegen das Regal mit den Nagellackflaschen.
Die beiden Mädchen rannten zur Tür, doch da stand Robert Walchow, der durch die Tür diesen Zwischenfall beobachtet hatte. Er packte die beiden mit hartem Griff an den Armen. Barbara hastete zu Annelie zurück, Robert bekam Hilfe vom Postboten, der ein kräftiger junger Mann war und eines der Mädchen anscheinend kannte.
»Diebische Elster« nannte er sie, und dann kam auch schon der Funkstreifenwagen.
Annelie, noch benommen, murmelte: »Ich wollte es ja so regeln. Diese dummen Dinger.«
»Bereits polizeibekannt«, sagte der Postbote. »Aber sie versuchen es immer wieder. Sind Sie verletzt, Frau Trewitz?«
Da merkte Annelie erst, daß sie in eine zerbrochene Flasche gegriffen und sich geschnitten hatte. Das Blut tropfte zu dem Nagellack auf den Teppichboden.
»Jetzt wird erst mal abgeschlossen«, sagte Robert Walchow mit erzwungener Ruhe.
Barbara war blaß, aber sie bewahrte Haltung. Die Polizeibeamten förderten zutage, was die beiden jungen Diebinnen eingesteckt hatten, und das war allerhand.
Annelie mußte ein paar Fragen beantworten, Barbara gab ihren Kommentar aus ihrer Sicht und beschrieb die beiden anderen so genau, daß man nur staunen konnte.
Nach einer halben Stunde herrschte Ruhe.
Die Tür blieb geschlossen. Robert Walchow hatte das Kommando übernommen.
Noch immer hatte Annelie nicht begriffen, wieso er hier war. Hilflos blickte sie ihn an.
»Der teure Teppichboden«, murmelte sie.
»Reg dich nicht auf, Annelie, das kriegen wir schon wieder hin«, sagte Barbara. »Jetzt kriegst du erst mal ein Schnäpschen, und dann holen wir Dr. Norden, damit er deine Hand anschaut.«
»Ach was, ich brauche keinen Arzt.«
»Es könnten Splitter darin sein«, sagte Robert Walchow, »und dieses Zeug ist für eine offene Wunde wohl auch nicht gerade gut.«
Das Schnäpschen war Melissengeist. Barbara rief Dr. Norden an. Robert sorgte dafür, daß Annelie in dem Drehstuhl sitzenblieb.
»Wir müssen doch wieder aufmachen«, sagte sie. »Kunden kommen, die ihre Fotos haben wollen. Die wenigstens dürfen wir nicht verärgern.«
Barbara zog den Vorhang zu dem kleinen Nebenraum zu. »Du bleibst hier sitzen, Annelie. Dr. Walchow paßt auf dich auf«, sagte sie energisch.
Seltsamerweise schien sie gar nicht überrascht, daß er hier erschienen war. Aber darüber dachte Barbara dann erst später nach. Sie war immer geistesgegenwärtig.
Dr. Norden kam, und das war gut. »Da werde ich Sie mal lieber mit in die Praxis nehmen, Frau Trewitz«, sagte er. »Die Hand muß schon richtig behandelt werden.«
»Ich komme mit«, erklärte Dr. Walchow.
Annelie fühlte jetzt starke Schmerzen. Sie sagte nichts mehr. »Ich mache das schon, Annelie«, wurde sie von Barbara noch beruhigt, die dann gleich Bernd und Eva herbeirief.
»Ich wußte nicht, daß man in einer Drogerie auch gefährlich lebt«, sagte Dr. Walchow auf der Fahrt zu Dr. Norden.
»Gestohlen wird überall«, bemerkte Dr. Norden.
»Hätte ich bloß nichts gesagt«, murmelte Annelie. »Sie ahnen ja nicht, was manche alles so nebenbei mitnehmen.«
»Die verführerische Selbstbedienung«, stellte Dr. Norden fest. »Aber diese Mädchen sind schon kriminell.«
»Sie kennen sie?« fragte Dr. Walchow.
»Der Name Isa ist mir sehr gut