Die mag ein Minner minnen
Mit Herzen und mit Sinnen.
Noch hört man Eine Rede viel,
Die ich nicht ganz verwerfen will:
Je mehr ein Herz, das Liebe plage,
Sich mit Liebesmären trage,
Je mehr gefährd es seine Ruh.
Der Rede stimmt' ich gerne zu,
Wär Eins nicht, das mir Zweifel regt:
Wer innigliche Liebe hegt,
Daß er im Herzen Schmerzen spürt,
Der bleibt von Schmerz nicht unberührt.
Der innigliche Liebesmuth,
Je mehr in seines Triebes Glut
Der brennt und liebend lodert,
Je mehr er Liebe fodert.
Dieß Leiden ist so voll der Lust,
Dieß Uebel thut so wohl der Brust,
Daß es kein edles Herz entbehrt,
Weil dieß erst Muth und Herz gewährt.
Mir ist gewisser nicht der Tod,
Nicht sicherer die letzte Noth,
Fühlt Einer Liebeswunden,
So liebt er Liebeskunden.
Wer solcher Mären trägt Begier,
Der hat nicht weiter als zu mir.
Ich weiß ihm wohl ein Märchen,
Ein edles Liebespärchen,
Das reiner Lieb ergab den Sinn:
Ein Minner, eine Minnerin,
Ein Mann ein Weib, ein Weib ein Mann,
Tristan Isold, Isold Tristan.
Ich weiß wohl, Mancher ist gewesen,
Der schon von Tristan hat gelesen.
Und doch, nicht Mancher ist gewesen,
Der recht noch hat von ihm gelesen.
Tret ich nun aber hin sofort
Und sprech ein scharfes Richterwort,
Als wolle mir ihr Aller Sagen
Von dieser Märe recht behagen,
So thu ich anders als ich soll;
Ich thu es nicht: sie sprachen wohl
Und nur aus edelm Muthe,
Mir und der Welt zu Gute.
Bei meiner Treu, sie meintens gut,
Und was der Mann in Güte thut,
Das ist auch gut und wohlgethan.
Und stellt ich doch das Wort voran,
Als hätten sie nicht recht gelesen,
Damit ists so bewandt gewesen:
Sie sprachen in der Weise nicht
Wie Thomas von Britannien spricht,
Der sich auf Mären wohl verstand
Und in britannschen Büchern fand
All dieser Landesherren Leben,
Davon er Kund uns hat gegeben.
Was der von Tristans Lebensfahrt
Uns Zuverläßges hat bewahrt,
Das war ich lang beflißen
Aus Büchern zu wißen,
Lateinischen und wälschen,
Damit ich ohne Fälschen
Nach seinem Berichte
Berichte die Geschichte.
So sucht' ich denn und suchte lang
Bis mir des Buches Fund gelang,
Darin all seine Meldung stand,
Wie es um Tristan war bewandt.
Was ich nun so gefunden
Von diesen Liebeskunden,
Leg ich nach freier Wahl und Kür
Allen edeln Herzen für,
Daß sie durch Zeitvertreib genesen:
Es ist sehr gut für sie zu lesen.
Gut? Ja ohne Zweifel gut:
Es süßt die Liebe, höht den Muth,
Befestigt Treu, verschönt das Leben,
Es kann dem Leben Werth wohl geben;
Denn wo man höret oder liest,
Daß reiner Treu ein Paar genießt,
Das weckt in treuen Mannes Brust
Zu Treu und aller Tugend Lust.
Liebe, Treue, stäter Muth,
Ehr und noch manches hohe Gut
Gehn dem Herzen nie so nah,
Gefallen nie ihm so wie da,
Wo man von Herzensliebe sagt
Und Herzeleid um Liebe klagt.
Lieb ist so reich an Seligkeit,
So selig macht ihr Glück, ihr Leid,
Daß ohne ihre Lehre
Niemand Tugend hat noch Ehre.
So viel die Liebe Gutes frommt,
So manche Tugend von ihr kommt,
Weh, daß doch Alles was da lebt
Nicht nach Herzensliebe strebt;
Daß ich so Wenige noch fand,
Die im Herzen lautern Brand
Um Herzensfreunde wollen tragen
Und einzig um das Bischen Klagen,
Das dabei zu mancher Stund
Verborgen liegt im Herzensgrund!
Wie litte nicht ein edler Sinn
Ein Übel für so viel Gewinn,
Ein Ungemach um so viel Lust?
Wer nie von Liebesleid gewust,
Wust auch von Liebesfreude nie.
Freud und Leid, stäts waren die
Bei Minne nicht zu scheiden.
Man muß mit diesen beiden
Ehr und Lob erwerben,
Oder ohne sie verderben.
Die, welchen ich dieß Buch geweiht,
Hätten Die um Liebe Leid,
Um Herzenswonne sehnlich Klagen
Vereint im Herzen nicht getragen,
So würd ihr Nam und dieß Gedicht
So manchem edeln Herzen nicht
Zu Trost und Freude frommen.
Noch heut wird gern vernommen,
Noch dünkt uns ewig süß und neu
Ihre minnigliche Treu,
Ihr Glück und Leid, ihre Wonn und Noth;
Und sind sie nun auch lange todt,
So lebt ihr süßer Name doch
Und soll ihr Tod den Leuten noch
Zu