Gottfried von Straßburg

Tristan und Isolde


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      Die mag ein Minner minnen

      Mit Herzen und mit Sinnen.

      Noch hört man Eine Rede viel,

      Die ich nicht ganz verwerfen will:

      Je mehr ein Herz, das Liebe plage,

      Sich mit Liebesmären trage,

      Je mehr gefährd es seine Ruh.

      Der Rede stimmt' ich gerne zu,

      Wär Eins nicht, das mir Zweifel regt:

      Wer innigliche Liebe hegt,

      Daß er im Herzen Schmerzen spürt,

      Der bleibt von Schmerz nicht unberührt.

      Der innigliche Liebesmuth,

      Je mehr in seines Triebes Glut

      Der brennt und liebend lodert,

      Je mehr er Liebe fodert.

      Dieß Leiden ist so voll der Lust,

      Dieß Uebel thut so wohl der Brust,

      Daß es kein edles Herz entbehrt,

      Weil dieß erst Muth und Herz gewährt.

      Mir ist gewisser nicht der Tod,

      Nicht sicherer die letzte Noth,

      Fühlt Einer Liebeswunden,

      So liebt er Liebeskunden.

      Wer solcher Mären trägt Begier,

      Der hat nicht weiter als zu mir.

      Ich weiß ihm wohl ein Märchen,

      Ein edles Liebespärchen,

      Das reiner Lieb ergab den Sinn:

      Ein Minner, eine Minnerin,

      Ein Mann ein Weib, ein Weib ein Mann,

      Tristan Isold, Isold Tristan.

      Ich weiß wohl, Mancher ist gewesen,

      Der schon von Tristan hat gelesen.

      Und doch, nicht Mancher ist gewesen,

      Der recht noch hat von ihm gelesen.

      Tret ich nun aber hin sofort

      Und sprech ein scharfes Richterwort,

      Als wolle mir ihr Aller Sagen

      Von dieser Märe recht behagen,

      So thu ich anders als ich soll;

      Ich thu es nicht: sie sprachen wohl

      Und nur aus edelm Muthe,

      Mir und der Welt zu Gute.

      Bei meiner Treu, sie meintens gut,

      Und was der Mann in Güte thut,

      Das ist auch gut und wohlgethan.

      Und stellt ich doch das Wort voran,

      Als hätten sie nicht recht gelesen,

      Damit ists so bewandt gewesen:

      Sie sprachen in der Weise nicht

      Wie Thomas von Britannien spricht,

      Der sich auf Mären wohl verstand

      Und in britannschen Büchern fand

      All dieser Landesherren Leben,

      Davon er Kund uns hat gegeben.

      Was der von Tristans Lebensfahrt

      Uns Zuverläßges hat bewahrt,

      Das war ich lang beflißen

      Aus Büchern zu wißen,

      Lateinischen und wälschen,

      Damit ich ohne Fälschen

      Nach seinem Berichte

      Berichte die Geschichte.

      So sucht' ich denn und suchte lang

      Bis mir des Buches Fund gelang,

      Darin all seine Meldung stand,

      Wie es um Tristan war bewandt.

      Was ich nun so gefunden

      Von diesen Liebeskunden,

      Leg ich nach freier Wahl und Kür

      Allen edeln Herzen für,

      Daß sie durch Zeitvertreib genesen:

      Es ist sehr gut für sie zu lesen.

      Gut? Ja ohne Zweifel gut:

      Es süßt die Liebe, höht den Muth,

      Befestigt Treu, verschönt das Leben,

      Es kann dem Leben Werth wohl geben;

      Denn wo man höret oder liest,

      Daß reiner Treu ein Paar genießt,

      Das weckt in treuen Mannes Brust

      Zu Treu und aller Tugend Lust.

      Liebe, Treue, stäter Muth,

      Ehr und noch manches hohe Gut

      Gehn dem Herzen nie so nah,

      Gefallen nie ihm so wie da,

      Wo man von Herzensliebe sagt

      Und Herzeleid um Liebe klagt.

      Lieb ist so reich an Seligkeit,

      So selig macht ihr Glück, ihr Leid,

      Daß ohne ihre Lehre

      Niemand Tugend hat noch Ehre.

      So viel die Liebe Gutes frommt,

      So manche Tugend von ihr kommt,

      Weh, daß doch Alles was da lebt

      Nicht nach Herzensliebe strebt;

      Daß ich so Wenige noch fand,

      Die im Herzen lautern Brand

      Um Herzensfreunde wollen tragen

      Und einzig um das Bischen Klagen,

      Das dabei zu mancher Stund

      Verborgen liegt im Herzensgrund!

      Wie litte nicht ein edler Sinn

      Ein Übel für so viel Gewinn,

      Ein Ungemach um so viel Lust?

      Wer nie von Liebesleid gewust,

      Wust auch von Liebesfreude nie.

      Freud und Leid, stäts waren die

      Bei Minne nicht zu scheiden.

      Man muß mit diesen beiden

      Ehr und Lob erwerben,

      Oder ohne sie verderben.

      Die, welchen ich dieß Buch geweiht,

      Hätten Die um Liebe Leid,

      Um Herzenswonne sehnlich Klagen

      Vereint im Herzen nicht getragen,

      So würd ihr Nam und dieß Gedicht

      So manchem edeln Herzen nicht

      Zu Trost und Freude frommen.

      Noch heut wird gern vernommen,

      Noch dünkt uns ewig süß und neu

      Ihre minnigliche Treu,

      Ihr Glück und Leid, ihre Wonn und Noth;

      Und sind sie nun auch lange todt,

      So lebt ihr süßer Name doch

      Und soll ihr Tod den Leuten noch

      Zu