Natalie Saracco

Zurück aus dem Jenseits


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Tränen. Wie konnte der Herr nur irgendetwas erwarten von einer totalen Loserin wie mir? Ich liebte ihn, aber so schlecht! Gnaden und Sünden wechselten sich ab: Sex, »Gott« und Rock ’n’ Roll. Es war völlig unmöglich, die Spreu meiner Verletzungen loszuwerden! Obwohl ich dagegen ankämpfte, unterlag ich. Immer wieder. Das Schlimmste war, dass ich an ihn dachte, selbst wenn ich versagte, und das brach mir das Herz! Dann war ich wütend auf mich, manchmal bis zu dem Punkt, dass ich mich nicht mehr ertragen konnte. Wie oft ich mich auf mein Motorrad – ein 600 ccm Rennmotorrad – gestürzt und an meinem offenen Grab vorbeigefahren bin, das weiß nur noch mein Führerschein, nicht wegen der Strafpunkte, sondern wegen seiner Löcher. Du sagst, du liebst den Herrn, schau doch, wie oft du ihn in den Schmutz ziehst wegen deiner Sünden! Das soll Liebe sein?! Zwar wiederholte ich den Satz des heiligen Paulus: Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will, doch es änderte sich nichts. Je mehr ich mich für völlig wertlos hielt, desto tiefer geriet ich in die Sünde hinein wie eine Frau, die sich auf die Waage stellt und merkt, dass sie zugenommen hat, und sich dann tröstet, indem sie den Kühlschrank leert!

      »Herr, du kannst tatsächlich nicht viele Freunde haben, wenn du dich auf jemand so Erbärmliches wie mich »stützen« musst. Ich spürte, dass mein Urteil, das ich über mich fällte, Gott nicht gefiel. Er allein ist der Richter, er wählt aus, nicht wir. Seine Wege sind nicht die unseren. Selbstverachtung ist ein »gefundenes Fressen« für den Widersacher, den Vater der Lüge und der Manipulation. Er hört nicht auf, uns kaputt zu machen, und stärkt sich an unserer Entmutigung. Wie die Mutter Oberin im Film La Mante Religieuse zu Isebel sagt: »Die Verzweiflung ist der schlimmste Feind des Menschen und der beste Verbündete des Bösen.« Das ist so wahr! Wir sollten nicht vergessen, dass der Teufel ein Ankläger ist. Wir sollten dafür beten, dass wir uns so sehen, wie wir sind, nicht beeinflusst durch unsere verdrehten Vorstellungen, sondern durch den Blick Gottes, im Licht des Heiligen Geistes. Und das ändert alles. Genauso wie es das »gute Cholesterin« und das »schlechte Cholesterin« gibt, gibt es auch ein »gutes« Schuldgefühl und ein »schlechtes«. Nur der Blick unseres barmherzigen Herrn bewahrt uns vor dem gefährlichen Schuldgefühl, das Selbstverachtung und den Absturz bewirken kann. Sich selbst abzulehnen, kann zum Schlimmsten führen, zum Selbstmord. Das Böse ist wie ein endloses Räderwerk, eine Art höllische Spirale, ein Fass ohne Boden. Je öfter ich falle, desto öfter schaue ich zu, wie ich falle … Und je mehr ich mich ablehne, desto mehr will ich, dass ich »dafür bezahle«. Prinzipiell ist es notwendig, seine Sünden zu erkennen, aber mit Gott und durch Gott. Selbstverständlich geht es nicht darum, ihn und seine Barmherzigkeit auszunutzen. Gott ist Liebe, Gott ist Vergebung, aber gerettet werden diejenigen, die sich nach ihm sehnen und sich Mühe geben. Die Liebe macht frei. Die Liebe zwingt nicht. Was würden Sie sagen, wenn ein Mann unter dem Vorwand, dass er seine Frau liebe, sie in seinem Keller doppelt anketten und sie zwingen würde, ihm zu gehören! Das ist alles andere als Liebe, oder?

      Die Begegnung mit dem Heiligsten Herzen Jesu hat mich mit mir selbst versöhnt. Es hat mich dahin geführt, mich »zu ertragen« und meine Ärmlichkeit und meine Grenzen zu akzeptieren. Nicht um sie zu rechtfertigen, sondern um sie mit ihm und durch ihn zu bekämpfen. Für Gott ist nichts unmöglich. Zuvor habe ich es selbst versucht und es war mir nicht einmal möglich gewesen, auch nur eine Stecknadel aufzuheben. Jetzt, mit ihm und durch ihn, versetze ich Berge! Mein Leben wurde verwandelt, seit ich mich seiner Barmherzigkeit übergeben habe wie ein Bündel schmutziger Wäsche. Endlich bin ich zur »Geliebten« in seinen Armen geworden, wovon ich immer geträumt habe!

      In diesem großartigen Zustand des verliebten Emporgehobenseins kam ich aus der Messe. Ein weiteres Mal war ich gerade noch davor bewahrt worden, mich innerlich zu verschließen. Meine asiatische Freundin, die ganz anders dachte, wartete an der Kirchentür auf mich. Als sie mich sah, wurde ihr fröhliches Gesicht ganz blass.

      »Was ist los? Habe ich Pickel auf der Nase?!«

      »Schau dich an«, sagte sie bewegt, »du strahlst wie ein helles Licht. Was ist da drinnen geschehen?«

      »Nichts«, antwortete ich automatisch.

      »Du leuchtest und deine Augen strahlen! Habt ihr in der Messe Gras geraucht, oder was?«, fragte sie und dachte, sie könnte ihre Emotionen hinter dieser humorvollen Ausflucht verbergen.

      Bei einem guten savoyischen Wein erzählte ich ihr alles. Zum ersten Mal machte sie sich nicht über mich lustig.

      Erst nachdem ich beinahe gestorben wäre und dem Heiligsten Herzen Jesu begegnet war, erinnerte ich mich an diese Geschichte. Sie kam mir plötzlich in den Sinn, wie wenn sich ein Schleier hebt, wie wenn ein Stück Stoff zerreißt … Es ist verrückt, wie man manchmal Dinge erst im Nachhinein erkennt. Trotz aller Zeichen, die Gott uns gibt, trotz der Botschaften, die er uns schickt, bleibt man »dieser Blinde am Wegrand«.

       Nach Sacré-Cœur

      Die Tage, Wochen und Monate nach dem Unfall reihten sich in atemberaubendem Tempo aneinander. Im Tempo des Glücks, das immer die Zeit zu beschleunigen scheint, wenn man davon erfüllt ist. Ich war eine verliebte Frau, die endlich ihrer großen Liebe begegnet ist. Meine Tage verbrachte ich auf den Knien, im Gebet vor einem Herz-Jesu-Bild. Ich bin darauf gestoßen, als ich in die Kapelle Unserer Lieben Frau von der Wundertätigen Medaille in der Rue du Bac in Paris ging, um Jesus und Maria dafür zu danken, dass sie mich beschützt hatten. Dieses typisch südländische Bild mit seinen lebhaften Farben sprach mein ganzes Wesen an. Der sanfte Blick des Herrn verriet die ganze Milde und Zärtlichkeit seiner Liebe und seiner Barmherzigkeit.

      Dann richtete ich mir einen kleinen »geistlichen Winkel« ein, in dem dieses Bild wie ein Oberhaupt hervorsticht, und er enthält auch eine Darstellung von Maria, die ihr unbeflecktes Herz darbietet. Ich hatte dieses Bild von der Jungfrau Maria schon lange, aber ich hatte nicht besonders darauf geachtet, was es darstellte. Neben Christus bekam es jetzt seine ganze Bedeutung: Die Heiligsten Herzen Jesu und Mariä ergänzen einander so sehr, dass sie zu einem einzigen werden. Ein einziges und einzigartiges Herz, das zur Ehre Gottes schlägt.

      Durch die posttraumatischen Schmerzen – es war ein Martyrium – war ich ans Haus gefesselt, und die Tage vergingen im Rhythmus von Gebet und Lektüre. Diese »Zwangsexerzitien« dauerten ein ganzes Jahr lang. Es war das schönste Jahr meines Lebens, in dem ich mich in die Arme meines Vielgeliebten schmiegte.

      Während einer Gebetszeit, in der ich das stille Gebet verrichtete, gab mir der Herr diese Erklärung: Mein Kind, ich habe dir diese Talente gegeben, damit du Filme zu meiner Ehre drehst!

      Was sollte das bedeuten? Außerdem erschienen mir diese Worte des Allerhöchsten wie ein Blitz aus heiterem Himmel, denn zurzeit gab es in meinem Leben nur noch Platz für ihn …

      Ich hatte mich dermaßen mit seiner Person vereinigt, dass alles Übrige kaum noch wichtig war. Mein ganzes Leben hätte ich so verbringen können, der Süße seiner Zärtlichkeit überlassen, die mich in jemanden verwandelte, der vor lauter Liebe völlig sorglos war.

      Das Echo seines Satzes erreichte mein armes Wesen immer wieder, das so klein war und so viel aufnehmen sollte, und schließlich verschwand er. Aber ohne dass es mir bewusst war, wie und warum, fand ich mich eines Tages an meinem Schreibtisch mit einem Stift in der Hand und bereit, sehr viele Papierseiten zu füllen.

      Wegen meiner Nackenschmerzen, die von der Heftigkeit des Aufpralls stammten, trug ich eine Halskrause und eine Schlinge um den Arm, was mir die Schreibaufgabe kein bisschen erleichterte. Aber ich wurde in diesem Zustand in die unglaubliche Geschichte von La Mante Religieuse katapultiert! Mehr Zuschauende als Handelnde entdeckte ich direkt, wie die Figuren unter meiner abenteuerlustigen Feder lebendig wurden. Damals begann auf dem Papier ein wilder Kampf zwischen den Protagonisten und mir, der Autorin, die entschlossen war, diesen aus Tinte bestehenden Eindringlingen nicht die Führung zu überlassen. Nach zwölf Tagen, am Ende eines erbitterten Kampfes, war das Drehbuch des Films fertig. Die erste Version war zweihundert Seiten lang! Alles war da, die Geschichte, die Dialoge und die Bildfolgen. Eine solche Erfahrung machte ich in meiner noch jungen Karriere zum ersten Mal. Bevor ein Autor zu schreiben beginnt, egal ob er Drehbuchautor ist oder Romancier,