ist denn jetzt schon wieder falsch?« Allmählich verlor Daniel Norden die Geduld.
»Ich bin jetzt deine feurige Frau.« Carlos zwinkerte Fee zu.
Die hielt die Hand vor den Mund, um nicht laut herauszulachen.
Wendy dagegen war starr vor Schreck.
»Der arme Herr Doktor.«
Danny grinste.
»Er wird es überleben.« Mit sichtlichem Wohlgefallen beobachtete er den Tanzlehrer, der seinen Vater über das Parkett schwenkte.
»Lass deinen Emotionen freien Lauf! Spür den Rhythmus im Blut!«, forderte Carlos seinen Tanzpartner auf.
Daniel spürte die Hände des Lehrers auf seinen Hüften. Es fehlte nicht viel, und er wäre schreiend davongelaufen. Ein Glück, dass die Musik gleich darauf endete.
»Das war doch schon viel besser.« Gemeinsam mit den Zuschauern applaudierte Carlos seinem Tanzpartner. »Und jetzt Partnertausch«, rief er gut gelaunt in die Runde.
Daniel nutzte das allgemeine Chaos, um sich davonzustehlen. Mit dieser Idee war er nicht allein. Kurz zuvor war Wendy auf das Sofa in der Ecke des Tanzsaales gesunken. Sie sah auf die Uhr an ihrem Handgelenk.
»Zum Glück ist es fast vorbei.« Daniel Norden setzte sich neben sie.
»Das klingt ja nicht gerade so, als ob Danny Ihnen eine große Freude gemacht hätte.«
»Ungefähr so viel, wie Ihre Frau Ihnen.«
»Wenigstens haben Fee und Danny ihren Spaß.«
Mit leuchtenden Augen und Wangen wirbelten Mutter und Sohn an der Couch vorbei. Vertieft in ihre Bewunderung bemerkten weder Wendy noch Daniel, dass das Unheil in Gestalt von Carlos nahte.
»Keine Lust mehr auf Salsa?«, fragte er.
»Natürlich haben wir Lust«, beeilte sich Daniel zu versichern. »Wir nehmen gerade Anschauungsunterricht.«
»Sehr schön.« Carlos strahlte von einem Ohr zum anderen. »Dann wollen Sie uns morgen zum Abschluss des Kurses bestimmt zeigen, was Sie alles gelernt haben.« Ohne eine Antwort abzuwarten, tänzelte Carlos davon.
Ein ganzes Meer an Falten kräuselte sich auf Wendys Stirn.
»Ich fürchte, das war die falsche Antwort«, stellte sie sichtlich deprimiert fest.
*
Wenn Tatjana Norden die Frühschicht in der Bäckerei übernahm, schlich sie schon im Morgengrauen aus der Wohnung. Danny dagegen übernahm die Aufgabe, Fynn zu wecken, mit ihm zu frühstücken und ihn in die Kinderkrippe zu bringen. Im Anschluss daran holte er sich seinen Guten-Morgen-Kuss in der Bäckerei ab.
Das Glöckchen über der Tür klingelte zur Begrüßung. Ein Duft wie in Großmutters Küche hüllte ihn ein und zauberte ihm ein Lächeln ins Gesicht.
Tatjana stand in der Backstube an der Arbeitsplatte und formte Brötchen aus dem Teig.
»Guten Morgen, schöne Bäckerin.« Er trat hinter seine Frau und küsste ihren Nacken.
Den Bruchteil einer Sekunde später brannte seine Wange wie Feuer. Tatjana starrte ihn an.
»Danny? Du?«
Er presste die Hand an die Wange.
»Hast du jemand anderen erwartet?«
»Bist du von allen guten Geistern verlassen? Wie kannst du mich so erschrecken?« Fragen über Fragen und keine Entschuldigung.
»Normalerweise hörst du mich zehn Meter gegen den Wind.« Der Einwand war berechtigt.
Ein Unfall und Jahre in völliger Dunkelheit hatten dafür gesorgt, dass sich Tatjanas übrige Sinne auf fast unheimliche Art und Weise geschärft hatten. Sie empfing Schwingungen von Körpern, hörte leiseste Geräusche, roch feinste Nuancen. Daran änderte sich auch nichts, nachdem sie einen Teil ihrer Sehkraft durch eine Operation zurückbekommen hatte. Noch immer verließ sie sich mehr auf Gehör, Nase und Intuition, als auf ihr Augenlicht. Trotzdem hatte sie das Glöckchenklingeln an diesem Morgen überhört.
»Ich war mit den Gedanken woanders«, gestand sie und klatschte die Teiglinge auf ein Backblech.
»Offenbar nicht bei schönen Dingen.« Danny tauchte einen Löffel in die Schüssel mit der Zuckerglasur, die auf Vanilleschnecken und Quarkecken, Apfeltaschen und Nusskämme wartete.
»Bei unseren Nachbarn, um genau zu sein.«
»Was haben Sie denn jetzt wieder angestellt?«
Tatjana wuchtete das Backblech auf die rechte Schulter. In weiser Voraussicht schlüpfte Danny an ihr vorbei und öffnete die Ofentür. Wie der Atem eines feuerspeienden Drachen schlug ihm die Hitze entgegen.
»Sie wollen doch tatsächlich einen Pool in ihren Garten bauen.« Tatjana schob das Blech hinein und versetzte der Ofentür einen Schubs.
Krachend fiel sie hinter den Brötchen zu.
»Wo ist das Problem?«
»Denk doch nur an den Baulärm. Mal abgesehen von der Gefahr für Fynn.« Tatjana wollte sich an ihrem Mann vorbei schieben, als Danny ihren Plan vereitelte. Er legte die Hände auf ihre Schultern und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen.
»So ein Aushub für ein Schwimmbad dauert höchstens ein paar Tage«, mutmaßte er. »Und bis Fynn über den Zaun klettern kann, hat er hoffentlich längst schwimmen gelernt.«
Seine Gelassenheit blieb nicht ohne Wirkung. Tatjana atmete durch, rang sich ein Lächeln ab und lehnte den Kopf an seine Schulter.
»Wahrscheinlich hast du recht«, räumte sie ein. »Aber wenn ich diese Giftspritze von Evelyn nur sehe, bekomme ich Bluthochdruck.«
»Ein Glück, dass bald der Winter kommt. Dann bekommen wir unsere Nachbarn hoffentlich nicht so häufig zu Gesicht. Und im Frühjahr besorge ich dir einen Boxsack. Dem macht es nichts aus, wenn du auf ihn eindrischt.«
Tatjana verstand den Wink mit dem Zaunpfahl und lächelte zerknirscht.
»Tut mir leid. Ich wollte dir nicht wehtun. Ich wollte Evelyn treffen. Oder Thomas. Oder beide.«
»Ich bin froh, dass es nicht Evelyn war. Sonst müsste ich jetzt ihren gebrochenen Kiefer behandeln.« Danny beugte sich über seine Frau und küsste sie zum Abschied. Für ein Frühstück reichte die Zeit nicht mehr, wenn er seine Patienten nicht warten lassen wollte. Auch das war eines der Dinge, die er von seinem Vater übernommen hatte und die sich nie ändern würden.
*
An diesem Vormittag gaben sich die Patienten die Klinke in die Hand. Fast schien es, als hätte sich halb München in der Praxis Dr. Norden verabredet. Trotz gewissenhafter Terminvereinbarungen war das Wartezimmer bis auf den letzten Platz besetzt. Notfälle wie ein Hexenschuss und eine Platzwunde am Kopf sorgten zusätzlich dafür, dass Wendy, Janine und Danny alle Hände voll zu tun hatten. An private Gespräche war noch nicht einmal zu denken. Ausgerechnet an diesem Tag! Dabei gab es so viel zu besprechen. Janine wollte alles über den Tanzkursus wissen. Wendy dagegen brannte auf Neuigkeiten über Arndt Stein. Sie musste sich bis mittags gedulden, bis nicht nur der letzte Patient, sondern auch Danny Norden die Praxis verlassen hatte.
»Na endlich!«, seufzte Wendy schließlich. Höchstpersönlich hatte sie den letzten Patienten des Vormittags zur Tür gebracht. Um ganz sicher zu gehen, dass wenigstens zwei Stunden lang Ruhe herrschte, drehte sie den Schlüssel im Schloss. Nicht ein Mal. Nicht zwei Mal. Gleich drei Mal. »Sicher ist sicher. Und jetzt will ich alles wissen.«
Janine lehnte sich zurück und ließ den vergangenen Abend noch einmal Revue passieren. Bis auf Maltes Geständnis waren es ungetrübte Stunden gewesen. Nachdem Arndt vom Hausbesuch bei seiner Patientin zurückgekehrt war, hatten sie es sich zu zweit im Wohnzimmer gemütlich gemacht. Wie im Flug war die Zeit vergangen, und Arndts Kuss zum Abschied hatte Lust auf mehr gemacht. Das verriet Janine ihrer Freundin