vielsagende Blicke.
»Da haben sich genau die Richtigen gefunden«, raunte sie ihm ins Ohr.
Ein Klatschen lenkte nicht nur Mutter und Sohn ab. Die Gespräche verstummten. Die Aufmerksamkeit der Tanzwütigen richtete sich auf den Mann auf der Bühne. Den Teilnehmerinnen blieben die Münder offen stehen. Doch Carlos schien sich seiner Wirkung nicht bewusst zu sein. Gut gelaunt wanderte er vor seinen Schülern auf und ab.
»Salsa cubana oder casino, wie diese Art zu tanzen in Kuba genannt wird, ist keine sture Abfolge auswendig gelernter Schritte und Figuren«, erklärte er mit weit ausgreifenden Gesten. »Vielmehr handelt es sich um eine besondere Art der Kommunikation.« Er blieb vor Wendy stehen, nahm ihre Hände und führte sie in eine Drehung. Wie eine Marionette folgte sie seinen Bewegungen. Das Publikum klatschte. Carlos verbeugte sich und schlenderte weiter. »Eine Kommunikation mit Gefühl, Witz und Erotik.« Diesmal war Fee an der Reihe. Sie wiegte sich in den Armen des Tanzlehrers, als hätte sie nie etwas anderes getan. »Das Erleben von Bewegung und Musik lässt ein intensives Tanzgefühl entstehen, das niemand je wieder vergessen wird.«
»Wenn ich es gar nicht lerne, kann ich es auch nicht vergessen«, murrte Wendy.
Zum Glück hörte Carlos ihre Worte nicht. Wieder klatschte er in die Hände.
»Bitte nehmt eine entspannte Tanzhaltung ein. Die Dame legt die linke Hand auf die Schulter und die rechte Hand in die linke Hand des Herrn. Perfekt. Und jetzt geht es auch schon los. Der Herr geht mit dem linken Fuß einen Schritt vor, die Dame mit dem rechten Fuß einen Schritt zurück. Und das Ganze wieder zurück. Ich zeige das einmal.«
Wieder war Wendy das Opfer.
»Und quick, quick, slow. Quick, quick, slow. Du bist ein Naturtalent.«
Wendy konnte sich nicht erinnern, ihm das Du angeboten zu haben. Doch sie war viel zu sehr mit ihrer Verlegenheit beschäftigt, als dass sie sich beschweren konnte.
»Das liegt nur an dem roten Kleid!«, raunte sie Danny zu, als sie wieder vor ihm stand.
»Ich finde, Sie machen das großartig.«
Fee schien mit ihrem Partner nicht ganz so zufrieden zu sein.
»Aua!«, rief sie und zog den Fuß an.
»Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass ich kein Talent zum Tanzen habe«, erwiderte Daniel ungerührt.
»Das machst du mit Absicht, damit du bald wieder heimgehen kannst.«
Carlos stand neben dem Ehepaar Norden und lachte.
»Darf ich bitten, schöne Frau.« Er machte eine Verbeugung. Fee legte ihre Hand in die seine und ließ sich in die Mitte führen. Es war Daniel anzusehen, dass er sie am liebsten festgehalten hätte. »Wir machen mit der Cucaracha weiter. Der Herr geht nach links, die Dame nach rechts. Zur Seite, zurück, schließen. Zur Seite, zurück, schließen.« Carlos zog Fees rechte Hand an die Lippen und küsste sie. »Alle Achtung. Du hast Feuer im Blut.«
»Deshalb ist sie auch meine Frau.« Daniel legte den Arm um Fees Schultern und schaute sehr böse.
Wendy konnte es ihm nicht verdenken.
»Dieser Lackaffe soll nur ja die Finger von der Frau Doktor lassen«, zischte sie Danny zu und machte einen Schritt nach vorn.
»Aua!«, schrie Danny auf. Sie war mit dem ganzen Gewicht auf seinen Zehen gelandet. »Könnten Sie bitte mir die Führung überlassen?«
»Nein, kann ich nicht.«
»Aber sonst können wir nicht tanzen.«
»Na und? Diese Suppe hast du dir selbst eingebrockt.« Schließlich legte Wendy die Hand aber doch wieder auf Dannys Schulter und wartete auf die Kommandos des Tanzlehrers.
*
Das heiße Fett zischte, als Arndt den Fisch in die Pfanne legte.
Malte ging hinter dem Küchenblock in Deckung.
»Vorsicht, sonst setzt du noch die ganze Küche in Brand.«
Sein Vater winkte ab.
»Gelernt ist gelernt.« Bewaffnet mit einem Pfannenwender wachte Arndt über seine Schätze. »Kannst du bitte mal die Gnocchi probieren? Ich bin mir nicht sicher, ob die Salbeibutter gelungen ist.«
Malte kam wieder zum Vorschein.
»Wenn ich noch mehr vorkoste, bin ich pappsatt, bis Janine zum Essen da ist.« Er legte den Kopf schief und beobachtete seinen Vater dabei, wie er den Fisch wendete. »Was ist heute los mit dir? Du hast doch sonst keine Zweifel an deinen Kochkünsten.« Ein Gedanke kam ihm in den Sinn. Er nahm eine Gabel aus der Schublade und spießte einen Kartoffelkloß auf. »Sag bloß, es liegt an Janine? Bist du etwa nervös?«
»Ein bisschen.« Arndt griff nach der Flasche Weißwein, die er schon bereitgestellt hatte. Er roch an der Öffnung, ehe er den Fisch mit einem großzügigen Schluck ablöschte. Der Alkoholdunst stieg hoch und verschwand in der Dunstabzugshaube. »Hast du schon die Tiramisu probiert?«
»Papa! Was soll das?«, fragte Malte noch einmal.
Arndt wischte die Hände an der blau-weiß-karierten Schürze ab und sah hinüber zu seinem Sohn.
»Also schön«, gab er sich endlich geschlagen. »Es ist wegen Dr. Norden. Er denkt, du hättest ein psychisches Problem.«
»Aha!« Mehr sagte Malte nicht dazu.
»Er denkt an eine Essstörung. Bulimie zum Beispiel. Das ist, wenn …«
»Erspare mir die Details!«, unterbrach Malte seinen Vater. »Ich weiß, was das ist. Und falls es dich beruhigt: Ich kann mir kaum etwas Ekligeres vorstellen.«
Arndt atmete auf. Er schaltete den Herd herunter, legte den Deckel auf die Pfanne und schenkte sich ein Glas Wein ein.
»Das habe ich dem Kollegen auch gesagt.« Er schlenderte auf Malte zu, legte die Hand auf seine Schulter und sah ihm tief in die Augen. Dabei trank er einen Schluck Wein. »Du würdest doch zu mir kommen, wenn du Probleme hättest, oder?«
Die Türklingel bewahrte Malte vor einer Lüge.
*
Der Besuch in Arndts Haus bestätigte den Eindruck, den Janine schon beim Rundgang durch seine Praxis gehabt hatte. Sie befand sich im Zuhause eines Mannes, der nicht nur den Grund-, sondern auch den Aufbauwortschatz des guten Geschmacks beherrschte. Das wurde ihr schon bei den ersten Schritten auf dem makellosen Echtholzparkett klar. Sie bewunderte die Naturaufnahmen über der Sofalandschaft, die von der indirekten Beleuchtung kunstvoll in Szene gesetzt wurden. Rechts neben der Terrassentür stand ein Sessel mit Blick in den Garten. Auf der Lehne lag eine Decke in Naturtönen, auf einem Beistelltisch ein paar Zeitschriften, eine davon aufgeschlagen. Es war gemütlich. Und doch hatte Janine den Eindruck, in der Kulisse eines Magazins für stilvolles Wohnen gelandet zu sein.
»Darf ich zu Tisch bitten?«
Sie drehte sich um..
»Sehr gern.«
Arndt fasste seine Besucherin sanft am Ellbogen und führte sie auf eine hochglänzende Edelstahlküche zu, in der ein großer Esstisch aus Nussbaum stand. Im Hintergrund lief leiser Barjazz. Ganz wohlerzogener Sohn schob Malte ihr humpelnd den Stuhl zurecht. Sein Vater servierte zuerst Salat und dann Fisch mit Reis. Das Gespräch plätscherte munter dahin. Malte beteiligte sich lebhaft daran. Ein gutes Zeichen, wie Janine befand, und schob eine Gabel Reis in den Mund.
»Ein Mann, der kochen kann! Es geschehen noch Zeichen und Wunder.« Sie tupfte einen Klecks Sauce aus dem Mundwinkel, faltete die Serviette zusammen und legte sie neben den Teller. »Da muss ich mich ganz schön ins Zeug legen, wenn ich mich für die Einladung revanchieren möchte.«
»Es freut mich, dass es dir geschmeckt hat.« Arndt prostete ihr zu.
Die Gläser klangen aneinander. Janine trank einen Schluck, ehe sie sich an Malte wandte.
»Und wie