Angela L. Forster

Heidejagd


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er ging zu Fuß oder ist mit dem Rad gefahren. Er war ein Naturfreund. Die Luft mit Abgasen zu verpesten, war gegen seine Überzeugung.“

      „Ihr Sohn hatte eine Beziehung mit Anna Weiler. Hat er erzählt, dass er wieder heiraten will?“

      Schubert lächelte angespannt. „Also war es doch schon so weit. Nicht nur eine kleine Auszeit, wie Hilde und ich gedacht haben. Auf dem Kühlschrank lagen Papiere, Hendrik wird sie vergessen haben. Sie kamen vom Gericht, aber … es könnte sich ja auch um andere Dinge gehandelt haben als … Wie will er heiraten, wenn er nicht geschieden ist?“, fragte Walter Schubert besinnend, dass sein Sohn sich weder scheiden lassen noch heiraten konnte. Unmerklich schüttelte er den Kopf, dann sah er Inka mit glasigen Augen an. „Und wer ist Anna Weiler?“

      „Ihr gehört die Firma Kobarski & Weiler in Schwindebeck.“

      „Das sagt mir nichts.“

      „Frau Weiler plant den Bau einer neuen Windparkanlage.“

      „Unser Sohn war mit einer Frau zusammen, die eine Windparkanlage bauen will? Das kann ich nicht glauben. Dem hätte er nie und nimmer zugestimmt, er war ein militanter Naturschützer.“

      „Sind Sie sicher, ich meine …“

      „Natürlich bin ich sicher. Er hat diese Anlagen verteufelt. Wisst ihr, hat er gesagt, wie viele Vögel diese Windräder das Leben kosten? Die Tiere geraten in die Rotorblätter oder fliegen gegen Masten. Es ist die zentrale Ursache des Artenschwundes, bei dem jedes Jahr Tausende Tiere sterben. Diese Offshoreanlagen seien das Aus für Vögel und Fledermäuse. Ich kann mich genau an seine emotionsgeladenen Ausführungen erinnern. Gerade letzte Woche, da sprachen wir …“ Der Senior zögerte kurz, schluckte, dann sagte er: „Hendrik war aufgeregt. Diese Anlagen seien ,Vogel-Schredderanlagen‘, gegen die massiv vorgegangen werden müsse.“

      „Und doch scheint es so gewesen zu sein, Herr Schubert.“

      „Ich kann das alles nicht glauben und ich würde jetzt wirklich gerne alleine sein.“

      „Nur noch eine Frage. Erlauben Sie uns, ins Haus und in das Zimmer Ihres Sohnes zu gehen?“

      „Bitte. Hendrik hat auf dem Sofa geschlafen, wir haben nur zwei Zimmer auf fünfundvierzig Quadratmetern.“

      Das Wohnzimmer des Mobilheims war spartanisch und doch modern mit einer dunkelblauen Polstercouch, über deren Armlehne eine graue Wolldecke hing, einem weißen Sideboard, auf dem ein Flachbildschirm stand, und einem Highboard gleicher Farbe ausgestattet. Ein Gummibaum rankte seine Verzweigungen über die Fensterfront. Der Boden war mit praktischem PVC in heller Holzoptik ausgelegt. Die Wände schmückten Landschaftsbilder.

      „Wo hat Ihr Sohn seine persönlichen Sachen aufbewahrt?“

      „Er hat nur ein paar Kleidungsstücke, seine Schulunterlagen und seinen Laptop mitgebracht. Alles andere ist im Haus bei seiner Frau. Sobald er eine Wohnung gefunden hat, wollte er sich um den Rest kümmern.“

      „Wohin?“, fragte Mark, als er Hendriks Laptop auf den Rücksitz gelegt und den Motor des Wagens gestartet hatte. „Zur Weiler oder zur Schülerin Marlene?“

      „Wie? Weiß ich nicht“, antwortete Inka nachdenklich. Sie hatten einen traurigen verzweifelten Mann zurückgelassen. Sie sah aus dem Beifahrerfenster. Zwei Jungen spielten auf der Sandstraße Fußball, als Mark den Campingplatz durch die hochgelassene Schranke verließ. „Lass uns zur Schülerin fahren, ich will wissen, was an der Aussage der Ehefrau dran ist.“ Es war kein neues Phänomen, dass Schüler, ob Mädchen oder Jungen ihre Lehrer anhimmelten. Doch bei Marlene hatte sie das Gefühl, dass die Schwärmerei weit darüber hinausging.

      Marlene zuckte gleichgültig die Schultern, als Inka und Mark sie auf ihre Beziehung zu Hendrik Schubert ansprachen.

      „Ich hab meine Eltern in der Klinik angerufen. Sie sind auf dem Weg. Sie werden nicht begeistert sein, dass Sie sie von ihrer Arbeit fernhalten. Meine Eltern sind die Inhaber der Schönheitsklinik Westmann-Hof, wenn Sie verstehen“, erinnerte sie Marlene.

      Inka wechselte einen schnellen Blick mit Mark, dann schmunzelte sie. Hier hatte sie eindeutig einen überheblichen Fall von ,Ich bin etwas Besseres‘ vor sich. „Wir haben Ihre Eltern nicht angerufen. Aber Sie können wählen, ob wir Sie hier verhören oder mit aufs Revier nehmen.“ Marlenes arrogantes Gehabe ging Inka gehörig auf die Nerven und das Wort verhören zeigte meist einsichtiges Benehmen. Nicht so bei Marlene.

      „Sie dürfen mich überhaupt nicht verhören.“

      „Sie sind volljährig. Außerdem ist uns gleichgültig, wer Ihre Eltern sind“, setzte Mark dagegen. Sein Geduldsfaden riss sekündlich. „Es wird unsere Fragen, die wir an Sie haben, nicht beeinflussen. Ob mit oder ohne Ihre Eltern.“

      Inka sah ihrem Kollegen an, wie er sich um Fassung bemühte. Mark war ein ruhiger besonnener Polizist, doch verwöhnte Töchter, die glaubten, mit ihrem Geld auch Macht kaufen zu können, hatte er zum Fressen gern.

      „Ich sagte ja, dass ich Ihre Fragen beantworte, aber nur im Beisein meiner Eltern. Und da Sie anscheinend keinen Haftbefehl haben, werden Sie entweder gehen oder warten, bis meine Eltern eintreffen.“ Marlene wartete keine Antwort der Kommissare ab, sondern wies auf ein weißes Ledersofa, das eingerahmt zwischen zwei leeren, mannshohen blumenbemalten Vasen stand und der Wartezimmeratmosphäre eines Schönheitschirurgen entsprach. „Mich müssen Sie so lange entschuldigen. Ruth wird Ihnen eine Erfrischung bringen.“ Sie winkte dem Hausmädchen, das aus der Küche eilte. Die Achtzehnjährige drehte sich um, warf ihre langen blonden Locken über die Schulter und stolzierte mit vorgerecktem Kinn Richtung Treppe. Marlene Westmann-Hof war eine wirkliche Schönheit, die sich nicht hinter einem berühmten Model verstecken musste. Ihre Wespentaille, Beine, die unendlich schienen, und ein Gesicht wie ein Kirchenengel bescherten jeder Agentur ein Welthonorar, zumindest, sollte Marlene diesen Berufswunsch einschlagen. Wie Inka und Mark von Direktor Busch erfuhren, beabsichtigte sie, in die elterlichen Fußstapfen zu treten.

      „Ich glaub es ja nicht, dieses Miststück“, sagte Mark.

      „Lass dich von so einer verzogenen Göre nicht provozieren“, flüsterte Inka, griff Mark am Arm und zog ihn auf das weiße Ledersofa im Foyer der Landhausvilla.

      Wie Inka befürchtet hatte, gestaltete sich das Gespräch mit den Westmann-Hofs schwierig. Ihre Tochter sei seit zwei Wochen volljährig und es sei durchaus nicht verwerflich, wenn sie für Männer in reiferem Alter schwärmte, sagten die Ärzte aus, während sie die Kommissare ins Wohnzimmer baten.

      Dass Marlenes Schwärmerei für einen verheirateten Lehrer Stalking sei, davon wollten die Eltern nichts wissen. Es sei alles lange her und ihre Tochter habe längst einen Freund in ihrem Alter. Gero Büchner, zwanzig Jahre, Autoschlosser, wohnhaft im Amelinghausener Kastanienweg.

      „Wir stehen in der Öffentlichkeit, was denken Sie? Die Situation mit der Schule ist vollends geklärt. Schließlich hat auch die Schule, wie unsere Tochter, einen Ruf zu verlieren“, meinte Torben Westmann-Hof zu verkünden. Ein gebräunter Mittfünfziger in noblem Zwirn, weißem Hemd und mit makellosen Zähnen. Als Arzt nahm man ihm seine vertrauenswürdige und kompetente Erscheinung ab, jedoch nicht als Privatperson. Von Äußerlichkeiten ließ sich Inka nicht blenden, schon zu viele hatte sie bröckeln sehen. Er reichte den Kommissaren die rechte Hand zum Gruß.

      „Haben Sie sich verletzt?“, fragte Inka, während ihr Blick auf einem Pflaster lag, das die linken Handknöchel vollends bedeckte.

      Torben Westmann-Hofs Mund ging zweimal auf und zu. Es schien, als wollte er Zeit schinden, bevor er antwortete. „Ein kleiner Unfall. Ich bin kein guter Handwerker, wenn es um grobmotorige Arbeiten geht.“ Mit der Hand wies er auf zwei schwarze Chesterfieldsofas, die sich getrennt von einem ovalen Couchtisch mit schwarzer Glasplatte gegenüberstanden. Eine düstere Kombination, die bei Inka keinen Zuspruch fand. Die Einrichtung eines Schönheitschirurgen hatte sie sich moderner, heller und geordneter vorgestellt.

      „Genau so ist es“, bestätigte Simone Westmann-Hof. Sie war hochgewachsen, blond und