Christoph Franceschini

Geheimdienste, Agenten, Spione


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Standpunkt“ wird in der Druckerei SETA gedruckt, der auch die Bozner Tageszeitung „Alto Adige“ gehört. Über diese Schiene läuft dann auch ein Teil der direkten Geldzuwendungen an die Zeitschrift.

      Einer der Köpfe des „Standpunkt“ ist von Beginn an Alfred Boensch. Boensch war vom Deutsch-Akademischen Austauschdienst noch vor dem Krieg als Lektor für deutsche Sprache nach Italien geschickt worden. 1940 ist er als Professor für Deutsch an der Universität Cagliari tätig. Während des Krieges dient er in der deutschen Mittelmeermarine als Übersetzer. Bei Kriegsende befindet er sich am Levico-See im Trentino – dem letzten Hauptquartier der deutschen Marine. Boensch versteckt sich in der darauffolgenden Zeit am Trentiner Landgut Fontanasanta der Neumarkter Familie von Lutterotti.46

      Alfred Boensch steigt in der Hierarchie der „Standpunkt“-Redaktion schnell auf. Als verantwortlicher Redakteur ist er am Ende der Chefpropagandist des Blattes. Als die Wochenzeitung 1957 eingestellt wird, übernimmt die Tageszeitung „Dolomiten“ den deutschen Journalisten. Alfred Boensch schreibt Dutzende Bücher über Südtirol, Festschriften für den Alpenverein Bozen und Meran und ist als Übersetzer tätig. Der Mann wird als Journalist bis zu seinem Tod in Südtirol überaus geschätzt.

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      Meraner Wochenzeitung „Der Standpunkt“: Alfredo Bitti und „Krasnoff “ als Informanten.

      Maria von Lutterotti erzählt dem Historiker Philipp Trafojer, dass Boensch sich schon in Fontanasanta immer sehr bedeckt hielt. So trat er ausschließlich unter dem Namen Bitti auf. Auf diesen Namen war auch ein Personalausweis ausgestellt. Auch seine Artikel im „Standpunkt“ zeichnet Alfred Boensch anfänglich als Alfred Bitti. Allgemein ging man davon aus, dass seine nationalsozialistische Vergangenheit der Grund für diese Tarnung sei.47 Dass man damit durchaus richtig liegt, zeigt sich in den Akten des italienischen Nachrichtendienstes SIFAR. Dort heißt es:

       Weil er Angst vor einer Inhaftierung durch die Alliierten hat und deshalb nicht mehr nach Deutschland zurückkehren will, nahm er die falschen Personaldaten von Alfredo Bitti an.48

      Diesen Aliasnamen entlehnt Alfred Boensch von seiner Frau Maria Domenica Bitti, die er 1947 heiratet. Als Alfredo Bitti arbeitet der deutsche Journalist ab 1948 auch als Zuträger für das SIFAR-Büro Verona. „Eine sehr gebildete Person, die auf sehr breite Bekanntschaften in Rom und in anderen Orten Italiens zählen kann“, beschreibt der SIFAR seinen Zuträger. Boensch ist nicht der einzige SIFAR-Informant in den Reihen der „Standpunkt“-Redaktion. Jahrelang schreibt auch ein Autor unter dem Pseudonym „Krasnoff“ für die Meraner Wochenzeitung. Hinter diesem Pseudonym verbirgt sich Walter W. Krause, ein deutscher Journalist, der 1948 in Triest als Übersetzer für die US-Army arbeitet. 1953 geht er dann in den Fernen Osten, zuerst nach Teheran und dann nach Afghanistan und Pakistan. Walter W. Krause, der auch für die deutschen Magazine „Der Spiegel“ und „Stern“ arbeitet, schreibt mehrere Bücher über Afghanistan und den Iran. Und auch Krause arbeitet als Informant und Zuträger für das SIFAR-Büro Verona.49

       Ich kann dir aber versichern, dass nichts unversucht gelassen wird, um wenigstens eine der genannten Personen anzuwerben.50

      Dabei ist das UAR beileibe nicht die einzige Behörde, die die SVP in diesen Jahren überwacht.

       SVP-Sitz auf Landeskosten

      Das „Ufficio per le Zone di Confine“ (UZC) wird 1946 von Regierungschef Alcide Degasperi gegründet. Das direkt beim Ministerrat angesiedelte Büro für Grenzzonen kümmert sich vorwiegend um zwei Gebiete: die Regionen Julisch Venetien und Trentino-Südtirol. Erster Leiter des UZC wird Silvio Innocenti, der 1946 Präfekt in Bozen war und somit die Südtiroler Situation bestens kennt. Das UZC ist nicht nur das technische Amt, das maßgeblich an der Ausarbeitung des Ersten Autonomiestatutes für die Region Trentino-Südtirol beteiligt ist, sondern das UZC – später in „Ufficio Regioni“ umbenannt – entwickelt sich bis zu seiner Auflösung im Jahr 1967 zu einer Art Schaltzentrale einer verdeckten Politik in den Regionen mit ethnischen Minderheiten. Vor allem in den 1950er-Jahren pumpt die Regierung über das UZC sehr viel Geld nach Istrien und Südtirol. Verdeckt werden Vereine, Institutionen und Programme gefördert, um die „Italianità“ dieser Gebiete zu stärken. In Südtirol werden nicht nur Dutzende italienische Pfarreien finanziert, es fließen auch Gelder für die Restaurierung des Siegesdenkmals (1948) oder in die Presseförderung – etwa an die italienische Tageszeitung „Alto Adige“ oder die deutschsprachige Wochenzeitung „Der Standpunkt“.51

      Ein Blick in das UZC-Archiv, das erst in den vergangenen Jahren durch die Südtiroler Historiker Andrea Di Michele und Giorgio Mezzalira vorbildlich erschlossen wurde, erlaubt auch Rückschlüsse auf den wirklichen Kenntnisstand der italienischen Sicherheitsbehörden in diesen Jahren. Denn im UZC laufen in diesen Jahren alle vertraulichen und geheimen Informationen zu und um Südtirol zusammen.

      Wie gut man dabei über Interna aus der Südtiroler Volkspartei informiert ist, wird am Bericht mit dem Titel „Besondere Situation in Südtirol – Kommentar der SVP zur Ernennung des neuen US-Botschafters in Italien“ vom 8. Dezember 1956 klar.52 Zum Jahreswechsel 1956/57 wird nämlich bereits bekannt, dass der US-Botschafter in Rom ausgetauscht wird. Auf die Botschafterin Claire Boothe Luce folgt James David Zellerbach. Obwohl Zellerbach seinen Posten als US-Botschafter in Rom erst Anfang Februar 1957 antritt, ist seine Ernennung bereits Thema auf einer Parteileitungssitzung der SVP. Im Bericht vom Dezember 1956 heißt es dazu:

      Eine sehr glaubwürdige Quelle teilt mit, dass im Laufe einer kürzlich in Bozen abgehaltenen Sitzung, die der Parteiführung vorbehalten war, die SVP-Vertreter neben lokalen Fragen auch die Auswirkungen erörtert haben, die die Ernennung des neuen Botschafters der USA auf die Südtirolfrage haben könnte.

       Man hat dabei mit Wohlwollen kommentiert, dass die Wahl des neuen Botschafters auf Zellerbach gefallen ist, weil:

      •er ist deutscher Abstammung, deshalb geht man davon aus, dass er gefühlsmäßig den Problemen der deutschen Volksgruppe in Südtirol positiv gegenübersteht;

      •er im Mai 1949 als Mitglied der E. C. A.-Mission [Economic Cooperation Administration, ein Teil des sogenannten Marshall-Planes – Anm. d. Autors] Südtirol besucht hat und dabei persönlich einige der aktuellen SVP-Vertreter kennengelernt hat.

      Zusatz: Man sagt, dass damals der Regionalratsabgeordnete Dr. Alfons Benedikter über gemeinsame amerikanische Freunde deutscher Herkunft freundschaftliche Kontakte mit Herrn Zellerbach aufgenommen habe, um die Genehmigung eines wirtschaftlichen Wiederaufbauplanes für die Provinz Bozen anzuregen, der diesem auch gleich vorgestellt wurde. Es geht aber nirgends hervor, dass nach diesem Plan die Südtiroler Wirtschaft durch einen direkten amerikanischen Eingriff gestärkt worden ist.

       Bisher gibt es keine Nachrichten über konkrete Initiativen vonseiten der SVP-Vertreter, die direkte Bekanntschaft mit Herrn Zellerbach auszunutzen.53

      Wie genau das Innenleben der SVP beobachtet wird und man auch auf Informanten aus Österreich zurückgreift, zeigt ein Bericht über eine vertrauliche Versammlung des „Bergisel-Bundes“ (BIB) am 8. Juni 1959 in Salzburg. An der Sitzung nehmen rund 20 Personen teil, unter diesen auch der Landessekretär der SVP Hans Stanek. Ihm gilt die besondere Aufmerksamkeit des Informanten. Im Bericht – der wie die meisten dieser Informationen auch dem italienischen Außenminister Giuseppe Pella zur Kenntnis zugeht – werden die Aussagen wiedergegeben, die der SVP-Landessekretär während der Besprechung macht. Unter anderem stellt Stanek in Salzburg auch die schwierige finanzielle Situation seiner Partei dar.

       Als Dr. Stanek auf die finanzielle Situation seiner Partei zu sprechen kam, hat er diese als durchaus kritisch bezeichnet, obwohl man 30.000 Mitglieder habe. Die politische Kampagne, die die Partei gestartet hat, auch auf internationaler Ebene, erfordert große finanzielle Anstrengungen; deshalb müssten