das UAR ein besonders wichtiger Informant. Denn von den insgesamt in dem Caputo-Bericht aufgeführten 50 Informanten ist er der Bestbezahlte. 1961 erhält „Erich Stolz“ monatlich immerhin 180.000 Lire für seine Dienste. Im Vergleich: Der Großteil der Informanten bekommt in diesen Jahren zwischen 5.000 und 50.000 Lire im Monat.21 Aber auch der in Sachen Verdienst an zweiter Stelle liegende Informant kommt aus Bozen. Der Informant mit dem Decknamen „Mumelter“ operiert von 1960 bis mindestens Mitte der 1970er-Jahre. 1961 erhält er monatlich 130.000 Lire vom Innenministerium.22
Ein anderer Bozner Informant läuft unter dem Decknamen „Laurin“. Der Spitzel bekommt 20.000 Lire im Monat vom Innenministerium. UAR-Chef Ulderico Caputo notiert:
Laurin – Bozen: Der Mitarbeiter, der erst vor Kurzem über den Vizequästor von Bozen angeworben wurde, hat mitgeteilt, dass er die Zusammenarbeit beenden möchte. Ihm wird deshalb der Betrag nur für den laufenden Monat ausgezahlt.23
Das Interesse der CIA
In den 1996 in Rom sichergestellten Akten des UAR24 findet sich auch ein als „Riservato“ (Vertraulich) klassifizierter Akt mit dem Titel „Schatten (Bozen)“.25 Er handelt sich um einen Briefwechsel aus dem Jahr 1960, der einen detaillierten Einblick in die verdeckte Arbeit des UAR erlaubt. In den über ein Dutzend Schreiben gibt es keinerlei offizielle Anrede, weder einen offiziellen Adressaten noch einen Absender. Die beiden Briefeschreiber reden sich nur mit ihren Übernahmen an: „Rico“ und „Pino“. Wobei schnell klar wird, dass „Rico“ in Rom sitzt und „Pino“ in Bozen. Die vertrauliche Anrede beruht nicht auf persönlicher Freundschaft der beiden, sondern ist vielmehr auf den konspirativen und geheimen Charakter der Korrespondenz zurückzuführen. In einem der ersten Briefe, die von Bozen nach Rom gehen, heißt es:
Lieber Rico,
aus Gründen der Vertraulichkeit und auch um zu verhindern, dass ich jedes Mal, wenn ich Berichte an die Division schicke, ein Begleitschreiben mitschicken muss, habe ich mir gedacht – außer du bist anderer Meinung – die Berichte mit der Matrikelnummer 1904, dazu einer fortlaufenden Nummer, sowie dem Wort „Schatten“, mein Pseudonym, zu kennzeichnen. So wird es in Zukunft sein, auch ohne Unterschrift.26
Heute kann man sagen, wer die Briefschreiber sind. Hinter „Rico“ verbirgt sich die Koseform von „Ulderico“, also Ulderico Caputo, ehemaliger Bozner Vizequästor und ab 1960 Chef des UAR. Hinter dem Pseudonym „Schatten“ und der Koseform „Pino“, oder in manchen Briefen auch „Peppino“, steht hingegen Giuseppe Testa. Der Polizeibeamte ist von 1949 bis Mitte der 1950er-Jahre Leiter des „Ufficio Vigilanza Stranieri“ in Triest. In dieser Funktion arbeitete er direkt mit dem UAR zusammen. Fast gleichzeitig mit dem Aufstieg Caputos zum UAR-Leiter erfolgt die Beförderung und Versetzung Testas nach Südtirol. Giuseppe Testa ist vom 6. Dezember 1959 bis zum 24. Juli 1963 Quästor in Bozen. Damit erlebt der Polizeibeamte die dramatischen Monate und Jahre der Bombenanschläge rund um die sogenannte Feuernacht und die Ermittlungen gegen den „Befreiungsausschuss Südtirol“ an vorderster Front mit.27 Aus dem streng geheimen Briefverkehr zwischen Ulderico Caputo und Giuseppe Testa wird deutlich, dass es neben dem offiziellen Dienstweg zwischen der Bozner Quästur und dem UAR in Rom von Anfang auch einen zweiten konspirativen Kanal gibt. So schickt etwa Caputo im Oktober 1960 den Südtirol-Bericht eines Informanten, den das UAR in Österreich angeworben hat, nach Bozen. Der UAR-Direktor fordert Giuseppe Testa auf, den Bericht zu analysieren:
Ich würde gerne die „offizielle“ Sichtweise deines Amtes zu dieser Sache kennenlernen: Schreibe mir deshalb auf deinem offiziellen Briefpapier und sage mir alles, was du weißt und was nach deiner Meinung in naher oder ferner Zukunft passieren könnte.28
Aus dem inoffiziellen Briefwechsel geht hervor, dass verschiedenste ausländische Nachrichtendienste sich in Bozen über die Südtiroler Situation direkt informieren. Ansprechpartner ist dabei Quästor Giuseppe Testa. So kommt am 25. Februar 1960 ein gewisser Leo Carter nach Bozen. Der Mann ist offiziell Beamter an der australischen Botschaft in Rom, zuständig für Fragen der Einwanderung. In einem vertraulichen Brief von Testa an Caputo erklärt „Schatten“ aber, dass es sich bei Carter um einen Angehörigen des australischen Nachrichtendienstes handle, der sich ein Bild über die Lage in Südtirol machen will.29 Zwei Wochen später berichtet „Schatten“ über den Südtirol-Besuch des amerikanischen Generalkonsuls in Venedig Charles Geretty. Der US-Diplomat will sich ebenfalls ein Bild über die Lage in Südtirol machen. Es kommt zu Aussprachen mit dem Bozner Abgeordneten der Democrazia Cristiana (DC) Alcide Berloffa, dem Kommandanten des IV. Armeekorps General Aldo Beolchini und dem Brixner Bischof Joseph Gargitter.30 Aus dem Schriftverkehr geht hervor, dass es vor allem die amerikanischen Nachrichtendienste sind, die sich in dieser Phase immer wieder für die Vorgänge in Südtirol interessieren. Anfang Februar 1960 meldet Giuseppe Testa an UAR-Direktor Ulderico Caputo:
Heute habe ich einen Brief vom amtsbekannten Salvatore Ac. bekommen, in dem er mir einen Besuch in der dritten Woche dieses Monates ankündigt, der Grund: Er möchte ein bisschen über die lokalen Probleme informiert werden. Ich werde mich dabei so verhalten wie in der Vergangenheit: Ich werde ihn zum Essen einladen und ihn dann zufrieden zurückschicken … mit leeren Händen.31
„Salvatore Ac.“ steht für den CIA-Agenten Salvatore Acampora. Acampora, 1922 in den USA geboren, Sohn italienischer Auswanderer, besucht in Neapel die Schule, lebt zuerst in den Vereinigten Staaten und kommt dann 1945 mit den US-Truppen nach Triest, wo er heiratet und sich niederlässt. Bis 1952 arbeitet er als CIA-Agent in Triest, übersiedelt dann bis 1957 nach Neapel, um danach wieder nach Triest zurückzukehren. Von 1964 bis 1970 arbeitet Acampora offiziell an der amerikanischen Botschaft in Rom. 1970 geht er mit 48 Jahren in Pension und kehrt nach Triest zurück, wo er bis in die 1980er-Jahre für die CIA tätig ist. Acampora stirbt am 28. September 1994 in Triest.32 Nach dem Besuch des CIA-Agenten erstattet Testa alias „Schatten“ am 25. Februar 1960 seinem römischen Vorgesetzten Caputo Bericht:
Heute bekam ich gegen 11 Uhr den Besuch des bekannten Acampora, der mich in ein Gespräch über die Situation in Südtirol verwickelt hat. Unter den verschiedenen Fragen, die er aus einem vorgefertigten Fragenkatalog ausgewählt und mir gestellt hat, fragte er auch nach der zahlenmäßigen Konsistenz der Partisanengruppen in dieser Zone und wenn möglich auch nach deren Nachschubquellen für Waffen, Munition, Lebensmittel und anderem … Ich habe mich darauf beschränkt zu sagen, dass wir bis jetzt keine Kenntnis von Partisanengruppen in dieser Gegend haben.33
Ulderico Caputo antwortet eine Woche später und gibt klare Anweisungen:
Was die Besuche vonseiten der Vertreter von bekannten ausländischen Nachrichtendiensten betrifft, die du erhältst, ist es unnötig, dass ich dir wiederhole, dass man sie nicht einfach gewähren lassen soll. Du kannst nach deiner Überzeugung alle jene Informationen weitergeben, die du geben willst: Für den Rest ersuche sie, dass sie sich an das Zentralbüro wenden, mit dem ihre jeweiligen Chefs ja eh schon im Kontakt sind.34
Aus diesem Briefwechsel geht klar hervor, dass US-Nachrichtendienste schon sehr früh detailliert über die Bildung einer illegalen Widerstandbewegung in Südtirol informiert sind. Gleichzeitig wird auch klar, dass die UAR-Leitung durchaus gewillt ist, ihre Informationen an die Amerikaner weiterzugeben. Noch deutlicher wird das ein Jahr später. Mitte Februar 1961 taucht bei Giuseppe Testa in der Quästur Bozen ein Mann mit der Visitenkarte von Ulderico Caputo auf. Es ist Bruno A. Francazi, ein Agent des „Counter Intelligence Corps“ (CIC), also des amerikanischen Militärgeheimdienstes. Francazi hatte bereits im Zweiten Weltkrieg Geheimdienstoperationen in Italien gegen die Deutschen geleitet.35 Im Nachkriegsitalien bleibt der Major als „Special Agent“ des CIC in Italien. Bis Ende der 1960er-Jahre ist er in der SETAF-Kaserne „Passalacqua“ in Verona stationiert. Bruno Francazi informiert sich im Februar 1961 über die Situation in Südtirol. Der CIC-Agent gibt dem Bozner Quästor seine Büronummer wie auch seine private Telefonnummer. Außerdem übergibt