Eine spartanische Frau konnte den Besitz ihres Mannes erben und verwalten, was dazu führte, dass sich im 4. Jahrhundert v. Chr. zwei Drittel des Grundbesitzes in Sparta in Frauenhand befand. Das Ergebnis dieser Gesellschaftsordnung war – auf den ersten Blick ein Paradox – ein Militärstaat, in dem Frauen einen höheren Stand innehatten als in Athen, dem Mutterland der Demokratie.
Sparta verschwand von der Bühne der Geschichte, und die Rechte der spartanischen Frauen fanden nur noch als widernatürliche Kuriosität Erwähnung. Platon und Aristoteles dagegen lebten fort als die beiden Säulen des philosophischen und wissenschaftlichen Denkens in der westlichen Welt, auf denen das wuchtige Gebäude des Christentums ruhte. Platons Theorie der Formen mit der ihr immanenten Verachtung für die sinnlich erfahrbare Welt und Aristoteles’ biologischer Dualismus, der Frauen als misslungene Männer betrachtet, lieferten das intellektuelle Rüstzeug für die vielen Jahrhunderte der Frauenfeindlichkeit, die folgen sollten.
5 Siehe Statistiken in: Steven Pinker, Das unbeschriebene Blatt. Die moderne Leugnung der menschlichen Natur, deutsch von Hainer Kober, Berlin, Berlin Verlag 2003, S. 18
6 Hesiod, Werke und Tage, übersetzt und herausgegeben von Otto Schönberger, Stuttgart, Philipp Reclam jun. 1996, S. 11
7 Ebd., S. 9
8 Hesiod, Theogonie, übersetzt und herausgegeben von Otto Schönberger, Stuttgart, Philipp Reclam jun. 1999, S. 49
9 Robert E. Meagher, Helen: Myth, Legend, and the Culture of Misogyny, London, New York, Continuum 1995
10 Hesiod, Werke und Tage, S. 11
11 Sarah B. Pomeroy, Frauenleben im klassischen Altertum, deutsch von Norbert F. Mattheis, Stuttgart, Kröner 1985, S. 63
12 Aus einer altbabylonischen Tafel, deren Text in die neueren Übersetzungen des Gilgamesch-Epos keinen Eingang gefunden hat.
13 Susan Blundell, Women in Ancient Greece, Cambridge, Harvard University Press 1995
14 Der griechische Dichter Semonides schrieb im 7. Jahrhundert v. Chr.: »Denn Zeus hat dies als größtes Übel geschaffen: die Frauen, und legte es uns als Fessel und unzerreißbare Bande an.«
15 Christopher Marlowe, Die tragische Geschichte vom Leben und Tod des Doktor Faustus, 4. Akt, deutsch von Alfred van der Velde, Stuttgart, Reclam 1966
16 Homer, Ilias, 6. Gesang, deutsch von Johann Heinrich Voß, Frankfurt am Main, Insel 1990
17 Euripides, Die Troerinnen, übertragen von Ernst Buschor, München, C. H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung 1957, S. 50
18 Sigmund Freud, Das Unbehagen in der Kultur. Und andere kulturtheoretische Schriften, Frankfurt am Main, Fischer 1997, S. 82f.
19 Aus dem Vorwort von Larousse Encyclopedia of Mythology, London, Hamlyn 1968
20 Zitiert in: Eva Keuls, The Reign of the Phallus, New York, Harper & Row 1985
21 »A Husbands Defense, Athens circa 400 B. C.« in: Mary R. Lefkowitz und Maureen B. Fant (Hrsg.), Women’s Life in Greece and Rome. A sourcebook in translation, Baltimore, The Johns Hopkins University Press, 3. Aufl. 2005
22 Pomeroy, Frauenleben im klassischen Altertum, a.a.O.
23 Ebd.
24 James N. Davidson, Kurtisanen und Meeresfrüchte. Die verzehrenden Leidenschaften im klassischen Athen, München, Siedler Verlag 1999
25 Keuls, The Reign of the Phallus, a.a.O.
26 Abby W. Kleinbaum, The War against the Amazons, New York, New Press 1983. »Verwundet, geprügelt, besiegt und niedergemacht mit den Speeren der klassischen Helden, mit der moralischen Entrüstung der Kirchenväter und zahlloser Kämpfer für das Christentum, mit den Künsten und Kräften der Helden der Renaissance, mit der Unerschrockenheit und Gier der Conquistadores der frühen Neuzeit, leben die Amazonen doch fort und begegnen uns wieder und immer wieder in der westlichen Kultur«, schreibt Kleinbaum in Anspielung auf die Hartnäckigkeit des Amazonen-Mythos.
27 Aristophanes hat in seinen ebenfalls im 5. Jahrhundert entstandenen Komödien ganz ähnliche Themen aufgegriffen und Frauen porträtiert, die sich gegen die gesellschaftliche und politische Ordnung und bestehende Moralvorschriften auflehnen. Zweifellos spiegeln sich in seinen Stücken die Sorgen, Interessen und Zwänge seiner Zeit wider. Aus der Tatsache, dass sich die Stoffe und Motive in Tragödien und Komödien gleichen, können wir schließen, dass beide ein relevantes Bild ihrer Zeit wiedergeben.
28 Sophokles, Antigone, 2. Akt, 1. Szene, übersetzt von Friedrich Hölderlin, Frankfurt am Main, Insel 1979
29 Ebd.
30 »Hippolytos«, in: Euripides, Tragödien, übersetzt von Hans von Arnim und Franz Werfel, Wiesbaden, Berlin, Vollmer 1958, S. 105
31 Platons Dualismus war kein neuer Gedanke. Im 6. Jahrhundert v. Chr. hatte Pythagoras eine Tabelle der Gegensätze aufgestellt. Die Tabelle enthielt zehn Begriffspaare, die der Überzeugung des Philosophen nach die Welt beherrschen, darunter gut/böse, rechts/links, Licht/Dunkelheit, begrenzt/unbegrenzt und männlich/weiblich. Auch die vier Elemente, die in der Auffassung der Antike die gesamte Natur ausmachten, bildeten zwei Gegensatzpaare: Feuer und Luft, Erde und Wasser. In dieser Sicht war der Unterschied zwischen Mann und Frau ein ewiger und unveränderlicher Gegensatz und eine nie versiegende Quelle des Konflikts.
32 Karl Raimund Popper, »Der Zauber Platons« in: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Bd.1, Tübingen, Mohr, 7. Auflage, 1992
33 Platon, Politeia. Der Staat, nach der Übersetzung von Friedrich Schleiermacher, in: Platon, Werke in acht Bänden, vierter Band, hrsg. von Gunther Eigler, Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2001, S. 473
34 Ebd., S. 415
35 Ebd., S. 397