Jack Holland

Misogynie


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geschlechtlichen Dichotomien wie die vom »guten« und vom »bösen« Mädchen.

      Hesiod verfasste seine Schriften etwa fünf Jahrhunderte, nachdem die Stämme, aus denen später die Griechen wurden, als Eroberer in den Mittelmeerraum eingedrungen waren und neben dem griechischen Festland auch die umliegenden Inseln und die westlichen Küstengebiete Kleinasiens (die heutige Türkei) besetzt hatten. Im 6. Jahrhundert hatten sich die Griechen im Westen bis nach Sizilien, in die Küstenregionen Süditaliens und an die Südostküste Galliens (des heutigen Frankreich) ausgebreitet. Sie brachten ihr Pantheon kriegerischer Götter mit, deren Mächtigster Zeus mit dem Donnerkeil war. Nun ist eine Kultur noch nicht zwangsläufig frauenfeindlich, nur weil sie ein paar gewalttätige Kriegsgötter hat. Ältere Kulturgruppen, auf die die Griechen bei ihren Eroberungszügen stießen, wie die Ägypter oder die Babylonier beispielsweise, hatten Kriegsgötter in Hülle und Fülle, aber sie hatten nichts, was dem Mythos vom Sündenfall vergleichbar gewesen wäre. Im sumerischen Gilgamesch-Epos, das um 3000 v. Chr. in Mesopotamien entstand, gibt es einen Helden, der wie Prometheus die Götter herausfordert. Gilgamesch tut dies, indem er gleich ihnen Unsterblichkeit erlangen möchte; aber in diesem Fall wird keine Frau zum Instrument eines rachsüchtigen Gottes gemacht, der die Männer dafür bestraft, dass sie das Schicksal der Sterblichkeit nicht hinnehmen wollen. Gilgamesch macht auch nicht die Frauen für das »Los der Menschen« verantwortlich; daran, dass wir sterben müssen, sind die Götter schuld. Die Göttin, die über das Paradies herrscht, sagt zu Gilgamesch:

      In der nomadischen Kultur der Kelten, die sich etwas später in Nordwesteuropa ausbreitete, gab es zwar ebenfalls jede Menge Geschichten vom gefundenen und verlorenen Paradies, aber den Mythos vom Sündenfall sucht man auch hier vergebens. Wie die Sumerer stellten sich die Kelten das Paradies als blühenden Garten vor, in dem schöne Frauen herrschen und die Männer verführen, sich einem Leben in Glückseligkeit hinzugeben. Der einzige Konflikt, der daraus resultiert, ist der innere Zwiespalt des Mannes, der zwischen Heimweh und seinem Verlangen nach den Frauen des Gartens hin- und hergerissen ist. Hier gibt es die Lust, aber ganz ohne negative Folgen. Die Kelten kennen keine Entsprechung der Pandora oder der Eva.

      Die Götter des Pantheon – der Überlieferung nach auf dem Olymp angesiedelt – wurden zu den Nationalgöttern Griechenlands und erhielten ein paar charakteristische Wesenszüge. Vier der fünf höheren Göttinnen sind entweder jungfräulich oder geschlechtslos. Die wichtigste von allen, Athene, ist so androgyn wie die Freiheitsstatue im Hafen von New York. Sie wird gewöhnlich mit Schild, Schwert und Helm dargestellt, gekleidet in ein langes, schweres Gewand, das ihre Körperformen verhüllt. Aphrodite, die Göttin der Liebe, verhält sich gelegentlich wie ein himmlischer Schwachkopf. Die Geschlechtslosigkeit der griechischen Göttinnen steht in eklatantem Gegensatz zur gewalttätigen Draufgängernatur ihrer männlichen Gegenparts. Und zu allem Überfluss steht dem griechischen Pantheon mit Zeus ein Serienvergewaltiger als Göttervater vor. Fast alle seine zahlreichen Nachfahren sind durch Vergewaltigung einer sterblichen Frau gezeugt, mit Ausnahme von Athene und Dionysos, die Zeus höchstpersönlich gebiert. Athene entspringt – in voller Rüstung, mit Schwert und Schild – dem Kopf des Zeus, Dionysos wird aus seinem Schenkel geboren.

      Alle Religionen verlangen von uns, dass wir an das Unmögliche glauben. Im Schöpfungsmythos um Pandora, in dem Männer ohne weibliches Zutun das Licht der Welt erblicken können, drückt sich die männliche Wunschvorstellung von einer autarken, von Frauen gänzlich unabhängigen Existenz aus. Der unmögliche Wunsch gipfelt im griechischen Pantheon in dem männlichen Anspruch, Frauen ausgerechnet da für überflüssig zu erklären, wo sie tatsächlich unentbehrlich sind – bei der Fortpflanzung. So absurd der Mythos vom Göttervater, der zur Mutter der Götter wird, auch klingen mag, erhielt er doch Auftrieb durch Aristoteles’ Lehre, in der die Rolle der Mutter während der Schwangerschaft als eine rein nährende definiert ist. Er sah sie als passive Empfängerin des männlichen Samens, der außer der Umgebung alles enthält, was der Fötus zu seiner Entwicklung benötigt. Was immer die Frauen können, die Männer können es offenbar besser – auch wenn man noch von keinem griechischen Mann gehört hat, der sich darum gerissen hätte, Möglichkeiten seiner Befruchtung und Gebärfähigkeit zu erforschen.

      Die Frauenfeindlichkeit breitete sich in Griechenland im 8. Jahrhundert v. Chr. genau zu der Zeit aus, als der Einfluss der Familiendynastien nachließ und die Macht auf den Staatskörper des Stadtstaates überging. Die Historikerin Susan Blundell schreibt:

      Bündnisse zwischen Adelsfamilien waren von großer Bedeutung, und die Frauen spielten beim Knüpfen solcher Bande eine entscheidende Rolle. Das spiegelt sich im Werk Homers, eines der begnadeteren Zeitgenossen Hesiods. In der Ilias, der Geschichte von der Belagerung Trojas, hat Menelaos von Sparta seiner Gattin Helena die Königswürde zu verdanken. Für ihn ist es nicht nur ihrer unvergleichlichen Schönheit wegen lebenswichtig, Helena wiederzubekommen, nachdem sie sich mit Paris nach Troja davongemacht hat, sondern vor allem deshalb, weil sein Thron davon abhängt.

      O töte sie, ich preise dich darum!

      Schau sie nicht an, sie weckt die alte Glut!

      Sie fängt die Männer, sie zerstört die Stadt,

      Verbrennt die Häuser mit dem Zauberblick,

      Hekabes mahnende Worte sind vergebens. Menelaos braucht Helena so sehr und so groß ist sein Verlangen nach ihr,