Jack Holland

Misogynie


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besitzen; wir halten Beischläferinnen zu unserer Bedienung und täglichen Pflege, die Hetären zum Genuss der Liebe«, soll Demosthenes, der bedeutendste Redner des antiken Athen, einmal gesagt haben. Diese Abgrenzung, die weibliche Tugend mit Asexualität gleichsetzt, wird bis heute dazu benutzt, Frauen zu entmenschlichen.

      Angesichts der Vielzahl der Grenzen, die den Frauen gesetzt waren, verwundert es nicht, dass unter den Männern die Beschäftigung mit dem Thema Grenzüberschreitung durch Frauen fast obsessive Züge annahm. Symptomatisch für diese Obsession war die Faszination der Griechen für die Amazonen, dieses legendäre Volk von Frauen, das die männlichste aller Domänen, nämlich die organisierte Kriegsführung, für sich erobert hatte. Zum ersten Mal im 5. Jahrhundert bei Herodot (dem Vater der Geschichtsschreibung) erwähnt, tauchen die Amazonen in der griechischen Kunst und Literatur immer wieder auf, und das Thema hat sich bis heute gehalten. Der griechischen Überlieferung zufolge lebten die Amazonen an den Grenzen der Zivilisation und widmeten sich ausschließlich ihren kriegerischen Ambitionen. Männer ließen sie nur in ihre Nähe, wenn sie sich paaren wollten, von den Sprösslingen dieser Begegnungen zogen sie nur die weiblichen auf, die männlichen Kinder wurden ausgesetzt. Die Amazonenkultur ist das Spiegelbild des patriarchalen Athen. In der Amazone trifft die männliche Fantasie vom autarken Mann auf ihr alptraumhaftes Gegenteil, die autarke Frau.

      Die Ängste des Mannes vor der Frau, die ihr gesetzte Grenzen überschreitet, finden ihren nachhaltigsten und denkwürdigsten Ausdruck in den griechischen Dramen. Sämtliche erhaltenen Tragödien wurden innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne im 5. Jahrhundert von attischen Dichtern geschrieben. Es gibt nur ein einziges Stück aus dieser Zeit, nämlich Philoktetes von Sophokles, in dem keine Frau vorkommt. In den Titeln von mehr als der Hälfte aller Tragödien taucht der Name einer Frau oder eine andere weibliche Anspielung auf. Das Interesse der Dichter richtete sich auf Frauen und ihre ungeheuerlichen Taten.

      In Medea von Euripides ermordet die gleichnamige Heldin ihre Kinder, um sich an ihrem Mann, dem mythologischen Helden Jason, zu rächen, als dieser sie verlässt und eine andere Frau heiraten will. In Agamemnon von Aischylos nimmt sich Klytaimnestra einen Geliebten, als ihr Mann gen Troja in den Krieg zieht; nach seiner Heimkehr ermordet sie ihn und reißt die Staatsmacht an sich. In Sophokles’ Elektra überredet Agamemnons Tochter ihren sich sträubenden Bruder Orest, aus Rache für den Mord an ihrem Vater nunmehr ihre Mutter Klytaimnestra zu töten. Antigone erzählt die Geschichte einer Frau, die entgegen dem Verbot ihres Onkels Kreon ihren Bruder bestattet und dafür zum Tod durch Einmauern verurteilt wird. In Euripides’ Tragödie Die Bakchen wird berichtet, wie die Anhängerinnen des orgiastischen Weingottes Dionysos in Amazonen verwandelt werden. Sie ziehen plündernd durch die Lande, zerstören alles, was ihnen in den Weg kommt, besiegen einen Trupp Soldaten im Kampf und zerreißen König Pentheus bei lebendigem Leib, als er sie heimlich bei einer ihrer angeblichen Orgien beobachten will.

      Die Botschaft ist ambivalent, wenn nicht gar widersprüchlich. Einerseits zeigt der Dichter Verständnis für die Frauen, die durch Leid und Unterdrückung zur Auflehnung getrieben wurden, andererseits unterstreicht er in der daraus resultierenden Gewalt und Barbarei das Bild von den Frauen als Naturereignis, als wilde und irrationale Geschöpfe, die eine Bedrohung der von Männern geordneten Welt sind. Am vehementesten wird dies in einem Werk zum Ausdruck gebracht, das geradezu beispielhaft ist für die Frauenfeindlichkeit damaliger Literatur, nämlich in Hippolytos von Euripides:

      Fluch euch! Ich werde nimmer satt, die Weiber

      Zu schmähn, ob man auch spöttelt, dass ich’s tu.

      Denn immer sind von Grund aus schlecht auch sie.

      Und wer sie nicht zur Keuschheit kann erziehn,

      Auch wenn die Ungerechtigkeiten, unter denen die Frauen zu leiden haben, erkannt werden, bleibt doch die Notwendigkeit bestehen, die patriarchale Ordnung zu verteidigen, in deren Rahmen sie geschehen.

      Die Sicht der Frau als »das Andere«, als Antithese des Mannes, spricht deutlich aus den griechischen Dramen. Dafür, dass sich dieser Dualismus der Geschlechter in der abendländischen Kultur so nachhaltig eingebürgert hat, tragen nicht zuletzt Platon und Aristoteles die Verantwortung, die ihn philosophisch und wissenschaftlich untermauert haben.

      Platon (429–347 v. Chr.) wird von vielen als der bedeutendste und einflussreichste Philosoph aller Zeiten – von der Antike über das Mittelalter bis zur Neuzeit – angesehen. Seine Ideen über das Wesen der Welt haben sich überall dort, wo die abendländische Kultur und ihr kämpferischster Eroberungstrupp, das Christentum, Fuß fassen konnten, ausgebreitet und die intellektuelle und geistige Entwicklung in Erdteilen und Ländern beeinflusst, die zu Platons Zeit noch gar