Stadt Belfast, in der ich aufgewachsen bin, hatte ihre eigenen spezifischen Animositäten. Der sektiererische Hass, von dem sie erfüllt war, machte sie zu einem Synonym für Gewalt und Blutvergießen. Aber einen Punkt gab es, in dem sich die verfeindeten Gruppen der Katholiken und Protestanten einig waren: der verachtenswerte gesellschaftliche Status der Fotze.
In dieser Hinsicht unterschied sich Belfast nicht sonderlich von anderen verarmten Industrieregionen Großbritanniens, in denen eine alltägliche Form der Frauenmissachtung, nämlich Gewalt in der Ehe, ziemlich weit verbreitet war. Männer mischten sich ein, wenn ein anderer Mann seinen Hund mit Fußtritten traktierte, fühlten sich aber nicht berufen einzugreifen, wenn eine Frau von ihrem Ehemann misshandelt wurde. Absurderweise war der Grund für diese Zurückhaltung die »Heiligkeit« der Ehe.
Als gegen Ende der sechziger Jahre die politischen Unruhen eskalierten, fanden frauenfeindliche Tendenzen auch im öffentlichen Raum sichtbaren Ausdruck. Katholische Frauen, die sich mit britischen Soldaten trafen, wurden auf die Straße gezerrt, gefesselt und (oft von anderen Frauen) festgehalten, während die Männer ihnen die Haare abschnitten, den Kopf kahl rasierten und sie dann teerten und federten. Anschließend band man sie an einen Laternenpfahl, wo sie von den Passanten begafft werden konnten, und hängte ihnen ein Schild um den Hals, auf dem – wieder eine sexuelle Verunglimpfung – das Wort »Hure« stand.
Vielleicht taten sie es den Franzosen nach, die sich die englisch sprechenden Nationen in sexuellen Dingen gewöhnlich zum Vorbild nehmen. Die Bilder, die sie nach der Befreiung Frankreichs von dort gesehen hatten, zeigten ja deutlich genug, was mit Frauen geschah, die sich mit deutschen Soldaten eingelassen hatten. Aber sie folgten auch der inneren Logik ihrer eigenen übermächtigen Gefühle, der gleichen Wut, die sich kurz und prägnant in dem Wort »Fotze« Bahn bricht.
Diese Logik hatte Tertullian (ca. 160–230 n. Chr.), einer der Gründerväter der römisch-katholischen Kirche, schon 1800 Jahre früher artikuliert, als er schrieb:
Du bist es, die dem Teufel Eingang verschafft hat, du hast das Siegel jenes Baumes gebrochen, du hast zuerst das göttliche Gesetz im Stich gelassen, du bist es auch, die denjenigen betört hat, dem der Teufel nicht zu nahen vermochte. So leicht hast du den Mann, das Ebenbild Gottes, zu Boden geworfen.1
Der Weg der Misogynie, des krankhaften Hasses auf Frauen, reicht weit, von den luftigen Höhen des Denkens griechischer Philosophen, die die Weltsicht der westlichen Gesellschaft mit geprägt haben, bis in die dunklen Gassen Londons im 19. Jahrhundert und auf die Autobahnen um Los Angeles, wo Serienmörder eine blutige Spur verstümmelter Frauenleichen hinterlassen haben. Ob in der christlichen Ästhetik des 3. Jahrhunderts oder unter dem Regime der Taliban in Afghanistan, stets hat sich dieser Hass in der Unterdrückung der weiblichen Sexualität niedergeschlagen. Mindestens einmal in der Geschichte, während der Hexenjagden im ausgehenden Mittelalter, gipfelte der Hass in einem Pogrom, in dessen Verlauf hunderttausende – einige Historiker sprechen von mehreren Millionen – Frauen auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Er findet sich in den Werken der größten und berühmtesten Künstler, die die Zivilisation hervorgebracht hat, ebenso wie in den vulgären Produkten der modernen Pornografie. Die Geschichte der Frauenfeindlichkeit ist wahrhaftig die Geschichte eines einmaligen, weil Jahrtausende alten Hasses, der Aristoteles mit Jack the Ripper, König Lear mit James Bond verbindet.
Auf der allerprivatesten Ebene wurde der Geschlechtsakt selbst zu einer Form der Erniedrigung und der Schande – der Erniedrigung für die Frau, die ihn erlebte, und der Schande für den Mann, der ihn vollzog. Im Belfaster Jargon hat das Verb »to stiff«, steif machen, zwei Bedeutungen: »mit einer Frau schlafen« oder »töten«. Aber Tod ist hier nicht im Sinne des französischen »petit mort«, des kleinen Todes, gemeint, mit dem das Sichfallenlassen in der ekstatischen Ohnmacht des Orgasmus umschrieben wird. Vielmehr ist das Opfer in diesem Fall, ganz gleich, in welchem Sinne das Wort verwendet wird, wertlos geworden, seiner Menschlichkeit vollkommen beraubt.
Es ist immer eine komplexe Angelegenheit, die Geschichte eines Hasses zu erforschen. An der Wurzel einer bestimmten Form von Hass, sei er rassistischer, religiöser oder politischer Natur, findet man fast immer einen Konflikt. Aber von allen Formen des Hasses, den Menschen füreinander empfinden können, geht es nur bei der Misogynie auch um dieses elementare Bedürfnis, das Verlangen des Mannes nach der Frau und der Frau nach dem Mann. Hier gehen Hass und Begehren auf merkwürdige Weise miteinander einher. Aus diesem Grund ist die Frauenfeindlichkeit ein so komplexes Thema: Sie basiert auf einem inneren Konflikt des Mannes. Und dieser Konflikt wird in den meisten Fällen nicht erkannt. In der katholischen Welt drückt sich dies in einem Phänomen aus, das auf den ersten Blick wie ein Widerspruch in sich wirkt. Da werden Frauen auf der Straße vielleicht geringschätzig behandelt, aber man braucht nur in eine x-beliebige Kirche zu gehen, schon sieht man sich mit dem Bild einer Frau konfrontiert, die zutiefst verehrt, ja angebetet wird.
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Unsere Gemeindekirche in Belfast war ein unscheinbares Gebäude, wie viele der Kirchen in Irland, die um 1900 entstanden sind – also lange nach dem Niedergang der großen katholischen Sakralarchitektur, auf die eine von sentimentaler Frömmelei geprägte Zeit gefolgt war. Sie war aus rotem Backstein gebaut wie die kleinen Reihenhäuser, zwischen denen sie stand. Ein pseudogotisches Portal und ein Weihwasserbecken aus Porphyr waren die einzigen schmückenden Elemente an dem Gebäude. Auf dem Boden des Weihwasserbeckens bildeten sich allsonntäglich bis zum Ende der letzten Messe kleine, mit Fusseln vermischte Schmutzklümpchen.
Wenn man den düsteren Kirchenraum betrat, fiel der Blick auf die Statue einer jungen Frau in blauem Mantel, deren Haupt von einem Heiligenschein aus Sternen umschwebt war und die mit ihren hellen, zarten Füßen den Kopf einer sich windenden Schlange zertrat. Die Schlange streckte ihre gespaltene Zunge aus einem grellroten, aufgerissenen Maul. Aber ihr giftiger Biss konnte der Frau nichts anhaben: »Und es wurde hinausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt: Teufel und Satan, der die ganze Welt verführt, und er wurde auf die Erde geworfen, und seine Engel wurden mit ihm dahin geworfen.« (Offenbarung des Johannes 12,9)
Eine Jungfrau hatte den Teufel kraft ihrer vollkommenen, unangreifbaren Reinheit besiegt. Uns Kindern wurde das Böse, über das sie einen so triumphalen Sieg errungen hatte, als die Sünde des Fleisches, der Lust, des Verlangens nach Unaussprechlichem verkauft. Aber die Tatsache, dass die Schlange ein selbst für uns offensichtliches Sexualsymbol war, untergrub den pädagogischen Gedanken. Anstatt den Sieg der Reinheit über das körperliche Verlangen zu personifizieren, strahlte die Statue eine latente Sinnlichkeit aus – so, wie ihr Rocksaum ein klein wenig gelupft war und den zartgliedrigen Frauenfuß in intimster Berührung mit der sich windenden Schlange zeigte. Eines Tages würden wir begreifen, dass die Unterdrückung des Sexuellen ebenso wie die Pornografie eine Form der sexuellen Neurose ist.
Spätestens mit 15 hatten meine Freunde und ich kapiert, was die Jungfrau da im Staub zertrat. Das war die Rolle, die den Frauen von der Gesellschaft zugeschrieben wurde: anderen ihre Lustgefühle zu verwehren und sie in sich selbst zu unterdrücken.
Man muss nicht Philosophie studiert haben, um die Frauenfeindlichkeit in der Verwendung des Wortes »Fotze« zu erkennen. Aber im Marienkult zeigt sich, dass Misogynie ebenso in der Verklärung wie in der Erniedrigung von Frauen zu finden ist. Gleichgültig, welche Richtung sie nimmt, das Ergebnis ist das gleiche: die ihres Menschseins beraubte Frau.
Die Misogynie reicht weit zurück in der Geschichte, aber sie hat sich im Lauf der Jahrhunderte verändert und entwickelt, sie hat sich unter dem Einfluss gesellschaftlicher, politischer und vor allem religiöser Strömungen mal abgemildert, mal verschärft. Eine dramatische Wandlung erfuhr der institutionalisierte Frauenhass mit der Verbreitung des Christentums und der Lehre von der Erbsünde.
Wie an späterer Stelle in diesem Buch ausgeführt wird, ergab sich die Lehre von der Erbsünde daraus, dass in der christlichen Theologie drei mächtige Denkströme der Alten Welt zusammenflossen: der griechische Platonismus, der patriarchale Monotheismus der Juden und der Offenbarungsgedanke, wie er sich im Glauben an Jesus Christus ausdrückt, in dessen Person Gott selbst Mensch wurde, um sich direkt in die Angelegenheiten der Menschen einmischen zu können. Diese beispiellose Vermischung philosophischer, mystischer und historischer