war kein Teenager mehr, der davon ausging, dass alle nach seiner Pfeife tanzten, und der einen Tobsuchtsanfall bekam, wenn der Kuchen zu seiner Sweet-Sixteen-Party mit rosafarbenem Zuckerguss dekoriert war und nicht mit pinkfarbenem. Sloane war mittlerweile erwachsen und hätte sich auch darüber gefreut, wenn ihr Dad sie auf einen Hotdog eingeladen hätte. Es musste kein exklusives italienisches Restaurant in Beverly Hills sein, wenn sie sich mit ihrem Dad traf. Ihr waren solche Statusobjekte nicht wichtig.
Vor allem dann nicht, wenn sie ihren Dad nach fast einem halben Jahr endlich wiedersah. In den vergangenen Monaten hatten sie beide lediglich telefonisch Kontakt gehalten, weil Sloane viel herumgereist war. Jetzt tat es gut, ihrem Dad wieder gegenüberzusitzen und sich mit ihm zu unterhalten.
Wenn er nun auch noch damit aufhören würde, sie wie ein rohes Ei zu behandeln und mit Argusaugen zu beobachten, was sie tat und was sie sagte, dann hätte Sloane zufrieden und glücklich sein können.
Leider schien es jedoch noch zu dauern, bis ihr Dad aufhören würde, sich übermäßige Sorgen um sie zu machen. Zwar versuchte er, seine Besorgnis vor ihr zu verstecken, aber das gelang ihm nicht sehr gut.
Sloane ahnte, dass er ihr ein Firstclass-Ticket geschickt hatte, als sie ihm gesagt hatte, dass sie nach Los Angeles kam, und dass er ein vermutlich sündhaft teures Hotelzimmer durch seine Sekretärin für sie hatte buchen lassen, weil er sich nach wie vor Sorgen um sie machte. Deshalb wirkte er auch immer ein wenig nervös und umschiffte schwierige Themen, indem er nicht sehr elegant das Gespräch unterbrach und über etwas anderes zu reden begann.
Es war geradezu auffällig, wie panisch er wurde, sobald er befürchtete, unangenehme Erinnerungen zu wecken. Für einen knallharten Geschäftsmann mit dem Ruf, in Verhandlungen keinen Schritt auf seinen Vertragspartner zuzugehen und immer seine Forderungen durchzusetzen, war es irgendwie komisch, wie butterweich und unsicher er wurde, wenn es um seine Tochter ging. Wenn es nicht sie selbst betroffen hätte, wäre Sloane nicht umhingekommen, darüber zu lachen.
Seit fast zwei Jahren versuchte sie, ihrem Dad zu verstehen zu geben, dass mit ihr alles in Ordnung war und dass er keinen Grund hatte, ihretwegen besorgt zu sein. Mittlerweile hatte sie keine Albträume mehr, und ihre Depression hatte sie überwunden. Die Wut, die Trauer und die Hilflosigkeit waren nach und nach verschwunden, bis sie keinen Platz mehr in ihrem Leben gehabt hatten. Inzwischen war Sloane mit sich selbst im Reinen und sie war nicht zerbrechlich. Tatsächlich hatte sie in den letzten Jahren herausgefunden, wie stark sie war und dass sie sich nicht unterkriegen ließ.
Nun war es an ihrem Dad, das zu begreifen. Aber so etwas geschah nicht über Nacht, also würde sie ihm einfach immer und immer wieder beweisen, dass seine Besorgnis wirklich rührend, aber unnötig war.
„Wie war dein Flug?“
Beinahe hätte sie die Augen verdreht, denn es war nicht das erste Mal am heutigen Abend, dass er ihr diese Frage stellte. „Der Flug war sehr gut, Dad.“
„Schön, schön.“
„Du hättest mir das Ticket nicht kaufen müssen“, erinnerte sie ihn sanft. „Es war lieb gemeint, aber ich kann wirklich für mich selbst sorgen.“
„Ich weiß, aber ...“ Er machte eine unbestimmte Handbewegung, bevor er nach seinem Weinglas griff und einen großen Schluck nahm.
Sloane wusste in der Tat, was er meinte. Sie hätte nicht Tausende von Dollar für einen läppischen Flug ausgegeben, sondern die Touristenklasse gebucht. Aber ihr Dad wollte, dass sie so bequem wie möglich reiste. Vermutlich hätte er einen Anfall bekommen, wenn er gewusst hätte, dass ihr Job sie ab und zu dazu zwang, in einem Gemeinschaftszelt mit völlig Fremden zu schlafen und in Autos zu fahren, die man hier nicht einmal beim Demolition Derby für die Schrottpresse verwenden würde.
Nun starrte er auf seinen Teller, als würde er dort nach der Antwort auf eine Frage suchen, die niemand gestellt hatte.
Neugierig verfolgte Sloane das Mienenspiel ihres Dads und aß währenddessen weiter ihre Vorspeise. Nur weil er die Situation unangenehm zu finden schien, bedeutete dies nicht, dass sie sich den Appetit verderben ließ.
In den letzten Monaten war sie in Südafrika, in der Mongolei und in Bolivien gewesen und hatte nirgends so gut gegessen, wie sie es jetzt gerade hier tat. Nachdem sie sich in Südafrika vor allem von Eintöpfen mit Maisgrieß ernährt hatte, in der Mongolei ständig nur Schaf zu essen bekommen hatte und in Bolivien sogar Meerschweinchen gegessen hatte, genoss sie die cremige Burrata und konnte es kaum erwarten, ihre Hauptspeise serviert zu bekommen – Linguine aus dem Parmesanlaib mit frischem Trüffel. Wenn es um gutes Essen ging, konnte sie nur selten widerstehen.
„Was macht der Job, Dad?“, wollte sie von ihm wissen, als sie nicht länger mit ansehen konnte, wie er sich den Kopf zerbrach, um ein möglichst unverfängliches Gesprächsthema zu finden.
„Gut. Da läuft alles prima. Du weißt ja, wie es ist. Es ist immer viel zu tun, und man kommt selten zu den acht Stunden Schlaf, die der Arzt einem rät.“ Er verzog das Gesicht. „Und der Stress lässt sich leider auch nicht reduzieren, wenn man in der obersten Etage sitzt und ein Unternehmen zu leiten hat. Nur verstehen das Dr. Fowler und Lizzie nicht.“
„Also bist du noch kein Yoga-Anhänger, obwohl Lizzie dir dieses Wochenenderlebnis zum Geburtstag geschenkt hat?“ Von ganz allein zuckten ihre Mundwinkel, als sie daran dachte, dass die Lebensgefährtin ihres Dads ihm einen Aufenthalt in einem spirituellen Meditationszentrum irgendwo im Hinterland Kaliforniens geschenkt hatte. Yoga, Atemübungen und eine Fastenkur hatten auf dem Programm gestanden.
Angesichts der Tatsache, dass sich Sloanes Dad am wohlsten hinter seinem Schreibtisch fühlte, wenn fünf Telefone gleichzeitig klingelten, und er sich abends bei einem Scotch und einer Zigarre entspannte, während im Fernsehen ein Boxkampf übertragen wurde, war Lizzies Geschenk ein absoluter Reinfall gewesen.
Alle hatten das gewusst, nur Lizzie nicht, die sich auf die Fahne geschrieben hatte, ihrem fünfundzwanzig Jahre älteren Partner die Gesundheitskur zu verpassen, zu der sein Arzt ihm ständig riet.
Ihr Dad stöhnte laut auf. „Weißt du, was mir Freude bereitet hätte? Ein Wochenende im Napa Valley inklusive Weinprobe, gutem Essen und einer Suite mit Whirlpool. Stattdessen verlangt sie, mit mir in dieses Yoga-Zentrum zu fahren, in dem ich nichts zu essen bekommen hätte und in dem ich vermutlich dazu gezwungen worden wäre, mit einer Windel herumzulaufen. Diese Frau hat manchmal grauenvoll seltsame Ideen.“
Demonstrativ richtete Sloane ihre Augen auf das Carpaccio, das auf dem Teller ihres Dads lag. „Weiß Lizzie, dass du rohes Rindfleisch isst?“
„Nein, und du wirst ihr davon auch nichts erzählen. Ja?“
Die Gefahr bestand nun wirklich nicht, da Sloane und Lizzie keine nennenswerte Beziehung zueinander hatten. Was nicht hieß, dass sie sich nicht leiden konnten. Sloane kannte die Freundin ihres Dads einfach nicht gut genug, um zu wissen, ob sie sie mochte oder nicht.
Als ihr Dad Lizzie kennengelernt hatte, war Sloane längst von zu Hause ausgezogen und erwachsen gewesen. Und um ehrlich zu sein, hatte es in der Vergangenheit so viele neue Freundinnen ihres Dads gegeben, dass sie sich erst gar nicht die Mühe gegeben hatte, Lizzie kennenzulernen oder gar Freundschaft zu schließen. Über die Jahre hinweg hatte es immer eine neue Frau an der Seite ihres Vaters gegeben, die sogar zu ihm gezogen war. Aber keine von ihnen hatte er geheiratet. Und keine war sonderlich lange geblieben. Lizzie war eine Ausnahme, weil sie immerhin schon seit fast fünf Jahren mit Sloanes Dad zusammen war.
Sloane hatte gegen die Beziehung ihres Vaters mit Lizzie nichts. Und dass seine Partnerin nur ein paar Jahre älter war als sie, machte ihr ebenfalls nichts aus. Warum auch? Er schien glücklich und ausgeglichen zu sein, und Lizzie kümmerte sich darum, dass er Acht auf sich gab, rotes Fleisch und Zigarrenqualm reduzierte und dass er gesund blieb. Wenn ihr Dad mit seiner Beziehung zufrieden war, wusste Sloane wirklich nicht, warum sie es nicht ebenfalls sein sollte.
Dennoch hatte sie sein Angebot abgelehnt, in den nächsten Tagen in ihrem alten Zuhause zu wohnen, während sie in Los Angeles war.
Ihre Entscheidung hatte weniger mit