Jakob Wassermann

Gesammelte historische Romane von Jakob Wassermann


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ans Land und setzen ihn mit feierlichen Zeremonien auf den Rasen nieder. Seine Absicht ist, Erkundigungen über die Gegend einzuziehen, und er läßt den Flottennotar Porras rufen, um ihre Aussagen zu Protokoll zu geben. (Was natürlich bei der beiderseitigen Unkenntnis der Sprache zu lauter willkürlichen Feststellungen führen muß.) Allein sobald dieser Feder, Tinte und Papier zurechtgelegt hat und zu schreiben anfangen will, entfliehen sämtliche Indios in bebender Angst, denn sie halten ihn für einen Zauberer und Geisterbeschwörer. Nach einer Weile kehren sie lauernd zurück und streuen ein Pulver in die Luft, wovon sie einiges verbrennen, so daß der Wind den Spaniern den Rauch zuweht. Das Lächerliche ist, daß die Spanier ihrerseits nicht geringere Furcht vor den Hexenkünsten der Wilden verspüren. »In Cariai«, berichtet der Admiral, »gibt es gefährliche Magier. Meine Leute hätten alles darum gegeben, wenn wir rasch wieder davongefahren wären. Einige hielten sich allen Ernstes für behext und sind bis zum heutigen Tage nicht von ihrer Meinung abzubringen gewesen.«

      Dann kommt immer der Moment der Gewalttat, unweigerlich wie das Amen im Gebet. Man fängt heimlich ein halb Dutzend Indios zusammen, bringt sie aufs Schiff, um sie als Wegweiser zu benutzen, lichtet in aller Stille die Anker und fährt unter dem Entsetzen und Klagegeheul der Dorfbewohner, die den Raub zu spät entdeckt haben, eilig davon.

      Wäre bisher nicht mit einem zu großen Respekt vor den Tatsachen und einer übertriebenen Bewunderung für die sogenannten Tatmenschen Geschichte geschrieben worden, so stünde vielleicht die Menschheit auf einer höheren Stufe des Rechts, der Gesittung und der Kultur.

      Im Oktober gelangt der Admiral mit seiner traurigen Flotte in die Bucht von Chiriqui, an der Landenge von Panama. Es ist nicht uninteressant, daß er dort, in nervösen, monatelangen Irrfahrten, nordwärts, südwärts, ostwärts, den verbindenden Wasserweg nach Asien suchte, wo die Natur tatsächlich Anstalten getroffen hatte, ihn zu schaffen, ohne daß sie mit dem Werk zu Ende kam. Bisweilen nähert er sich in seinen ideologischen Konstruktionen der Wirklichkeit, oder es ist eine Art von Sehergabe in ihm, die neben den Fiktionen mögliche Wirklichkeiten erschaut.

      Die Eingeborenen berichten, soviel man verstehen kann, von zivilisierten Nationen im Innern des Landes; die Bewohner trügen goldene Kronen, Armbänder, Fußspangen und Kleider aus Goldstoff; auch ihre Sessel, Schränke und Tische verzierten sie mit purem Gold. Sie nannten das Land Ciguare oder Ciamba; es werden wohl unbestimmte Gerüchte über die Reiche Mexiko und Peru gewesen sein, die der Admiral nach seiner Weise übertrieb und in Verbindung mit dem Großchan bringt, dessen Herrschaftsgebiet ihm hier zu beginnen scheint. Zehn Tagereisen noch, und ich bin am Ganges, folgert er kühn und überhört das Murren der Mannschaft gegen die Fortsetzung der Reise. Diesmal ist sein Sinn auch nicht auf die Gewinnung von Gold gerichtet; um keine Zeit zu verlieren, untersagt er seinen Leuten den Tauschhandel mit den Indios und reizt sie damit zu aufsässiger Wut. Diese mysteriöse Durchfahrt, die er da mit der Ungeduld eines Verrückten sucht, indes die Schiffe immer lecker werden und der Bohrwurm die Wanten durchlöchert, ist ihnen vollkommen gleichgültig. Endlich gibt er ihrem Drängen nach, weil er sich nicht anders helfen kann, und segelt am Tage Simonis und Judä nach der fruchtbaren Landschaft zurück, die die Indios Veragua genannt haben. Aber ununterbrochene Gewitterstürme treiben ihn wieder in die Bucht von Chiriqui, und Wochen hindurch kämpft er gegen die Wut der Elemente. »Ich war so erschöpft«, klagt er, »daß ich nicht mehr wußte, was tun. Meine alte Wunde brach auf, und neun Tage lang war die Hoffnung geschwunden, mich am Leben zu erhalten. Nie war das Meer so hoch, so fürchterlich, so schäumend gewesen, es schien ganz von Blut zu sein und kochte wie ein Kessel auf einem Riesenfeuer. Nie hatte der Himmel ein so gräßliches Aussehen gehabt, er brannte gleich einem Ofen und schoß so glühende Strahlen hernieder, daß ich jeden Augenblick nachsah, ob meine Mäste und Segel nicht angesengt seien.« Sicherlich war die Situation schlimm genug, jener Teil des Atlantischen Ozeans ist zu gewissen Zeiten des Jahres beständig von den verheerendsten Tornados heimgesucht, aber es ist nicht zu verkennen, wie seine Phantasie mit Wollust in apokalyptischen Bildern schwelgt.

      Anfang Januar 1503 landet er an der Küste von Veragua, nachdem er fünfunddreißig Tage gebraucht hat, um eine Strecke von dreißig Seemeilen zurückzulegen. Die Schiffe, jämmerliche Barken genau genommen, sind in einem Zustand, daß man sie kaum noch ausbessern kann, die Mannschaft ist durch Krankheiten und Überanstrengung nicht mehr fähig, Dienst zu leisten, so entschließt er sich denn, in die Mündung eines großen Flusses einzulaufen, den er den Bethlehemfluß nennt und wo man sich von den Strapazen der See ein wenig erholen kann. Die Indios bereiten den Eindringlingen einen feindseligen Empfang, vermutlich hat es sich bereits von Stamm zu Stamm unter ihnen herumgesprochen, daß man es da mit treulosen und gewalttätigen Menschen zu tun habe, man muß viel Diplomatie aufwenden, um sie friedlich zu stimmen. Sie haben Goldblech, sie haben Pfeifen aus Gold, auch einige rohe Barren, aber das ist nichts, man fragt sie nach den Minen. Überall sollen gleich Minen sein, mit Ausbeute im kleinen gibt man sich nicht mehr ab. Die Indios scheinen zu begreifen; oben im Gebirge sind die Wälder voll von Gold, sagen sie. Also auf ins Gebirge. Aber um Gold zu finden, müsse man sich durch Fasten und Enthaltsamkeit darauf vorbereiten, sollen sie angeblich hinzugefügt haben. In Wahrheit war dies eine fromme Erfindung des Admirals, das einzige Mittel, die zügellose Gier seiner Leute zu zähmen. Bartolomé Colón bricht mit einer wohlbewaffneten Truppe ins Innere auf, er macht die Bekanntschaft verschiedener Häuptlinge, die ihm mit schweigsamer Freundlichkeit begegnen und trotzdem sie willfährig scheinen, das unverständliche Verlangen der Fremdlinge nach Gold zu befriedigen, sichtlich auf ihrer Hut sind. Ganz anders als im Archipel, draußen auf den Inseln, atmet ihr Wesen hier eine würdevolle Strenge. Als ob das Leben auf Inseln die Menschen leichter und spielerischer machte, verträumter und zutraulicher; hier haben alle mehr Gewicht und mehr Härte.

      In der Tat findet der Adelantado Gold, im Urwald, im Gestein, im Sumpf, aber nicht so viel, wie man erwartet. Man sucht und sucht, fragt und fragt, wird dahin und dorthin gewiesen, es kommt sogar vor, daß ein Kazik, in den Berichten heißt er Quibian (die Namen sind ja immer entstellt), die unersättlichen Goldsucher, um sie loszuwerden, listigerweise in das Gebiet eines seiner Feinde führt: da grabt, da wühlt. Und sie graben und wühlen bis sie in ihrem Schweiß kochen. Jeder Fund weckt die Erwartung eines größeren, alles ist zu gering, sie werden vollständig wahnsinnig, träumen und erzählen von Felsblöcken aus massivem Gold, der Admiral stachelt ihre Gier bei jeder Gelegenheit auf, dann sind sie beschäftigt, und er hat Muße für seine geographisch-mystischen Grübeleien. Die Besessenen haben einen Spezialschutzgeist, dessen Aufgabe es ist, ihnen die Wahrheit vorzuenthalten. Hätte er nicht immer an seiner fixen Idee von Asien und Zipangu gesponnen, er hätte ohne große Mühe ausführen können, was der entschlossene Bilbao zehn Jahre später getan: ein paar Tagereisen über die Gebirge, und er hätte den Pazifischen Ozean erblickt. Dann wäre freilich das Fundament, das ihn trug und über alle Schmerzen und Enttäuschungen hinaufhob, unter ihm zusammengestürzt.

      Der praktische Gedanke, der in Veragua auftauchte, ging von Bartolomé aus. Er nahm die üppige Fruchtbarkeit des Landes wahr, er sagte sich, daß sich hier unerschöpfliche Möglichkeiten zu zivilisatorischer Arbeit und zu ganz anderer Art des Reichtums boten, als durch das sinnlose Jagen nach Gold zu gewinnen war. Er schlug dem Bruder die Gründung einer Niederlassung vor und erklärte sich willens, mit der Besatzung zweier Schiffe dazubleiben; der Admiral solle nach Spanien zurückkehren und der Kolonie Unterstützung erwirken.

      Dieser stimmte wider Erwarten lebhaft zu. Hütten und Magazine wurden errichtet, die Mittel zum Lebensunterhalt gewährte die strotzende Erde im Überfluß, wegen der Verproviantierung konnte man also unbesorgt sein. Bedenklich war nur die Haltung der Eingeborenen. Da sie intelligent und höflich waren, hatte Bartolomé gehofft, sie würden dem Ansiedlungsplan keine Schwierigkeiten bereiten. In der Tat ließen sie die Fremden in ihrer verwunderlichen Baugeschäftigkeit anfangs ruhig gewähren. Der Adelantado hatte bereits achtzig Mann ausgewählt, die auf einer Anhöhe, einen Bogenschuß vom Ufer des Flusses Belen entfernt, niedrige Häuser aus behauenen Stämmen, gedeckt mit Palmenblättern, errichteten. Nun, diese Leute machten sich alsbald der gewöhnlichen Roheiten gegen die Indios und ihre Weiber schuldig. Sie waren einfach nicht zu bändigen. Die Mahnung, mit den ehrliebenden und empfindlichen Wilden schonend umzugehen oder gar sie wie menschliche Wesen zu behandeln, stieß auf ihren Hohn; nur wenn sie Übermacht spürten und Furcht sie dazu zwang, nahmen sie sich zusammen, von jeher, die trügerische