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Kommunikationsdynamiken zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit


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Wulf/Koch, Peter (2016). 30 Jahre ‚Sprache der Nähe – Sprache der Distanz‘. In: Hennig, Mathilde/Feilke, Helmuth (Hrsg.), 11–72.

      Selig, Maria (i. Dr.). Diamesic Variation. In: Ledgeway, Adam/Maiden, Martin (Hrsg.). The Cambridge Handbook of Romance Linguistics.

      Selig, Maria (2018). Kodes, mediale Dispositive und konzeptionelle Variation: Einige Überlegungen zum Nähe-Distanz-Modell. In: Nicklaus, Martina/Wirtz, Nora/Costa, Marcella/Ewert-Kling, Karin/Vogt, Wiebke (Hrsg.). Lexeme, Phraseme, Konstruktionen. Aktuelle Beiträge zu Lexikologie und Phraseologie. Berlin: Lang, 253–266.

      Selig, Maria (2017). Plädoyer für einen einheitlichen, aber nicht einförmigen Sprachbegriff: Zur aktuellen Rezeption des Nähe-Distanz-Modells. Romanistisches Jahrbuch 68, 114–145.

      Söll, Ludwig (1985). Gesprochenes und geschriebenes Französisch. 3. Auflage. Berlin: Erich Schmidt.

      Steger, Hugo/Deutrich, Karl-Helge/Schank, Gerd/Schütz, Eva (1972). Redekonstellation, Redekonstellationstyp, Textexemplar, Textsorte im Rahmen eines Sprachverhaltensmodells: Begründung einer Forschungshypothese. In: Moser, Hugo (Hrsg.). Gesprochene Sprache. Jahrbuch 1972 des Instituts für deutsche Sprache. Düsseldorf: Schwann, 39–97.

      Tannen, Deborah (1990). You just don’t understand: Women and men in conversation. New York: Morrow.

      Tophinke, Doris (2016). Sprachgeschichtsforschung im Horizont von Nähe und Distanz. In: Hennig, Mathilde/Feilke, Helmuth (Hrsg.), 299–332.

      Zeman, Sonja (2016). Nähe, Distanz und (historische) Pragmatik. In: Hennig, Mathilde/Feilke, Helmuth (Hrsg.), 259–298.

      Zribi-Hertz, Anne (2011). Pour un modèle diglossique de description du français. Quelques implications théoriques, didactiques et méthodologiques. Journal of French Language Studies 21, 231–256.

      Sprachpuristische Bestrebungen der Frühen Neuzeit im Spannungsfeld von Mündlichkeit und Schriftlichkeit

      Sarah Dessì Schmid

      1 Einleitung

      Von der Wissenschaft über das kulturkritische Feuilleton bis zur Populärkultur begleitet das Misstrauen gegen fremde – heute insbesondere gegen englische – Ausdrücke unseren Alltag. Das Streben nach einer ‚reinen‘ – klaren, perfekten, eleganten und prestigeträchtigen – Sprache sowie der Argwohn gegen eine vermeintlich drohende ‚Invasion‘ fremder Wörter in die ‚eigene‘ Sprache stellen ein höchst aktuelles Thema dar, das allerdings einer langen Tradition folgt.1 Vielleicht ist gerade die ablehnende Haltung gegen fremdsprachliche Ausdrücke der erfolgreichste, der plakativste Aspekt des Purismus; mit Sicherheit ist sie allerdings nur einer der vielen und komplexen Aspekte, die mit – mehr oder weniger intensiv und offensiv betriebener – puristischer Spracharbeit in Verbindung gebracht werden können.

      Nach einer kurzen Rekonstruktion einiger früher Momente des europäischen Sprachpurismus werde ich in meinem Beitrag das Hauptaugenmerk auf die Rolle der puristischen Sprachkultur und Sprachpolitik im Selektions- und Ausbauprozess der Norm der Volkssprachen Italiens und Frankreichs richten und diese – unter besonderer Berücksichtigung medio-konzeptioneller Aspekte – einer vergleichenden Analyse unterziehen. Dabei werde ich darstellen, wie sich in der frühneuzeitlichen Debatte um die ‚Reinheit der Sprache‘ Normierungsbestrebungen, ästhetische Fragestellungen der literarischen Produktion und soziale Praxis miteinander in großräumigen soziokulturellen Prozessen verflechten und wechselseitig bedingen.2 Ins Zentrum dieser Überlegungen werde ich die Historizität der Texte (siehe u.a. Frank 1994; Selig/Frank/Hartmann 1993; Koch 1987; Koch/Oesterreicher 1990; Oesterreicher/Selig 2014) und der gesellschaftlichen und kulturellen Phänomene stellen.

      2 Der Purismusbegriff in der frühen europäischen Sprach- und Kulturgeschichte

      Die Bedeutung des Purismus für die europäische Sprach- und Kulturgeschichte kann kaum überschätzt werden und stellt – in verschiedenen historischen Phasen unterschiedlich stark, aber im Grunde bis heute – eine ideologische Konstante der europäischen Kultur dar (siehe Dessì Schmid/Hafner 2014; siehe Dessì Schmid 2017). Zunächst möchte ich den Blick auf einige wenige frühe Momentaufnahmen seiner Entwicklung richten.1

      Das ästhetische Ideal der ‚Reinheit der Sprache‘ (puritas linguae) findet seinen Ursprung bereits in der antiken Rhetorik innerhalb der Stilistik (der elocutio) und gelangt dann als zentraler Bereich einer rhetorischen Ästhetik und Poetik (der Lehre der virtutes elocutionis) über das Mittelalter bis in die Neuzeit, erfährt dort aber – durch seine Rückkopplung mit den frühneuzeitlichen Normierungsbestrebungen der Volkssprachen und ihrer Literaturen – eine radikale Transformation.

      Dieses Ideal geht zunächst von der Normierung des Lateinischen in den Debatten um den Ciceronianismus aus, einige zentrale Argumentationslinien dieser Debatte werden aber bald auf die Volkssprachen übertragen (man denke hier an Toffanins (1940) erfolgreiche Formel des umanesimo volgare) – zuerst auf das Italienische, sehr bald danach auf das Französische. Wenn wir davon ausgehen, dass Normierung und Normalisierung (siehe Haugen 1983) Prozesse sind, welche zwei unterschiedliche Entwicklungsbereiche betreffen (die Gesellschaft, die Sprecher einerseits und die Sprache selbst andererseits), können wir sagen, dass die Selektion der Basis der Norm und ihre Extension (die zwei Phasen der Normierung) die Sprecher betreffende Fragen sind – Sprechergemeinschaften wählen entweder bewusst (qualitativ) oder unbewusst (‚natürlich‘) das Normmodell aus und verwenden dieses in immer mehr Kontexten. Hingegen sind die erste Fixierung der Basis der Norm, ihre Kodifizierung durch Grammatiken und Wörterbücher ebenso wie ihre Elaboration (die zwei Phasen der Normalisierung) Fragen, die die Sprache als System betreffen – wobei mit ‚Elaboration‘ die weiteren Perfektionierungen der Norm gemeint sind, die durch neu übernommene Funktionen und durch ihr wachsendes Prestige erforderlich werden, etwa durch Regeln und Verfahren, die mit dem Gebrauch in verschiedenen Diskurstraditionen verbunden sind.2

      Programmatisch spiegelt sich diese nach ‚Reinheit‘ strebende Haltung in der Forderung nach einem präskriptiven Ideal von Sprache auf verschiedenen Ebenen wider, aus der in verschiedenen Epochen unterschiedliche Praktiken der ‚Sprachreinigung‘ abgeleitet werden. Gemein ist all diesen Praktiken das Ziel der Reinigung der eigenen Sprache von fremden Elementen. Mit ‚eigen‘ und ‚fremd‘ ist allerdings Unterschiedliches, auch Widersprüchliches gemeint und wird – unter dem Banner der Reinheit der Sprache – vertreten oder bekämpft. Wenn ‚rein‘ ordentlich und perfekt, somit nicht vergänglich und nicht verderblich bedeutet, wenn ‚rein‘ mit ästhetisch vollkommen, klar glänzend und zierlich, mit natürlich und wahr, aber auch mit alt, würdig und authentisch assoziiert wird, so ist Purist, wer gegen Neologismen und jede niedrig markierte diastratische Sprachvarietät ins Feld zieht, aber auch wer sich Archaismen, Dialektismen oder im Allgemeinen Regionalismen widersetzt – wenn sich zu Letzterem auch illustre und extrem erfolgreiche Ausnahmen zeigen, denkt man an das radikal archaisierende Modell des Fiorentino trecentesco (siehe Dessì Schmid 2017).

      Die Forschung hat sich wiederholt um eine Abgrenzung puristischer gegenüber klassizistischen oder (was zum Beispiel für Deutschland besonders wichtig ist) allgemein sprachpatriotischen Programmatiken bemüht. Allerdings hat sie – und das ist erstaunlich – die Vielfalt der Ausprägungen des europäischen Purismus äußerst selten betont. Zu einem tieferen Verständnis historischer, sprachlicher und kultureller Realitäten kann allerdings nur eine differenzierte Betrachtung führen, die sich von keiner „invertierten Teleologie“ (Oesterreicher 2007: 16) irreführen lässt. Notwendig ist also eine Betrachtung, welche die – wie Wulf Oesterreicher sie nennt – ‚Erbsünde‘ der traditionellen Sprachgeschichtsschreibung nicht begeht und sich also davor hütet, einzelne Entwicklungen nur aus der Perspektive der letztlich erfolgreichen zu betrachten, isoliert und aus ihren Kontexten gerissen, eine Betrachtung also, die weder die Pluralität der Nebenpfade der Sprachgeschichte vernachlässigt, noch nur an wohlbekannten Orten sucht. Es ist daher wesentlich, den Purismus – besonders in seiner Ausprägung in der Frühen Neuzeit – als offenes Neben- und Gegeneinander einer Vielfalt von Purismen zu beschreiben, die sich in einem Spannungsfeld von disziplinären Spezialdiskursen