als sinnvoll erachten (vgl. 2007:142 f.).
Haltung der Anwaltlichkeit
Sozialarbeiterinnen stoßen immer wieder auf Situationen, in denen Klienten noch nicht, vorübergehend, gar nicht oder nicht mehr in der Lage sind, ihr Leben selbständig zu meistern. Dies erfordert zwar entsprechende Unterstützungsleistungen, führt aber schnell zu einem Machtgefälle, weil Professionelle in Lebenszusammenhänge eingreifen, manchmal gegen den Willen ihrer Klienten bestimmen, stellvertretend für diese Menschen Verantwortung übernehmen (müssen), oft auch zu deren Schutz. Brumlik (2004) hat diese Thematik aufgegriffen und dafür den Begriff ›advokatorische Ethik‹ begründet. Darunter versteht er »ein System von Aufforderungen in Bezug auf die Interessen von Menschen, die nicht dazu in der Lage sind, diesen selbst nachzugehen, sowie jene Handlungen, zu denen uns diese Unfähigkeit anderer verpflichtet« (2004:161). Da advokatorisches Handeln immer auch die Selbstbestimmung von Menschen zum Ziel hat, ist es an ein Mindestmaß an Zustimmung der fremdbestimmten Person geknüpft.
4.1.6 Berufsethische Richtlinien
Der Deutsche Berufsverband für Sozial Arbeit e. V. (DBSH) wie auch der Schweizerische Berufsverband ›AvenirSocial‹ haben unterschiedliche berufsethische Richtlinien entwickelt, die sich auf diejenigen des ISWF und auf die internationalen Menschenrechte berufen (
Berufskodex Soziale Arbeit Schweiz
Der aktuellste Berufskodex Soziale Arbeit Schweiz wurde per Juni 2010 in Kraft gesetzt und wird als Argumentarium für die Praxis der Professionellen bezeichnet. Darin werden ethische Richtlinien für das moralische berufliche Handeln in der Sozialen Arbeit dargelegt. Der Kodex soll u. a. als Instrument zur ethischen Begründung der Arbeit mit Klienten sowie als Orientierungshilfe bei der Entwicklung einer professionsethisch begründeten Berufshaltung dienen (vgl. AvenirSocial 2010:1 f.). Unter den Grundsätzen der Sozialen Arbeit werden nach einer sehr kurzen Darlegung von Leitidee und Menschenbild zehn Ziele und Verpflichtungen der Sozialen Arbeit auf allgemeiner Ebene umrissen, bevor Spannungsfelder und Dilemmata in der Praxis Sozialer Arbeit aufgeführt werden. Der Berufskodex macht deutlich, dass der Umgang mit Interessenskollisionen und Widersprüchen sowie das Zurechtfinden in Loyalitätskonflikten ein Teil der Sozialen Arbeit sind und von Professionellen eine kontinuierliche Auseinandersetzung erfordern. Im Berufskodex werden unter den Grundwerten Menschenwürde und Menschenrechte wichtige Grundsätze (wie z. B. Gleichbehandlung, Partizipation) sowie Verpflichtungen, die zur sozialen Gerechtigkeit beitragen sollen, aufgeführt. Professionelles Handeln hat sich gemäß Berufskodex auf diese Grundwerte abzustützen wie auch auf den dargelegten Handlungsprinzipien einer ethisch begründeten Praxis. Diese sind in Form von Handlungsmaximen bezüglich der eigenen Person, der Arbeit mit Klientinnen und Klienten, den Organisationen des Sozialwesens, der Gesellschaft, der eigenen Profession und der interprofessionellen Kooperation formuliert.
Berufsethische Richtlinien des Deutschen Berufsverbandes für Soziale Arbeit e. V.
In den durch die Bundesmitgliederversammlung 1997 in Kraft gesetzten ethischen Prinzipien sind zunächst allgemeine Grundsätze beruflichen Handelns aufgeführt. Diese basieren auf dem gesellschaftlichen Auftrag Sozialer Arbeit, unter Wahrung universeller Werte und der Orientierung an der Würde des einzelnen Menschen, der Solidarität und strukturellen Gerechtigkeit. Neben der Unterstützung und Förderung von Menschen in sozialen Problemlagen haben den Grundsätzen gemäß Professionelle soziale Probleme zu entdecken, sie in ihrem Bedingungszusammenhang öffentlich zu machen und einer Lösung zuzuführen (vgl. DBSH 1997:1). Die berufsethischen Prinzipien beschreiben Verhaltensgrundsätze gegenüber Klientinnen der Sozialen Arbeit, die unter Wahrung oben genannter Werthaltungen auf der Achtung des einzelnen Menschen und seiner Lebenssituation aufbauen und u. a. auch für Datenschutz garantieren. In diesem Sinne sollen jeweils Ziele, Unterstützungsleistungen und Formen der Zusammenarbeit in einem Kontrakt zwischen Sozialarbeiterinnen und Klienten gemeinsam festgelegt werden. In den Prinzipien sind auch Verhaltensweisen gegenüber Berufskolleginnen, Angehörigen anderer Berufe, Arbeitgeber und Organisationen wie auch in der Öffentlichkeit beschrieben, die sich auf die eingangs formulierten Grundsätze berufliches Handelns abstützen (vgl. DBSH 1997:2 ff.).
4.1.7 Ethische Entscheidungsfindung
Zentral für die Ethik in der Sozialen Arbeit ist die ethische Entscheidungsfindung, wofür die oben ausgeführten professionsethischen Grundlagen und normativen Vorgaben einen wichtigen Bezugsrahmen darstellen. In der Berufspraxis der Sozialen Arbeit stellen sich immer wieder Fragen, die einer Werteabwägung bedürfen: Soll für die Eltern mit Erziehungsproblemen eine sozialpädagogische Familienbegleitung verpflichtend vorgeschlagen werden? Wie umgehen mit einer stark übergewichtigen Klientin, die immer mehr zunimmt und ihre Gesundheit damit ernsthaft gefährdet? So stellen sich in der Praxis moralische Fragen, die in strukturierter Weise bearbeitet werden müssen. Eine solche Struktur der Entscheidungsfindung hilft dabei, nichts Wesentliches zu übersehen und sichert ein sorgfältiges Vorgehen beim Sammeln und Abwägen von Fakten und Werten (vgl. Bleisch/Huppenbauer 2014:15; Hug 2014:225). Wichtig ist es dabei deskriptive Sein-Aussagen von normativen Sollensaussagen stets zu unterscheiden (vgl. Keller 2016:29).
Gemäß Hug ist ein wichtiger erster Schritt die Identifikation ethisch relevanter Situationen, wobei es um die Schärfung einer Sensibilität für moralische Handlungen geht. Die Sozialarbeiterin soll realisieren, dass sie sich im Spannungsfeld einer ethischen Frage befindet und diese genauer in den Blick nehmen. Der zweite Schritt umfasst das Wahrnehmen der faktischen Situation. Beschreibend wird hier festgehalten, wie sich die Situation ganz konkret darstellt. Fakten werden skizziert: Wie gestaltet sich aktuell die Esssituation mit der Klientin? Was möchte die Klientin selbst? Wie ist ihr Gesundheitszustand? Was weiß man (empirisch) über Risiken rapider Gewichtszunahme von adipösen Personen? Festgehalten werden hier aber auch Gefühlsäußerungen, beispielsweise wie eine Person auf vorgeschlagene Diätkost reagiert. Wichtig ist zudem eigene Gefühle wie beispielsweise Ekel zu identifizieren, um damit die Faktenlage nicht zu verfälschen (vgl. Hug 2014.:226 f.). Als nächstes geht es um Bewertung und die in der Situation eingelagerten moralischen Werte werden benannt. Im angeführten Beispiel wichtig ist sicherlich die Selbstbestimmung der Klientin, aber auch ihre Gesundheit. Die genannten Fakten und Werte werden nun in der Urteilsbildung abgewogen, es findet eine Beurteilung auf Basis professionsethischer Grundlagen sowie normativer Vorgaben statt. So finden sich im professionsethischen Diskurs oder auch im Berufskodex Aussagen dazu, unter welchen Bedingungen die Selbstbestimmung eingeschränkt werden darf (vgl. Hug 2014:227 f.). Mit dieser Urteilsbildung steht schließlich fest, wie die Situation ethisch einzuschätzen ist und mündet in eine schlüssige Argumentation, in der die Fakten und Werte überzeugend miteinander verbunden werden. Auf dieser Basis werden unter Berücksichtigung organisationaler Rahmenbedingungen – im Team oder möglichst auch gemeinsam mit Klientinnen – unterschiedliche Handlungsoptionen erarbeitet und bewertet. Die begründet ausgewählte Handlungsoption wird schließlich umgesetzt.
4.2 Rechtliche Aspekte des professionellen Handelns
Professionelles Handeln in der Sozialen Arbeit kann über weite Strecken als Verwaltungshandeln bezeichnet werden (vgl. Hammerschmidt 2012:860 f.). Es geschieht im Vollzug von Recht, das Eingriffe bei der Klientel sowohl erlaubt als auch begrenzt, einen rechtlichen Rahmen für Unterstützungsleistungen bietet wie auch Dienstleistungen insgesamt einfordert, zulässt und gleichzeitig begrenzt. Vor dem Hintergrund des liberalen, demokratischen Sozialstaats Schweiz wie auch des demokratischen und sozialen Rechtsstaats Deutschland kann davon ausgegangen werden, dass das Recht