Mitarbeiter unterschiedliche psychotherapeutische Ausbildungen oder grundsätzliche Einstellungen hinsichtlich der Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen haben, die jeder und jede in einem individuellen Ansatz bei den Patientinnen und Patienten fruchtbar zum Einsatz bringen will. Im besten Fall sollte hier ein Abgleich in fallbezogenen Teambesprechungen (z. B. soziotherapeutische Sitzungen) stattfinden.
Beispielhaft sei hier auf eigene Erfahrungen mit der Implementierung von ACT zurückgegriffen: Überlegungen im Kontext der Einführung von ACT im zunächst teil-, dann auch vollstationären Bereich veranlassten uns dazu, dieses Problem durch Thematisierung in unterschiedlichen Formen unserer externen Supervisionen anzugehen. Dabei erscheint uns wesentlich, dass die Supervisionen explizit auf einer transparent gemachten Grundlage der Orientierung an ACT stattfinden. Interessant (und vielleicht auch beispielhaft) erscheinen uns etwa Erfahrungen im Bereich der Gerontopsychiatrie und -psychotherapie, und dabei vor allem auf einer Station für Menschen mit Verhaltensauffälligkeiten bei demenziellen Erkrankungen. Hier gab uns die Zurückhaltung der ärztlichen Weiterbildungsassistentinnen und -assistenten bei der Rotation auf diese Station den Anlass, diese Zurückhaltung näher zu erfragen. Dabei zeigte sich eine gewisse Scheu, sich mit dem auf dieser Station sichtbarer werdenden Thema des sich nähernden Lebensendes zu beschäftigen. Die Psychoanalytikerin Grete Bibring hat bereits 1956 die Problematik »junge Ärzte müssen sich um ältere Patienten (Elternfiguren) kümmern« unter folgendem Aspekt diskutiert: Möglicherweise führt es zu Konflikten, wenn nach gerade stattgefundener z. T. vielleicht konflikthafter Ablösung aus dem eigenen Elternhaus nun plötzlich die Elternfiguren auf einer kranken, geschwächten und hilfebedürftigen Ebene gewissermaßen zurückkommen und vermehrt Rücksicht einfordern (Bibring 1956). Ihr Ansatz war es, sich in Gruppenarbeit mit den in diesen konflikthaften Situationen entstehenden Übertragungs- und Gegenübertragungsreaktionen auseinanderzusetzen (Kratz und Diefenbacher 2016).
Was hat dies nun mit ACT zu tun? Grundsätzlich gilt, dass gerade für die Arbeit mit Patientinnen und Patienten mit medizinisch nicht heilbaren (z. B. demenziellen) Erkrankungen eine Selbstreflexion über das eigene Lebensende hilfreich sein kann, was aber möglicherweise in einer an Leistungsfähigkeit und Jugendlichkeit orientierten Gesellschaft schwerfallen mag (Schindler-Marlow 2014). ACT als Haltung und Therapieansatz beinhaltet wesentlich auch die Diskussion von individuellen Werten in Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit, und erscheint uns daher geeignet, gerade in diesem Setting einen offenen Umgang mit diesem Thema entwickeln zu helfen (Drossel und McCausland 2015, Burian 2015). Hierbei ist wichtig, dass es sich um einen teambezogenen Ansatz handelt, sodass insbesondere das Pflegepersonal sich einbringen kann und soll, welches schließlich 24 Stunden rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche mit demenziell erkrankten Patientinnen und Patienten arbeitet, die z. T. bei aller erlebten Gebrechlichkeit ein recht herausforderndes Verhalten zeigen können. Hier wird umsichtig und kritisch zu beachten sein, inwieweit bei einigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Pflege und auch anderen Berufsgruppen, die dauerhafte Arbeit mit dieser Klientel eine etwaige Überforderung darstellt. Es ist dann Aufgabe der Dienstvorgesetzten, gemeinsam zu erörtern, inwieweit der Erwerb von Kenntnissen und Fertigkeiten für diesen speziellen Bereich eine Weiterentwicklung unterstützt (z. B. Validation; Romero 2019). Oder aber auch, inwieweit externe Beratung oder spezielle pflegerische Supervision in Angriff genommen werden muss (z. B. bei Organisationen wie »Pflege in Not«; www.pflege-in-not.de, Zugriff am 20.08.2020). Hier wird zudem deutlich, dass es sich bei der Implementierung eines solchen Ansatzes letztlich um den Beginn einer Organisationsentwicklung, eines Change-Managements handelt: Es geht nicht nur um die Einführung einer neuen Technik (ACT), sondern auch um die Entwicklung einer gemeinsamen Haltung des Teams mit gemeinsamen Werten, was dazu beitragen soll, dass die unterschiedlichen Vektoren auf der Station sich zu einem für die Patientinnen und Patienten nützlichen Parallelogramm bündeln lassen. Dies aber bedeutet, dass von Seiten der Dienstvorgesetzten und der Leitung der Abteilung auch die Bereitschaft vorhanden sein muss, ggf. – im Konsens zu entwickeln – eine Umstrukturierung der Station einschließlich Veränderung der Zuordnung (z. B. Arbeitsfelder) von Mitgliedern des dort bislang arbeitenden Teams vorzunehmen (Diefenbacher 2019). Idealerweise sind also alle Beteiligten, inklusive Dienstvorgesetzte und Abteilungsleitung, in einen werteorientierten Veränderungsprozess einbezogen (vgl. »Prosocial«-Prozesse; www.prosocial.world, Zugriff am 29.07.2019). Zudem kann der Prozess der gemeinsamen Klärung von Werten sowohl Schwierigkeiten (z. B. Ängsten vor Veränderungen, Widerwillen, Überforderungsgefühle etc.), als auch Phasen der Akzeptanzbildung und aktive Handlungen wie Umstrukturierungen und Umverteilung von Arbeitsfeldern nach sich ziehen.
Im zweiten Teil unseres Buches zu »ACT in Klinik und Tagesklinik« soll es um die Arbeiten mit der Akzeptanz- und Commitment-Therapie im multiprofessionellen Klinikalltag gehen. Hierzu haben wir Beiträge aus unterschiedlichen Perspektiven zusammengestellt. Zum einen finden sich in diesem Abschnitt Kapitel zur Arbeit mit der ACT aus Sicht unterschiedlicher Professionen, die an der Behandlung in Klinik und Tagesklinik beteiligt sind, im Detail die Ärzteschaft (
Literatur
Burian R (2015) Der Stahlhelm des Sozialisten – ACT im Konsiliardienst bei körperlichen Erkrankungen. In: Waadt M, Martz J, Gloster A (Hrsg.) Arbeiten mit der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT). Ein Fallbuch. Bern: Hogrefe. S. 241–274.
Diefenbacher A (2019) Aufbau eines Zentrums für Menschen mit intellektueller Entwicklungsstörung und psychischer